Morales kündigt Einberufung von Neuwahlen in Bolivien an

Boliviens Präsident Evo Morales will nach wochenlangen Protesten Neuwahlen einberufen. Das kündigte er am Sonntag im Fernsehen an. Er plane zudem, die Mitglieder der Wahlkommission auszutauschen. Kurz zuvor hatte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gefordert, dass die bolivianische Präsidentschaftswahl vom 20. Oktober für ungültig erklärt werden solle.

Seit Wochen kommt es in Bolivien zu Zusammenstößen zwischen Gegnern und Anhängern des indigenen Präsidenten. Am Samstag hatte die Polizei erklärt, nicht gegen die regierungskritischen Demonstranten vorzugehen. Der seit 2006 amtierende Präsident hatte nach Angaben der Wahlbehörden am 20. Oktober mit 47,08 Prozent der Stimmen gegen seinen Herausforderer Carlos Mesa (36,51 Prozent) gewonnen. Die Opposition wirft der Regierung Wahlbetrug vor.

Der Druck auf Morales war zuvor gewachsen: In mehreren großen Städten haben sich Polizisten Berichten zufolge den Protesten gegen ihn nach der umstrittenen Präsidentenwahl angeschlossen. Die Polizeiwache am Präsidentenpalast in La Paz verließ demnach am Samstag ihre Posten. Regierungsgegner unterbrachen zudem den Betrieb der staatlichen Sender Bolivia TV und Radio Patria Nueva.

Organisierte Gruppen hätten die Mitarbeiter der Sender bedroht und eingeschüchtert und sie dann gezwungen, ihre Arbeitsplätze zu verlassen, schrieb Morales am Abend (Ortszeit) auf Twitter. „Sie sagen, dass sie die Demokratie verteidigen, verhalten sich aber wie in einer Diktatur.“ Die Häuser der Gouverneure zweier Departments sowie das seiner Schwester seien angezündet worden.

Der linke Staatschef hatte einige Stunden zuvor in einer Fernsehansprache erneut von einem Putschversuch gesprochen und seine Anhänger aufgefordert, zu mobilisieren. Die Polizei ermahnte er, die Verfassung zu erfüllen. Der neu eingesetzte Polizeichef der bevölkerungsreichsten bolivianischen Stadt Santa Cruz, Miguel Mercado, sagte nach einem Bericht der Zeitung „El Deber“ vor einer Menschenmenge: „Ich unterstütze die Meuterei.“

Der Oppositionsführer Luis Fernando Camacho dankte der Polizei auf Twitter dafür, dass sie auf der Seite des Volkes stehe. Er bedankte sich auch bei den Streitkräften. Deren Oberbefehlshaber Williams Kaliman hatte auf einer Pressekonferenz erklärt, Soldaten würden nicht gegen das Volk vorgehen.

Morales rief zu Gesprächen der vier Parteien auf, die laut dem umstrittenen Ergebnis der Wahl vor drei Wochen im Parlament vertreten sind. Er starte diesen dringenden Aufruf, um den Frieden zu bewahren, twitterte Morales, der erste indigene Präsident des Andenlandes. Er bat Papst Franziskus sowie verschiedene Kirchen und internationale Organisationen, die Gespräche zu begleiten.

Der konservative Ex-Präsident Carlos Mesa, der bei der Wahl Zweiter geworden war, lehnte das Angebot ab. „Ich habe mit Evo Morales und seiner Regierung nichts zu verhandeln“, sagte er in einer Videoansprache. Morales müsse nun entscheiden, auf welchem Wege er das Amt verlassen wolle. „Verantwortlich für die Situation, die man einen Staatsstreich nennen könnte, ist Evo Morales, indem er einen riesigen Wahlbetrug begangen hat.“

Morales ist der dienstälteste Präsident des Kontinents. Bereits seit 2006 leitet der frühere Koka-Bauer die Geschicke Boliviens. Der 59-Jährige hatte sich zum dritten Mal zur Wiederwahl gestellt, obwohl die Verfassung nur eine Wiederwahl vorsieht. Morales überwand diese Hürde mit Hilfe der Justiz, die die Begrenzung der Amtszeiten als Verletzung seiner Menschenrechte bezeichnete.

Nach der ersten Runde der Präsidentenwahl am 20. Oktober erklärte er sich direkt zum Sieger, obwohl die Opposition, aber auch die Organisation Amerikanischer Staaten und die EU erhebliche Zweifel anmeldeten. Seitdem liefern sich Anhänger und Gegner von Morales fast täglich heftige Auseinandersetzungen.

Zwar floriert Bolivien – das Armenhaus Südamerikas – unter dem Sozialisten wirtschaftlich, doch sein zunehmend selbstherrliches und autoritäres Gehabe stößt immer mehr Bolivianern bitter auf. Vor allem die Menschen im wirtschaftlich starken Osten des Landes fühlen sich von Morales über den Tisch gezogen.

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