Sauerkraut – es muss nicht immer deftig sein

Sauerkraut ist nichts anderes als Weißkraut – aber einer, der es in sich hat. Eine Armada tüchtiger Milchsäurebakterien verwandelt das Weißkraut zu einem vitaminreichen Supermittel. Es gibt viele Gründe, Sauerkraut öfter auf den Speisezettel zu setzen – sei es als milde Suppe, frischer Rohkostsalat oder feines Ananaskraut zu Zander.

Bei Hubert Nickels dreht sich fast alles um Sauerkraut. Er leitet das „Kohlosseum“ in Wesselburen im Kreis Dithmarschen (Schleswig-Holstein). Dreimal die Woche führt der Lebensmitteltechniker den Besuchern in der Krautwerkstatt des Kohlmuseums vor, wie schonend er Sauerkraut herstellt. Als langjähriger Werksleiter in der ehemaligen Wesselburener Konservenfabrik hat es ihn immer geärgert, dass bei der industriellen Verarbeitung der Kohl zweimal erhitzt wird: zunächst bei 80 Grad blanchiert, dann nach der Abfüllung bei 94 Grad pasteurisiert. „Die Hitze zerstört wertvolle Inhaltsstoffe“, sagt er.

Nickels wollte das Kraut frisch haltbar machen. Es sollte nicht in Silos, sondern abgefüllt in portionsgerechten Gläsern gären. Dafür entwickelte er einen Spezialverschluss, der die Gärgase hinaus-, aber keinen Sauerstoff hineinlässt. Inzwischen vertreibt das „Kohlosseum“ im Jahr bis zu 140 Tonnen des Bioproduktes. Eine kleine Menge angesichts der insgesamt rund 59.000 Tonnen, die laut Christoph Freitag vom deutschen Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie in Bonn im vergangenen Jahr produziert wurden.

Das Verfahren, aus Weißkohl mit Hilfe der Milchsäuregärung ein ohne Konservierungsstoffe über Monate haltbares Gemüse zu machen, ist keine deutsche Erfindung. Bereits der griechische Arzt Hippokrates empfahl im vierten Jahrhundert vor Christus Sauerkraut als gesunde Speise. Die heute bekannte Variante des geschnittenen, mit Salz eingelegten Kohls setzte sich nach Untersuchungen des Historikers Klaus Gille erst im 15. Jahrhundert in Mitteleuropa durch. Die Ersten waren wohl die Elsässer – und sie haben auch „Choucroute“ mit Speck und Wurst zu ihrem Nationalgericht erklärt.

Heute gibt es das Kraut fix und fertig zu kaufen. Am gängigsten ist die Konserve mit ihrem pasteurisierten Inhalt. Kenner und Gesundheitsbewusste schwören jedoch auf Frischware im Glas oder direkt aus dem Fass. „Frischkraut ist knackiger, hat mehr Biss“, sagt der Meisterkoch Christian Mittermeier vom Restaurant „Villa Mittermeier“ im fränkischen Rothenburg. Für seine beliebte Sauerkrautsuppe mit schwarzem Trüffel verwendet er jedoch Dosenkraut: „Das ist weicher.“ Mittermeier setzt das Kraut an und füllt es mit einer selbst gemachten heißen Geflügel- oder Kalbsbrühe sowie etwas Obers auf. Nach dem Mixen wird die Suppe püriert. Vor dem Servieren noch etwas Trüffel darüber gehobelt – und der Gaumenschmaus ist perfekt.

Doch es muss nicht die Luxusknolle sein, um Sauerkraut Pfiff zu verleihen. „Wir kombinieren es bevorzugt mit Süßem, zum Beispiel mit Ananas und Zimtblüten, aber auch gern mit Äpfeln und/oder Birnen“, erklärt Mittermeier. Statt der klassisch rustikalen Komponenten wie Lorbeer, Nelken oder Wacholder empfiehlt er eine Prise Zimt oder Zimtblüten. „Sauerkraut verträgt auch hervorragend eine Spur Schärfe wie Pfeffer, Chili oder roh geriebenen Kren.“

Der Sternekoch Franz Feckl vom „Landhaus Feckl“ in Ehningen bei Stuttgart schwört auf Filder-Sauerkraut aus seiner Region, frisch vom Bauern. Als Rahmkraut serviert er es zu Zanderfilet. Ganz mild und wenig gekocht lautet dabei seine Devise: „Man muss es nicht zu Tode kochen.“ Was schade wäre, nicht zuletzt wegen der Inhaltsstoffe. Viele Vitamine, Ballast- und sekundäre Pflanzenstoffe machen Sauerkraut zu einem „Powerkraut“, das – schlank zubereitet – zur Idealfigur verhelfen kann.

INFO: Kohlosseum Wesselburen: http://www.kohlosseum.de/

(APA/dpa)

Kommentare sind geschlossen, aber trackbacks und Pingbacks sind offen.