Deutsche Bank und Commerzbank sprechen über mögliche Fusion

Nun also doch: Deutsche Bank und Commerzbank sprechen ernsthaft über einen möglichen Zusammenschluss. Offensichtlich wollen sich die beiden Vorstandschefs Christian Sewing und Martin Zielke nicht weiter von der Politik treiben lassen, sondern das Heft des Handelns wieder selbst in die Hand bekommen.

Die Zweifel daran, dass ein Zusammenschluss der beiden Großbanken die Probleme lösen würde, bleiben jedoch auch nach der offiziellen Ankündigung von Gesprächen am Sonntag groß.

Schon im Sommer 2018 als die Spekulationen an Fahrt aufnahmen, gab es Vorbehalte. Ohne die beiden Institute namentlich zu nennen, merkte Bafin-Präsident Felix Hufeld an: Fusionen könnten zwar durchaus helfen, Kosten zu senken – „ein Allheilmittel sind sie aber nicht“. Außerdem werde „aus zwei schwachen Instituten nicht automatisch ein starkes“, sagte der Chef der deutschen Finanzaufsicht.

Die Deutsche Bank müht sich seit Jahren, an frühere Milliardengewinne anzuknüpfen und schaffte 2018 nach drei Verlustjahren in Folge gerade so die Rückkehr in die schwarzen Zahlen. Skandale und Prozesse verschlangen über Jahre Milliarden, der Aktienkurs ist im Keller.

Die Commerzbank stieg im Herbst in die zweite Börsenliga ab und ist ebenfalls seit Jahren im Umbruch. Bei der jüngsten Bilanzvorlage musste der Vorstand einräumen, dass das zehn Jahre nach der Finanzkrise noch immer teilverstaatlichte Institut bei der Senkung seiner Kosten noch nicht am Ziel ist und dass die Commerzbank entgegen der Planung auch 2020 noch wesentlich mehr Geld für einen Euro Gewinn aufwenden muss als mancher Konkurrent – etwa die bei Privatkunden in Deutschland äußerst erfolgreiche Direktbank ING.

Durch eine Fusion der beiden Banken würde „kein internationaler Champion entstehen“, meint Klaus Nieding, Vizepräsident der Aktionärsvereinigung DSW. „Beide Banken zusammen wären auch nach einer Fusion nicht in der Weltspitze angekommen.“ Dort dominieren chinesische Institute, die Konkurrenz aus den USA verdient längst wieder Milliarden. Gemessen am Börsenwert sind Deutsche Bank (gut 16 Mrd. Euro) und Commerzbank (rund 9 Mrd. Euro) vergleichsweise klein.

Betrachte man die aktuellen Bilanzsummen, entstünde im Falle eines Zusammenschlusses zumindest das zweitgrößte Geldhaus im Euroraum nach der französischen BNP Paribas. Beim Megathema IT könnten Deutsche Bank und Commerzbank ihre Kräfte bündeln, mit zusammen mehr als 30 Millionen Privatkunden und größeren Marktanteilen im Firmenkundengeschäft könnte ein größeres Institut beim Thema Preisgestaltung gegenüber der Konkurrenz punkten.

Größter Vorteil für Deutsche Bank und Commerzbank: Sie könnten auf Dauer Kosten in Milliardenhöhe einsparen – dies allerdings wohl vor allem durch einen gewaltigen Stellenabbau. „Im ungünstigsten Fall muss man wohl den Abbau von 30.000 Stellen befürchten“, sagt Verdi-Bundesfachgruppenleiter Banken, Jan Duscheck, der auch im Aufsichtsrat der Deutschen Bank sitzt. Ende 2018 beschäftigten die beiden Geldhäuser zusammen gut 133 000 Vollzeitkräfte.

In einem Schreiben an die Mitarbeiter der Deutschen Bank beschwichtigte der erst seit Anfang April 2018 amtierende Konzernchef Sewing Sorgen der Belegschaft: Zum jetzigen Zeitpunkt stehe „keineswegs fest, ob es überhaupt zu einer Transaktion kommen wird“, betonte Sewing. „Die Erfahrungen zeigen, dass es viele wirtschaftliche und technische Gründe geben kann, die einem solchen Schritt entgegenstehen können.“

Das deutsche Finanzministerium dürfte gleichwohl mit Wohlwollen registrieren, dass sich die beiden Banken aufeinander zu bewegen. Schon lange gibt es in Berlin den Wunsch nach einem „nationalen Champion“ – einer starken heimischen Bank, die auch international wettbewerbsfähig ist und mit den großen chinesischen und US-amerikanischen Häusern auf Dauer mithalten kann.

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte im August 2018 fest: Es sei ein Problem für eine große Volkswirtschaft wie die deutsche, „dass die Banken (…) nicht die Größe und die Globalität haben, um die Wirtschaft zu begleiten“. Und er holte sich einen Staatssekretär an die Seite, der von großen Deals etwas versteht: Den ehemaligen Goldman-Sachs-Deutschlandchef Jörg Kukies. Bei der Commerzbank kann der Bund seine Beteiligung von gut 15 Prozent in die Waagschale werfen.

Ausgerechnet Kukies‘ ehemalige Kollegen machen allerdings einige Fragezeichen an eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank: Durch die Kombination würde „keine Einheit mit hoher Rendite geschaffen“, befanden Goldman-Sachs-Analysten. „Das zusammengeschlossene Unternehmen wäre auch weiterhin stark auf steigende Zinsen ausgerichtet.“ Und die sind in Europa nicht in Sicht.

Der stellvertretende Vorsitzende der Linke-Fraktion im Bundestag, Fabio De Masi, kritisierte am Sonntag: „Finanzminister Scholz hat die Deutsche Bank und die Commerzbank in eine Fusion geredet.“ Es bestehe die Gefahr, dass eine Megabank entstehe, die „aufgrund ihrer Größe und Komplexität noch weniger abwicklungsfähig ist und daher auf den Schultern der Steuerzahler lastet“. Die Sorge um „too big to fail“ („zu groß zum Scheitern“) wäre wieder da.

Mit schnellen Entscheidungen ist nach der Weichenstellung vom Sonntag nicht zu rechnen. Und sollte es tatsächlich zu der Megafusion kommen, würde deren Umsetzung wohl Jahre brauchen. Leidvolle Erfahrung mit solchen Großprojekten haben beide Institute gemacht: Die Dresdner-Bank-Übernahme mitten in der Finanzkrise 2008 brachte die Commerzbank an den Rand des Abgrunds, Steuermilliarden retteten das Institut. Die Deutsche Bank hat die Integration der Postbank fast zehn Jahre nach der Übernahme des Bonner Instituts nicht bewältigt.

Kommt nun dennoch die nächste Großfusion? Das Rätselraten geht weiter – Sewings Rat an die Mitarbeiter: „In der Zwischenzeit bitte ich Sie, sich auf Ihr tägliches Geschäft zu konzentrieren und für unsere Kunden da zu sein.“

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