„Vanitas“ von Ursula Poznanski als Trilogie-Auftakt

Carolin Bauer ist ihr neuer Name. Sie muss noch lernen, auf ihn zu reagieren. Ihr alter Name liegt begraben mit der Frau, die sie noch vor einem Jahr war: Polizeispitzel in einer der brutalsten Banden des organisierten Verbrechens in Frankfurt, aufgeflogen, ermordet, beerdigt, offiziell tot. Inoffiziell überleben durfte nur Carolin Bauer, die in einer Blumenhandlung am Zentralfriedhof arbeitet.

„Vanitas“ ist der neue Thriller von Ursula Poznanski und gleichzeitig der Auftakt einer neuen Trilogie. Die Geschichte beginnt in Wien. Die Stadt ist für die untergetauchte Polizeiinformantin Carolin Bauer das ideale Refugium: „Nirgendwo sonst ist man mit dem Tod so gerne per Du.“

Am Zentralfriedhof kann sie als unauffällige Gärtnerin zwischen den Blumen verschwinden. Es ist nicht ideal, aber weit weg genug, um sich von der in Frankfurt lauernden Gefahr sicher zu fühlen. Nun muss Carolin wieder nach Deutschland und ist erneut für die Polizei im Einsatz – die größte Aufgabe dabei: „tot“ zu bleiben.

Von ihrem ehemaligen Vorgesetzten wird Carolin gezwungen, einen neuen Auftrag anzunehmen. Widerwillig muss sie mit neuer Identität nach München, um sich mit der Tochter eines großen Bauunternehmers anzufreunden und Informationen über tödliche Unfälle auf dessen Baustellen zu beschaffen. Wie viel für Carolin auf dem Spiel steht, scheint ihren Auftraggeber nicht zu kümmern. Erfährt die Bande in Frankfurt, dass Carolin lebt, würden sie sie finden, foltern und töten. Letzteres wäre in Anbetracht des Vorangegangenen eine Erleichterung.

Dass Carolin auffliegen und von der Frankfurter Bande entdeckt werden könnte, zieht sich als einziges spannungserzeugendes Element durch die Handlung – versucht es zumindest. Zu oft steht Carolin zu kurz davor, aus der Welt der scheinbar Toten zurückzukehren. Zu oft glaubt sie, aufgeflogen zu sein und ist es dann doch nicht. Dann verbarrikadiert sie sich aus Angst in ihrer Wohnung, baut ihre Barrett zusammen und zielt auf die Tür. Wartet auf Besuch aus Frankfurt, der nie kommt. Ihre Paranoia ist angesichts dessen, was sie als Spitzel erlebt hat und ihr als solcher nun bevorsteht, sicherlich gerechtfertigt, wird jedoch schon bald ausgereizt. Dann schaffen es die umfangreichen und eindringlichen Beschreibungen ihrer Angstzustände nicht mehr, Spannung zu erzeugen.

Das ist sehr schade, denn Ursula Poznanski gelingt es in „Vanitas“, ein gelungen komplexes Thriller-Setting zu kreieren. Nebelige Nebenfiguren, Intrigen und ungewöhnliche Zusammenhänge ergänzen einander auf sehr natürliche Art und Weise. Einzig die Protagonistin Carolin überzeugt an manchen Stellen weniger, wenn sich diverse Spion-Klischees auf Kosten der Logik in die Handlung einmischen. Eine großzügige Unterscheidung zwischen innerer und äußerer Logik ist bei Poznanskis vielschichtigen Figuren angebracht.

In Sachen Brutalität wird das Buch seiner Bezeichnung als „Thriller“ gerecht. Menschen sterben auf viele verschiedene und durchaus kreative Wege. Wie gut sich eine Baustelle zum Morden eignet, wird in „Vanitas“ vorgeführt. Damit man auch als routinierter Thriller-Leser aus seiner Komfortzone geholt wird, schafft Ursula Poznanski einen ansehnlichen Kontrast zur Gewaltkulisse: Blumen. Die Protagonistin findet in den Blumen am Wiener Zentralfriedhof nicht nur Zuflucht, sondern auch das einzig sichere Kommunikationsmittel.

So steht die Distel beispielsweise für Kraft, aber auch Sünde, und eine Narzisse bedeutet Wiedergeburt. In einer Zeit, in der Kommunikation über alle Kanäle möglich und einmal Geschriebenes für immer gespeichert ist, wird die Sprache der Blumen zu einer willkommenen Ode an die Vergänglichkeit. Ursula Poznanskis blutiger Thriller ist genau blumig genug, um Appetit auf mehr anzuregen. „Vanitas“ wird zu einer soliden Basis für die Geschichte von Carolin Bauer.

(APA)

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