Beim Frauenwrestling in Bolivien

Wrestling ist beliebt in Bolivien. Einheimische Frauen, die in ihren traditionellen Kostümen in den Ring steigen, gelten als besondere Attraktion.

Martha la Altoña springt von den Seilen, knallt ihren Gegner über die Schulter auf den Boden und landet auf seinem Kopf. Die Menge in der Wrestlingarena von El Alto schreit vor Begeisterung. Aber La Altoña, die in Wirklichkeit Jenny Mamani heißt, ist keine normale Wrestlerin. Sie ist eine sogenannte cholita cachascañista, eine von Boliviens berühmt-berüchtigten Wrestlerinnen, die ihre traditionelle Kleidung im Ring tragen – inklusive einer Melone am Kopf.

„Ich habe immer Angst vor einem Kampf, besonders gegen Männer“, sagt Mamani hinter den Kulissen und bekreuzigt sich. „Die sind viel gemeiner und härter.“ Das Aussehen ihrer Kollegin bestätigt ihre Aussage. Der Oberkörper der zierlichen Kämpferin ist voller Blut. Ihr Gegner hatte sie gegen ein Geländer geworfen, und sie landete vor den Füßen einer Gruppe begeisterter israelischer Touristen.

El Alto liegt hoch oben auf dem Hang über La Paz, der heimlichen Hauptstadt Boliviens. Auf 4000 Metern über dem Meeresspiegel genießen die Besucher spektakuläre Blicke auf die umliegenden schneebedeckten Berge, die einen starken Kontrast zu Dreck und Armut in der Stadt bilden. El Alto ist in den vergangenen Jahrzehnten durch den Zustrom von arbeitsuchenden Migranten schnell gewachsen. Die Mehrheit der eine Million Einwohner ist unter 25.

Die Wrestlingkämpfe sind zu einer Attraktion für Einheimische und Touristen geworden. Ganze Familien – Großeltern, Tanten und Kinder – füllen die Bänke in der heruntergekommenen Arena, die Platz für 500 Leute bietet. „Wrestling gibt es in Bolivien seit 60 Jahren“, sagt Denys Sanjines, die die Exklusivrechte für die Vermarktung des sonntäglichen Spektakels vor 8 Jahren gekauft hat. „Vor 15 Jahren gab es eine Flaute, keiner kam mehr zu den Veranstaltungen“, erzählt die 31-Jährige. „Da hatte jemand die Idee, die cholitas kämpfen zu lassen.“

Die traditionell gekleideten Frauen sind das Highlight jeder Veranstaltung: Der 80er-Jahre-Hit „Eye of the Tiger“ dröhnt aus den Lautsprechern und durch einen dünnen goldenen Vorhang stürmen die Frauen in den Ring. In ihren Röcken sind sie fast so breit wie groß – viele Bolivianer finden rundliche Frauen schön. Von ihren Ohren hängen riesige goldene Ringe, um den Hals bunte Schals. Auf ihren Köpfen tragen sie die typischen Melonen. Auch sie sind mit Goldschmuck bedeckt und können bis zu 200 Dollar kosten.

Viele der Frauen sind alleinerziehende Mütter, sagt Sanjines, und haben auch einen zweiten Job – sie arbeiten als Lehrerinnen, Krankenschwestern und Verkäuferinnen.

Mamani, die ihr Alter und ihren Verdienst nicht verraten will, arbeitet auch als Schneiderin. Sie fing vor acht Jahren mit Wrestling an. „Ich mag den Machismo von den Männern hier nicht, und ich wollte zeigen, dass Frauen alles können, was Männer können“, sagt sie. Ihr Vater war Wrestler, und ihre Schwester ist eine der zehn Wrestlerinnen, die regelmäßig in El Alto auftreten. „Sie sind Wrestling-Fanatikerinnen“, sagt Sanjines über die cholitas. „Und sie sind wirklich professionell.“ Da sie jetzt mehr Geld verdienen, können sie sich auch eine Krankenversicherung leisten, fügt sie hinzu.

Die Frauen trainieren zweimal pro Woche und sind genauso ehrgeizig wie die Männer – sie zerbrechen Holzbretter über den Köpfen ihrer Gegnerinnen, schwingen sie an ihren Zöpfen und springen von den Seilen auf ihre am Boden liegenden Gegner.

Die meisten Zuschauer sind begeistert, doch nicht allen gefällt es. „Es ist interessant und etwas Einmaliges“, sagt der 21-jährige britische Student Ben Reynolds. „Aber ich mag nicht zugucken, während Frauen von Männern verprügelt werden.“

Die 16- und 14-jährigen Töchter von Mamani stimmen zu. „Sie kommen nie zu den Kämpfen“, sagt Mamani. „Sie wollen nicht zusehen, wenn ich mir wehtue.“ Wrestling hat sein Tribut gefordert. „Wir haben viele Unfälle, meine Ellbogen und Knie sind ziemlich lädiert“, erzählt Mamani. Sie zeigt auf Narben auf ihrer Nase und im Augenwinkel.

Aber die Verletzungen sind für sie ein kleiner Preis für den Spaß, den sie an Wrestling hat. „Ich liebe es, ich fühle mich wichtig, wenn die Menge schreit“, sagt sie. „Ich werde weiter machen, solange mein Körper das noch erlaubt.“

INFO: www.cholitaswrestling.com

(APA/dpa)

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