"Pudertanz" – Uhlich: Viele fühlten sich in keinster Weise provoziert

Choreografin zur Aufregung um Performance: "Dass Kunst kontroverse Meinungen auslöst, ist das Wesen von Kunst" – Schweeger: "Wir befinden uns im Wahlkampf" – Helnwein polarisiert in Gmunden

Im Salzkammergut ist er noch immer Gesprächsthema, die Leserbriefspalten der Lokalmedien sind voll, und auch Landes- und Stadtpolitik beschäftigen sich mit genau einem Programmteil der Eröffnung der Kulturhauptstadt Bad Ischl vor fast zwei Wochen: Doris Uhlichs „Pudertanz“ polarisiert weiter. Die Choreografin selbst bleibt gelassen: „Dass Kunst kontroverse Meinungen auslöst, ist das Wesen von Kunst“, kommentiert sie gegenüber der APA die Aufregung.

„Ich habe so viele positive Rückmeldungen bekommen, auch von vielen Menschen aus dem Salzkammergut, sowohl bereits nach der Eröffnung als auch per Mail etc. Es waren viele Menschen berührt und bestärkt und fühlten sich in keinster Weise provoziert“, so die selbst in der Kulturhauptstadtregion geborene Performerin in einem schriftlichen Statement. „Wenn man meiner Arbeit mit einem offenen Blick begegnet, sieht man nackte Menschen, die sich mit ihren Körpern ohne sexualisierte Zuschreibungen beschäftigen, man spürt die Tiefe und die Achtsamkeit, mit der ich choreografiere. Seit vielen Jahren arbeite ich mit Menschen unterschiedlicher Biografien und körperlicher Einschreibungen und zeige die Potenziale von Nacktheit jenseits einfacher Erotisierung und Provokation.“

Beides hatte zu etlichen Reaktionen geführt: Dass Uhlich in ihrer Performance gemeinsam mit ihren Tänzerinnen und Tänzern nackt war – und dass die unbekleideten Körper keinen klassischen Schönheitsidealen entsprachen. „Ich denke an Gustav Klimt und Egon Schiele, wie sie angefeindet wurden – auch wegen der Darstellung von nackten Körpern. Und jetzt werden sie gefeiert. Wir sollten aus der Geschichte lernen. Ich bin Künstlerin und mache meine Kunst, die für Respekt und Vielfalt und Diversität von Körpern steht“, betont Uhlich.

Uhlichs neue Arbeit „In Ordnung. Ein rauschhaftes Ensembletanzstück“ wird bereits morgen, Samstag, an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. „Dafür lädt Doris eine Gruppe des Schauspielensembles ein, sich der Energie einer permanenten Veränderung hinzugeben: Nichts bleibt, wie es war, alles wird anders“, heißt es in der Ankündigung. „Auch Bühnenbild und Kostüme sind größtenteils aus transformierten Materialien aus dem Fundus. Das Stück schafft in vielerlei Hinsicht etwas Neues – eine neue (Un-)Ordnung auf der Bühne bis in den Zuschauerraum. Wie fühlt es sich an, eine Gesellschaft neu zusammenzusetzen?“

Auch Kulturhauptstadt-Intendantin Elisabeth Schweeger versucht im Gespräch mit der APA zu relativieren: „Es gibt Tonnen von Rückmeldungen, die extrem positiv sind. In der internationalen und nationalen Presse gibt es mehrheitlich positive Reaktionen auf ein Eröffnungsprogramm, das 40, 45 Veranstaltungen umfasst hat.“ Dass die textilfreie Performance nicht nur viel Puder, sondern anschließend auch so viel Staub aufwirbeln werde, habe sie in dieser Intensität nicht erwartet, gibt sie zu. „Ich habe schon gedacht, dass darüber gesprochen werden wird – aber angesichts des Umstands, dass man in jeder Kirche, in der gesamten Kunstgeschichte mit Darstellungen mit Nacktheit konfrontiert wird, wundere ich mich schon, dass manche sich nun darüber so aufregen.“

Sie finde es „interessant, dass Theater noch immer polarisieren und diese Erregung auslösen kann. Das ist für mich aber überhaupt kein Problem. Kunst ist etwas, das zu Diskussionen anregen soll. Kunst soll nicht nur unterhalten oder trösten. Ich finde es gut, dass Kunst Reaktionen hervorruft.“ Dass diese auch auf politischer Ebene erfolgten, wundere sie nicht wirklich. „Wir befinden uns im Wahlkampf. Das könnte eine Erklärung für manche politische Reaktionen sein.“

Nicht nur in Bad Ischl wird derzeit über zeitgenössische Kunst debattiert. Auch eine Kunstinstallation von Gottfried Helnwein in Gmunden polarisiert offenbar. Er hat auf Initiative der Salzkammergut Festwochen Gmunden und der Stadtgemeinde das Rathaus und das Stadttheater mit übergroßen Bildern verhängt. „Memory“, „The Smile“ und „The Disasters of War“ zeigen Kinder – einmal beim Küssen, einmal blutbefleckt und einmal in einer Nazi-Uniform. Am Freitag sah sich die Stadt Gmunden angesichts negativer Reaktionen bemüßigt, die Kunstaktion zu verteidigen.

Der Künstler spreche „offen und schonungslos Themen an, die wir Menschen gerne verdrängen“, so Bürgermeister Stefan Krapf und Gemeinderat Andreas Hecht (beide ÖVP) in einer Aussendung. „Wenn man die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen in Österreich ehrlich und objektiv betrachtet, so muss man in aller Deutlichkeit erkennen, dass Radikalismus, verschiedene Formen von Extremismus, subtile Gewalt und Intoleranz einen sehr breiten, mittlerweile besorgniserregenden Raum einnehmen.“ Helnwein „holt uns bewusst aus der oberflächlichen Idylle“ und zeige „wohin Hass, Spaltung und Gewalt führen können und, dass davon dann auch Kinder betroffen sind. Seine Werke sind Mahnmale, ein nachdrückliches Zeichen gegen Gewalt, Krieg, Aggression und perfide Instrumentalisierung“, heißt es darin.

Könnten derartige Debatten am Ende ein Beleg dafür sein, dass die Bewohner des Salzkammerguts doch nicht so weltoffen sind, wie in der Bewerbung der Kulturhauptstadt-Region immer wieder betont wurde? „Die Region ist offen. Sie war es immer“, weist Schweeger diese Vermutung zurück. „Hubert von Goisern, Tom Neuwirth aka Conchita und auch Doris Uhlich stammen von hier. Aber es stimmt halt auch, dass Goisern vor 20 Jahren hier weggegangen ist und auch Tom Neuwirth nicht in Bad Mitterndorf, sondern anderswo zu dem Künstler geworden ist, der heute auch zu Hause geschätzt wird.“

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