Großbritannien will 135.300 Thomas-Cook-Urlauber zurückholen

Nach der Insolvenz von Thomas Cook will Großbritannien 135.300 britische Touristen in den kommenden 13 Tagen nach Hause fliegen. Am Montag sind bereits 14.700 gestrandete Urlauber zurückgeholt worden. Indes können die von der Insolvenz betroffenen österreichischen Pauschalreisenden Buchungs- und Zahlungsbestätigungen beim Abwickler Allianz Partners bis spätestens 17. November 2019 einreichen.

Zusammen mit der Regierung in London und Luftfahrtkonzernen arbeite man rund um die Uhr an den Notfallplänen, um die größte Rückholaktion in Friedenszeiten zu stemmen, teilte die britische Flugbehörde mit. Für Dienstag seien 74 Flüge angesetzt, um 16.500 Urlauber zurück zu fliegen. Weltweit sind bis zu 600.000 Urlauber gestrandet, nachdem der älteste Reisekonzern der Welt hoch verschuldet in die Knie gegangen war.

Regierungschef Boris Johnson kritisierte die Vergütungen der verantwortlichen Spitzenmanager. Er frage sich, ob die Führungskräfte sich hohe Summen genehmigen sollten, wenn ein Unternehmen derart den Bach heruntergehen könne, sagte Johnson in New York. Wirtschaftsministerin Andrea Leadsom sagte dem TV-Sender Sky News am Dienstag, sie lasse untersuchen, ob Fehler des Managements den Zusammenbruch des ältesten Reiseveranstalters der Welt verursacht hätten. Führungskräfte mit beachtlichen Vergütungen müssten schließlich verantwortungsvoll handeln.

Als einzige der fünf Fluggesellschaften von Thomas Cook hielt der deutsche Ferienflieger Condor den Betrieb am Montag aufrecht. Nach der Pleite des britischen Mutterkonzerns kämpft auch die einst zur Lufthansa gehörende Traditionsmarke ums Überleben.

Am Dienstagabend erhielt Condor von der deutschen Bundesregierung und der hessischen Landesregierung die Zusage über eine Bürgschaft für einen sechsmonatigen Überbrückungskredit in Höhe von 380 Millionen Euro. Diese Zusage sei Voraussetzung für eine Prüfung durch die Europäische Kommission. Erst nach einer positiven Entscheidung aus Brüssel werde der Kreditbetrag von der staatlichen Förderbank KfW ausgezahlt. Wann die Entscheidung aus Brüssel vorliegt, könne noch nicht gesagt werden.

Um sich von möglichen Forderungen der insolventen Konzernmutter Thomas Cook zu befreien und sich aus dem Konzernverbund zu lösen, beabsichtige die Condor Flugdienst GmbH einen Antrag auf Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens zu stellen, hieß es. Dies ist eine Besonderheit des deutschen Insolvenzrechts.

Damit wolle sich Condor von möglichen Forderungen der Konzernmutter Cook befreien. „Dieser Schritt ist in der derzeitigen Lage das Beste für unsere Kunden, unsere Geschäftspartner und für uns. Denn wir erlangen so die volle Unabhängigkeit von der Thomas Cook Group plc und mehr Sicherheit für unsere Zukunft.“ Wegen der Insolvenz des britischen Mutterkonzerns Thomas Cook hatte die bisher profitable Condor einen staatlich verbürgten Überbrückungskredit beantragt, um „Liquiditätsengpässe“ zu verhindern.

Betroffene österreichische Pauschalreisende können Buchungs- und Zahlungsbestätigungen beim zuständigen Abwickler Allianz Partners (AWP) bis spätestens 17. November 2019 einreichen. Für Kunden der Thomas Cook Austria AG wurde eine 24-Stunden-Hotline (+43 1 525 03 6853) eingerichtet, teilte AWP mit. Weitere Informationen gibt es auch auf der Website www.allianz-travel.at. Zu Thomas Cook gehören auch Veranstaltermarken wie Neckermann Reisen, Öger Tours, Bucher Reisen und Air Marin.

Allianz Partners ist in Österreich der Abwickler für die Reiseinsolvenzversicherung von Thomas Cook Austria gemäß Pauschalreiseverordnung. „Das bedeutet, dass Allianz Partners im Falle einer Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit die Ansprüche der Reisenden schnellstmöglich aufnimmt und Auszahlungen an die Kunden der Thomas Cook Austria AG vorbereitet. Die Reisenden erhalten ihre vollen Ansprüche erstattet, sofern die Höhe der Versicherungsdeckung dazu ausreicht. Ansonsten werden die Reisenden entsprechend aliquot entschädigt“, schreibt der Abwickler. Von der Absicherung umfasst seien sämtliche Pauschalreisen, aber nicht einzelne Flug-oder Hotelbuchungen.

Allianz Partners empfiehlt Reisenden von Thomas Cook Austria, deren Reiseantritt noch bevorsteht, vor der Abreise mit der Fluglinie und dem Hotelbetreiber abzuklären, ob alles planmäßig durchgeführt wird. „Wurde die Reise bereits bezahlt und angetreten, dann ist grundsätzlich davon auszugehen, dass auch der Rückflug stattfinden wird. Sollte dennoch ein Rückflug definitiv nicht stattfinden, können die betroffenen Reisenden entweder selbst, über ihr Reisebüro oder auch über Allianz Partners einen Rückflug buchen“, so der zuständige Abwickler. Es sei „ebenso ist nicht auszuschließen, dass Reisende vor Ort aufgefordert werden, die Hotelrechnung erneut zu begleichen“.

Auch Belege für alle während der Reise notwendigen Zusatzkosten für die Fortsetzung der Reise oder des Rücktransports können beim Abwickler eingereicht werden. Unterlagen sollten entweder per E-Mail an thomascook.at@allianz.com oder per Post an AWP P&C S.A., Service Center – Stichwort „Thomas Cook“, Pottendorfer Str. 23-25, 1120 Wien gesendet werden.

In Österreich ist laut Außenministerium keine von der Regierung koordinierte Rückholaktion von Thomas-Cook-Urlaubern wie in Großbritannien geplant. „Ich sehe dazu im Moment keine Veranlassung, dass das notwendig werden könnte“, sagte Außenministeriums-Sprecher Peter Guschelbauer am Montag im Ö1-„Abendjournal“ des ORF-Radio.

Die spanische Tourismusbranche wird unterdessen wegen der vom insolventen britischen Reisekonzern Thomas Cook nicht beglichenen Rechnungen nach Schätzungen mindestens 200 Millionen Euro verlieren. Griechische Tourismusverbände gehen davon aus, dass die Insolvenz den Tourismussektor des Landes bis zu 500 Millionen Euro kosten könnte. Es sei für die Wirtschaft „der stärkste Schlag seit der Finanzkrise“, schrieb am Dienstag die Wirtschaftszeitung „Naftemporiki“.

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