Strafe für Sophie Karmasin auf zehn Monate bedingt reduziert

Schuldspruch für Bestimmung zu wettbewerbsbestimmenden Absprachen bestätigt, aber Strafe um fünf Monate gesenkt – "Kein Fall von schwerer, geschweige schwerster Kriminalität"

Ein Fünf-Richterinnen-Senat des Obersten Gerichtshofs (OGH) hat am Mittwoch die erstinstanzliche Verurteilung der ehemaligen ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin wegen Bestimmung zu wettbewerbsbestimmenden Absprachen bestätigt. Die vom Erstgericht verhängte Strafe wurde allerdings von 15 auf zehn Monate reduziert und zur Gänze bedingt nachgesehen. „Das ist kein Fall von schwerer, geschweige schwerster Kriminalität“, stellte der Senatsvorsitzende Rudolf Lässig fest.

Karmasin war bei dem öffentlichen Gerichtstag im Justizpalast krankheitsbedingt nicht persönlich anwesend. „Sie nimmt Medikamente. Es geht ihr sehr schlecht“, entschuldigte Verteidiger Norbert Wess die 57-Jährige. Was genau der früheren ÖVP-Politikerin und einstigen Vertrauten von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz fehlt, sagte ihr Rechtsvertreter nicht. Wess appellierte an die Medienvertreterinnen und -vertreter, die Privatsphäre Karmasins zu wahren und nicht über ihren Gesundheitszustand zu recherchieren bzw. zu berichten.

Karmasin war im Mai vorigen Jahres am Wiener Landesgericht wegen Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Absprachen schuldig erkannt und zu 15 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Vom ebenfalls angeklagten schweren Betrug im Zusammenhang mit dem Weiterbezug ihres Ministerinnengehalts wurde die Ex-Politikerin freigesprochen. Der OGH-Senat verwarf nun sowohl die Nichtigkeitsbeschwerde der Verteidigung gegen die Verurteilung als auch die Nichtigkeitsbeschwerde der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen den erstinstanzlichen Freispruch vom mitangeklagten schweren Betrug. Beiden Beschwerden käme keine Berechtigung zu, führte der Senatsvorsitzende Lässig in seiner ausführlichen Urteilsbegründung aus.

Der Berufung der Verteidigung gegen die Strafhöhe wurde dagegen Folge gegeben. Bei einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren für das schuldig gesprochene Delikt „sind 15 Monate für eine Ersttäterin wirklich hoch, außerordentlich hoch“, sagte Lässig. Ein Herabsetzen der Strafe um fünf Monate sei „gerechtfertigt und schuldangemessen“, da das Erstgericht bei der Strafbemessung zwei wesentliche Milderungsgründe außer acht gelassen habe. Lässig verwies zum einen auf die bisherige Unbescholtenheit der Ex-Politikerin: „Sie ist Jahrgang 1967 und hat sich ihr ganzes Leben wohl verhalten.“ Zum anderen habe das gegenständliche Strafverfahren Karmasin „gravierende Nachteile“ eingebracht, was bei der Strafzumessung mitzuberücksichtigen sei.

Die Strafe unbedingt oder teilbedingt auszusprechen, wie die WKStA das in ihrer Berufung gegen das Strafausmaß gefordert hatte, kam für den Senat nicht in Frage. Für einen Ersttäter bzw. eine Ersttäterin sei eine bedingte Strafnachsicht „österreichweit üblich“, sofern es sich nicht um Kapitalverbrechen handle, legte der Senatsvorsitzende dar. Karmasin, die in dieser Causa eine Zeit in U-Haft genommen worden war, habe überdies bereits das Haftübel verspürt. „Niemand hier im Saal wird wohl der Meinung sein, dass sie noch einmal eingesperrt gehört“, sagte Lässig.

Karmasin war am 2. März 2022 festgenommen worden – allerdings nicht primär wegen der gegenständlichen Vorwürfe, sondern wegen ihrer möglichen Verwicklung in die ÖVP-Inseratenaffäre. Zwei Tage danach wurde über die Ex-Ministerin wegen dringenden Tatverdachts und Tatbegehungsgefahr die U-Haft verhängt, aus der sie erst mehr als drei Wochen später – am 28. März – wieder freikam. In der ÖVP-Affäre gilt Karmasin neben Ex-Kanzler Kurz, weiteren Vertrauten des Ex-ÖVP-Obmanns und den Zeitungsherausgebern Wolfgang und Helmuth Fellner als Beschuldigte, die WKStA ermittelt gegen sie wegen Beteiligung an Untreue und Geldwäscherei. Für sie gilt in dieser Sache eben so wie für die anderen Verdächtigen die Unschuldsvermutung.

In Bezug auf die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen, die neben dem Fortbezug ihres Ministerinnengehalts vom OGH behandelt wurden, hatte sich der Schuldspruch des Erstgerichts auf drei Studien für das Sportministerium bezogen, für die Karmasin den Zuschlag erhalten hatte. Dies dadurch, dass sie zwei Mitbewerberinnen – darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab – dazu brachte, „von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde“, wie es in der Anklageschrift der WKStA hieß. Beinschab und die zweite Konkurrentin legten zwischen April 2019 und Juni 2021 Angebote, die Karmasin dann jeweils unterbot. Das war nach Ansicht des Erstgerichts „jedenfalls rechtswidrig“ und habe „gezielt den Wettbewerb eingeschränkt“.

Der OGH bestätigte diese Rechtsansicht. Dass ein Verfahren nach dem Bundesvergaberecht eingeleitet wurde, sei „unstrittig“, erläuterte der Senatsvorsitzende Lässig. Wenn die Verteidigung meine, es habe in Bezug auf die drei Studien derart viele Unregelmäßigkeiten gegeben, dass gar kein ordentliches Vergabeverfahren vorlag, „dann hinkt dieser Vergleich“, sagte Lässig.

Was den gegen Karmasin gerichteten Vorwurf des schweren Betrugs betrifft, war für das Erstgericht zwar „zweifellos erwiesen“ und „eindeutig dokumentiert“, dass sich diese nach ihrem Ausscheiden aus dem Ministeramt mit Anfang Dezember 2017 ungeachtet der Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit „mit voller Absicht“ ihre Fortbezüge bis Ende Mai 2018 erschlichen hatte. Die erste Instanz kam aber zum Schluss, dass die Strafbarkeit des Betrugs aufgehoben war, weil der Ex-Ministerin zugebilligt werden musste, den angerichteten Schaden vollständig, rechtzeitig und freiwillig gutgemacht zu haben, bevor die Strafverfolgungsbehörden von Karmasins Verschulden Kenntnis erlangt hatten.

Dem schloss sich der OGH-Senat, der zum Schuss kam, dass eine für die tätige Reue erforderliche rechtzeitige und vollständige Schadensgutmachung vorlag. Es war dabei um eine Summe von knapp 59.000 Euro gegangen.

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