Globales Geldvermögen trotz Coronakrise gewachsen

Das globale Geldvermögen ist heuer im ersten Halbjahr trotz der Coronapandemie und der damit einhergehenden Wirtschaftskrise gewachsen. Der Anstieg betrug laut dem neuesten Allianz Vermögensreport 1,5 Prozent. Der „Global Wealth Report“ analysiert alljährlich Geldvermögen und Verschuldung der privaten Haushalte in fast 60 Ländern. Österreich ist im Vorjahr weiterhin das 16. reichste Land der Welt geblieben. Drastisch gesunken ist hingegen das Einkommen von Arbeitnehmern.

Der weltweite Anstieg des Geldvermögens heuer im ersten Halbjahr ist laut Allianz den geld- und fiskalpolitischen Hilfspaketen der Zentralbanken und Finanzbehörden zu verdanken. Das Vermögen der Haushalte sei dadurch vorerst vor dramatischeren Folgen der Krise bewahrt worden. Haupttreiber der Entwicklung seien die Bankeinlagen, die dank großzügiger öffentlicher Unterstützungsprogramme und vorsorglicher Ersparnisbildung um kräftige 7 Prozent zunahmen. „In Österreich wuchs das Geldvermögen der Haushalte in den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres um 0,5 Prozent“, so Martin Bruckner, Chief Investment Officer der Allianz Gruppe in Österreich.

Voriges Jahr gab es in Österreich auch deutliche Zuwächse: „2019 stieg das Brutto-Geldvermögen hierzulande um 6,2 Prozent, etwas überraschend getrieben von Versicherungen und Pensionen, die um 7,9 Prozent zulegten, sowie Wertpapieren (+ 7,4 Prozent).“ Bankeinlagen mit einem Portfolioanteil von 41 Prozent wuchsen wie in den Vorjahren konstant um 4,2 Prozent.

Auch das Nettofinanzvermögen erhöhte sich 2019 in Österreich um 7,3 Prozent, so stark wie schon seit 2009 nicht mehr. Die Verbindlichkeiten stiegen im Vorjahr zugleich um 3,3 Prozent und damit um einen Prozentpunkt mehr als im langjährigen Durchschnitt. Von einem Kreditboom ist Österreich dennoch weit entfernt: Die Schuldenquote verharrte bei 50 Prozent und wird in Europa nur noch von Irland unterboten.

International markierte das Vorjahr ebenso einen weiteren Anstieg des Wohlstands. Weltweit stieg das Brutto-Geldvermögen um 9,7 Prozent auf 192 Billionen Euro (192.000 Milliarden Euro) – trotz sozialer Unruhen, eskalierender Handelskonflikte und industrieller Rezession.

Reichstes Land der Welt sind nach Netto-Geldvermögen pro Kopf im Vorjahr die USA (209.524 Euro) geblieben – gefolgt von der Schweiz (195.388) und Singapur (116.657 Euro). In Österreich sind es pro Person 59.256 Euro, das macht eben Platz 16. In der Bruttoreihung ist Österreich im Vorjahr mit 81.619 Euro nur auf Rang 18 gelandet. Hier war die Schweiz erster (294.535 Euro) und die USA (254.328 Euro) sowie Dänemark (171.248 Euro) landen auf den Plätzen zwei und drei.

Alle Anlageklassen verzeichneten voriges Jahr ein Wachstum, das deutlich über dem langjährigen Durchschnitt seit der Finanzkrise lag. Allerdings dominierten nicht die Schwellenländer im vergangenen Jahr das Vermögenswachstumsranking, sondern Nordamerika und Ozeanien. Die Reichen wurden also reicher, der Aufholprozess ärmerer Länder geriet ins Stocken.

Während sich das Wohlstandsgefälle zwischen reichen und armen Ländern wieder vergrößerte, sank die Zahl der Mitglieder der globalen Vermögensmittelklasse innerhalb eines Jahres von über 1 Milliarde auf knapp 800 Millionen Menschen. 1 Prozent der Menschen besitzt nun knapp 44 Prozent des gesamten Geldvermögens, die reichsten 10 Prozent kommen auf 84 Prozent des vorhandenen Vermögens.

„Es ist ziemlich beunruhigend, dass sich die Kluft zwischen reichen und armen Ländern wieder vergrößert hat, noch vor COVID-19“, heißt es im Allianz Report. Denn die Pandemie werde sehr wahrscheinlich die Ungleichheit weiter steigern, da sie nicht nur einen Rückschlag für die Globalisierung darstellt, sondern auch das Bildungs- und Gesundheitswesen, insbesondere in Ländern mit niedrigem Einkommen, erschüttert.

Drastisch eingebrochen ist allerdings wegen der Coronakrise das Einkommen von Arbeitnehmern weltweit. Der Rückgang dürfte von Jänner bis Ende September 3,5 Billionen Dollar (2.555,37 Mrd. Euro) betragen, berichtete die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) am Mittwoch in Genf. Das sei ein Rückgang von 10,7 Prozent zum Vergleichszeitraum 2019. In diesen Zahlen sind staatliche Einkommensbeihilfen nicht berücksichtigt. Die Menschen seien auf Einkommen angewiesen, um ihre Familien zu ernähren, sagte ILO-Generaldirektor Guy Ryder. „Die Folgen (dieses Verlustes) sind katastrophal“, sagte er.

Betroffen sind demnach vor allem Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Steuerliche Anreize und staatliche Hilfen zur Stützung der Wirtschaft habe es vor allem in Ländern mit hohen Einkommen gegeben. Die armen Länder brauchten Schuldenerlass und mehr Entwicklungshilfe. Die schlimmsten Folgen könnten in den ärmsten Ländern mit 45 Milliarden Dollar verhindert werden – das sei weniger als ein Prozent von dem, was Länder mit hohen Einkommen in ihre Volkswirtschaften gepumpt hätten.

Weltweit sei die Zahl der Arbeitsstunden stärker eingebrochen als zunächst angenommen, so die ILO. Im zweiten Quartal 2020 seien verglichen mit dem vierten Quartal 2019 Arbeitsstunden im Umfang von 495 Millionen Vollzeitstellen (auf Basis einer 48-Stunden-Woche) weggefallen. Das entspreche 17,3 Prozent. Ohne Stützungsmaßnahmen wären 28 Prozent weggefallen, sagte Ryder. Im Juni war die ILO für das zweite Quartal noch von einem Verlust von Arbeitsstunden im Umfang von 400 Millionen Vollzeitstellen ausgegangen. Im vierten Quartal dürften noch Arbeitsstunden fehlen, die 245 Millionen Vollzeitstellen entsprechen, nicht, wie im Juni gehofft, 140 Millionen.

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