EU-Luftraum für Boeing 737 Max 8 und 9 gesperrt
Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 in Äthiopien gerät der US-Luftfahrtriese Boeing immer stärker unter Druck: In Europa, Australien und weiten Teilen Asiens haben Luftfahrtbehörden Flugverbote für alle baugleichen Maschinen erteilt. Zahlreiche Airlines legten die Flugzeuge am Dienstag wegen Zweifeln an der Sicherheit der Baureihe ebenfalls zunächst still.
Damit ist gut die Hälfte der seit 2017 ausgelieferten rund 350 Flugzeuge aus dem Verkehr gezogen. Es drohen zahlreiche Flugausfälle. Das stürzt Boeing nicht nur in eine tiefe Imagekrise: Die 737-Max-Serie ist der gefragteste Flugzeugtyp des Airbus-Rivalen. Bei andauernden Problemen bei dem Kassenschlager könnten auch massive Umrüstungskosten und Geschäftseinbußen drohen. Der Aktienkurs des Unternehmens sackte den zweiten Tag in Folge ab.
Boeing beharrte indes auf der Sicherheit der nach zwei Abstürzen innerhalb eines halben Jahres stark in die Kritik geratenen Baureihe. „Wir haben volles Vertrauen in die Sicherheit“, teilte der Konzern am Dienstag mit. Boeing verwies erneut darauf, dass die US-Luftfahrtbehörde FAA derzeit keine weiteren Maßnahmen fordere. In den kommenden Wochen will der Konzern jedoch ein wichtiges Software-Update für die Baureihe anbieten. Die Devise laute, „ein bereits sicheres Flugzeug noch sicherer machen“, versprach Boeing.
Beim Absturz einer Maschine der Fluggesellschaft Ethiopian Airlines in der Nähe der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba waren am Sonntag 157 Menschen ums Leben gekommen, darunter auch drei Österreicher und ein in Kärnten tätiger Pfarrer aus Deutschland.
„Ich würde in dieses Flugzeug nicht einsteigen“, sagte Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ). Hofer, der selbst eine Pilotenlizenz besitzt, erklärte: „Wir waren gezwungen, selbst aktiv zu werden.“ Die Probleme, die sich bei der Software des Typs 737 Max 8 gezeigt hatten, würden „eine echte Gefahr darstellen“.
Es besteht der Verdacht, dass die Software beim Start in einer Art und Weise eingreife, die zum Absturz führe, sagte der Verkehrsminister am Dienstag. Das müsse der Flugzeughersteller nun beheben. „Für Boeing ist es ein riesiger Schaden“, meinte Hofer. „Ich glaube, es sind derzeit etwa 300 Flugzeuge dieses Typs ausgeliefert, etwa 2.000 in der Pipeline. Also wenn Boeing das nicht schafft, dann ist der Schaden für das Unternehmen wirklich enorm.“
Der Verkehrsminister, der das Vorgängermodell der 737 Max 8 kennt, glaubt, dass die Problembehebung etwa zwei bis drei Wochen dauern wird. Denn „jetzt greift die Elektronik direkt ein und der Pilot hat keine Chance, das Flugzeug sicher auf den Boden zu bekommen“.
Der internationale Flugverkehr wird aus Furcht vor weiteren Zwischenfällen zunehmend in Mitleidenschaft gezogen. Nachdem am Dienstagnachmittag Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Österreich und weitere Staaten eine Sperre ihres Luftraums für die Boeings angekündigt hatten, zog auch die europäische Luftfahrtbehörde EASA am Abend nach. Das Verbot gelte als „Vorsichtsmaßnahme“ für den ganzen europäischen Luftraum für die Typen Boeing 737 Max 8 und Boeing 737 Max 9, erklärte die EASA.
Die Sperre des deutschen Luftraums für das Boeing-Modell 737 Max gilt für drei Monate. Bis einschließlich 12. Juni dürfe kein Flugzeug des Typs Boeing 737 Max 8 und Max 9 über der Bundesrepublik fliegen, richtetet die Deutsche Flugsicherung (DFS) in Langen bei Frankfurt aus. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) entschied am Nachmittag, Flugzeuge vom Typ Boeing 737 Max ab Mitternacht bis auf weiteres im österreichischen Luftraum zu „grounden“. Nach Informationen der Austro Control befinden sich in Österreich keine Flugzeuge des Typs Boeing 737 Max.
Der weltgrößte Reisekonzern Tui legt infolge des Flugverbots in Großbritannien seine 15 Flugzeuge vom Typ Boeing 737 Max 8 vorübergehend still, Turkish Airlines zwölf Flieger. Auch Norwegian wird ihre 18 Maschinen des Typs vorerst außer Betrieb nehmen.
Viele Länder folgen diesmal nicht – wie üblich – der Linie der US-Luftfahrtbehörde FAA. „Diese Untersuchung hat gerade erst begonnen, und uns liegen bisher keine Daten vor, um Schlussfolgerungen zu ziehen oder Maßnahmen zu ergreifen“, teilte die FAA am Montag (Ortszeit) mit. Die US-Behörde kündigte jedoch an, sie werde „geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn die Daten darauf hindeuten, dass dies erforderlich ist“.
Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 im Oktober in Indonesien mit 189 Todesopfern Jahr gab es der FAA zufolge bereits zahlreiche technische Prüfungen und Maßnahmen. Im Zentrum der Untersuchungen stand bisher ein umstrittenes System zur Flugkontrolle, das laut Unfallermittlern eine entscheidende Rolle beim Crash in Indonesien gespielt haben könnte. Boeing versprach nun eine Verbesserung der Steuerungssoftware, die in den kommenden Wochen bei sämtlichen 737-Max-Maschinen aufgespielt werde.
Die Piloten der in Äthiopien verunglückten Boeing hatten der Flugsicherung kurz vor dem Absturz von Problemen berichtet, die Maschine unter Kontrolle zu halten. Das sagte der Chef von Ethiopian Airlines dem Nachrichtensender CNN.
US-Politiker forderten unterdessen Konsequenzen der Luftfahrtbehörde FAA. Spitzenvertreter beider großer Parteien sprachen sich am Dienstag für ein Startverbot des betroffenen Flugzeugtyps aus. Alle Flieger sollten am Boden bleiben, bis die Ursachen der jüngsten Abstürze und die Flugtauglichkeit geklärt seien, forderte etwa der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney. US-Präsident Donald Trump sprach sich unterdessen gegen den Einsatz von zu viel Computertechnologie in der Luftfahrtbranche aus.
Die Boeing 737 ist das meistverkaufte Verkehrsflugzeug der Welt. Die 737-Max-Reihe ist die neueste Variante des Verkaufsschlagers. Der US-Hersteller hat bereits mehr als 350 Maschinen ausgeliefert und sitzt auf prall gefüllten Auftragsbüchern mit Tausenden Bestellungen.
An der Börse in New York sackte die Boeing-Aktie wieder ab. Am frühen Nachmittag stand sie mit sieben Prozent in Minus. Die Papiere des europäischen Erzrivalen Airbus profitierten hingegen leicht, hier näherte sich der Kurs mit einem Plus von gut einem Prozent dem Rekordhoch vom 1. März.
Es ist nicht das erste Mal, dass Boeing-Maschinen wegen Sicherheitsrisiken in großem Stil nicht starten. Im Jänner 2013 hatte die US-Luftfahrtbehörde FAA nach einer Reihe von Pannen ein Flugverbot für Boeings damaligen Vorzeigeflieger „Dreamliner“ verhängt. Vorausgegangen war eine Notlandung des Langstreckenjets in Japan, nachdem eine Batterie durchgeschmort war. Diesmal dürften die Folgen jedoch deutlich schwerwiegender sein, Boeing hatte damals lediglich 50 „Dreamliner“ ausgeliefert, die 737-Max-Jets sind wesentlich stärker verbreitet.
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