Kurz auf Besuch in Südkorea

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Donnerstag seine Ostasien-Reise nach Südkorea und Japan gestartet. An der Yonsei-Universität in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul nahm er auf Einladung des früheren UNO-Generalsekretärs Ban Ki-moon an der Eröffnung eines Forums zu Nachhaltiger Entwicklung teil. Zudem traf Kurz den südkoreanischen Staatspräsidenten Moon Jae-in sowie Premier Lee Nak-yeon.

Kurz sprach genauso vor dem Forum wie Altbundespräsident Heinz Fischer. Ban und Fischer haben das „Ban Ki-moon Centre for Global Citizens“ gegründet, das auch in Wien ein Büro hat. Die Non-Profit-Organisation, die im Rahmen der UNO-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals/SDGs) tätig ist, will Jugendliche und Frauen mit solchen Fähigkeiten ausstatten, dass sie „als Weltbürger in Frieden und Wohlstand leben“ können.

Kanzler Kurz beschrieb die SDGs in seiner Ansprache als „Kompass“. Die globale Ordnung ändere sich, der wirtschaftliche Wettbewerb werde immer globaler, der technologische Fortschritt immer schneller. Die rasante Veränderung sei „wahrscheinlich mittlerweile unsere einzige Konstante“, so Kurz. Die SDGs stellten dabei eine nötige Orientierung und einen ganzheitlichen Blick auf die allgemeinen Ziele Frieden, Gerechtigkeit und Wohlstand dar.

Kurz sprach sich für internationale Zusammenarbeit aus, um die UNO-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen – etwa wenn es um die Bekämpfung von Hunger und Armut geht, die Schaffung starker Institutionen oder den Zugang zu Bildung und Arbeitsplätzen. „Der größte technologische Fortschritt hilft uns nur wenig, wenn nicht alle Menschen gleichermaßen davon profitieren können“, betonte er.

Bei aller Entwicklung müsse man zugleich auf die Ressourcen der Erde und die Umwelt achten. In diesem Zusammenhang warnte der Kanzler auch vor Rückschlägen bei Erreichung der SDGs, die alle Staaten negativ treffen würden – wenn einzelne Länder ihren Beitrag beim Klimaschutz infrage stellten, oder wenn es zu einer Abkehr von der Abrüstung komme, sagte Kurz, ohne den Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaabkommen und die jüngste Aufkündigung des INF-Vertrags aus dem Jahr 1987 über den Verzicht auf landgestützte atomare Mittelstreckenwaffen zwischen den USA und Russland zu nennen.

Die EU betreffend warnte Kurz vor zu viel Bürokratie und Überregulierung. Dies schränke die Freiheit der einzelnen Bürger ein, hemme die Innovationskraft und schade der Wettbewerbsfähigkeit. Österreich will der Kanzler von Rang neun im SDG-Index der UNO bis 2020 unter die Top fünf bringen, wie er sagte.

Fischer mahnte, dass Jugendliche unter 30 Jahren in vielen Bereichen benachteiligt seien, obwohl sie heute mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung ausmachten. Der Jugend sowie Frauen und Mädchen wolle das Ban Ki-moon Zentrum Möglichkeiten eröffnen, „dass sie ihre Zukunft aktiv in die Hand nehmen können“. Der Bundeskanzler und Ban unterzeichneten am Rande des Forums in Seoul, an dem auch die ehemalige neuseeländische Premierministerin Helen Clark teilnahm, eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit des Bundeskanzleramts mit dem „Ban Ki-moon Centre for Global Citizens“ zur Umsetzung der SDGs.

Der SDG-Katalog, auf den sich die 193 Mitgliedsstaaten der UNO im September 2015 einigten, umfasst 17 Ziele, die bis 2030 erreicht werden sollen – nicht nur von klassischen Entwicklungsländern, sondern auch von sogenannten Schwellenländern und reichen Staaten. Das freiwillige Abkommen gilt im Unterschied zum Vorgänger, den Millennium Development Goals (MDGs), also für alle Länder. Unter dem Motto „Niemanden zurücklassen“ umfassen die Ziele unter anderem die Beseitigung von Armut und Hunger, Zugang zu Bildung, Wasser und medizinischer Versorgung, Geschlechtergerechtigkeit, nachhaltiges Wirtschaftswachstum oder Klimaschutz. Ein erster Fortschrittsbericht zu Österreich soll 2020 präsentiert werden.

Ban, der früher auch südkoreanischer Außenminister und Botschafter in Wien war, war angesichts des umfangreichen Besuchs aus Österreich – neben Kurz und Fischer u.a. auch Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) – zu Scherzen aufgelegt: Südkorea und die Yonsei-Universität seien „geradezu von Österreichern besetzt“. Bundeskanzler Kurz sei mit 27 Jahren Außenminister geworden, während er in diesem Alter gerade einmal seine diplomatische Laufbahn im südkoreanischen Außenministerium am untersten Ende der Karriereleiter begonnen habe. Kurz (32) kommentierte den Seitenhieb auf sein Alter: Er sei inzwischen gealtert. Aber nicht unbedingt an Jahren, sondern aufgrund des „durchaus anstrengenden Jahres als Bundeskanzler“.

Nach einem Treffen mit dem südkoreanischen Premierminister Lee Nak-yeon sagte Kanzler Kurz ihm „volle Unterstützung“ in der Politik Südkoreas zur Lösung des Konflikts mit Nordkorea zu. Um das Ziel einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel zu erreichen, sei eine solche Unterstützung insbesondere in der UNO möglich, sagte Kurz. „Wir bemühen uns, das Zeitalter des Kalten Krieges vollständig zu beenden und ein Zeitalter des Friedensprozesses herbeizuführen“, so Lee. Nach einer Phase der sich steigernden Spannungen war es vor einem Jahr zu einem Annäherungskurs zwischen dem stalinistischen, mit Atomwaffen hochgerüsteten Nordkorea einerseits und Südkorea und seinem Verbündeten USA andererseits gekommen.

Zuvor hatten immer neue Atomwaffen- und Raketentests des Regimes in Pjöngjang weitere UNO-Sanktionen gegen Nordkorea nach sich gezogen. Seit der Trendwende in dem Konflikt traf der südkoreanische Präsident Moon Jae-in, der Kanzler Kurz ebenfalls am Donnerstag in seinem Amtssitz, dem Blauen Haus, in Seoul empfing, mehrmals den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un.

Erstmals in der Geschichte gab es im Juni 2018 auch einen USA-Nordkorea-Gipfel mit Kim und Präsident Donald Trump in Singapur. Ende Februar soll ein weiterer in Vietnam folgen. Beim ersten Gipfel in Singapur willigte Kim in die „Denuklearisierung“ seines Landes ein; die koreanische Halbinsel soll so atomwaffenfrei werden, nachdem die USA ihre Kernwaffen schon vor Jahrzehnten abgezogen haben. Genauere Definitionen, einen Zeitplan oder Kontrollmaßnahmen für den Denuklearisierungs-Prozess gibt es bisher aber nicht.

Zudem machten Kanzler Kurz und sein südkoreanischer Amtskollege Lee deutlich, dass Südkorea und Österreich ihre Zusammenarbeit und den bilateralen Austausch weiter stärken wollen – auf wirtschaftlicher Ebene aber auch in Wissenschaft und Forschung. Lee sprach von einem „weiteren Ausbau“, Kurz von „sehr viel Luft nach oben“.

Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) unterzeichnete am Donnerstag mit seinem südkoreanischen Amtskollegen You Young-min eine Vereinbarung über ein Austauschprogramm und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Forschern aus Südkorea und Österreich. Für gemeinsame Aktivitäten im Rahmen des Programms stehen laut Wissenschaftsministerium zunächst in den kommenden sechs Jahren bis zu 80.000 Euro pro Jahr zur Verfügung. Faßmann besuchte auch am Donnerstag die Seoul National University, die sich nach verschiedenen Rankings unter den Top 50 oder gar unter den Top 30 der Universitäten weltweit befindet. Neben Universitäten in Tokio und Uppsala in Schweden gehört die Universität Wien zu den wichtigsten Partnern der Seoul National University. Eine offizielle Partnerschaft zwischen den beiden Unis soll bald besiegelt werden.

Am Freitag setzt der Kanzler seine Ostasien-Reise in Japan fort. Dort sind Treffen mit Kronprinz Naruhito, der am 1. Mai in der Nachfolge seines Vaters Akihito den Kaiserthron besteigen soll, sowie mit Premier Shinzo Abe vorgesehen.

(APA)

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