Iran-Angriff – Mehrere Optionen in Israels Kriegskabinett besprochen

Schallenberg: "Können uns keine weitere Front in Nahost leisten" – Ex-NATO-Chef: Teheran wollte keinen Treffer landen – Van der Bellen lobt USA – Tanner: Hätten nur Bruchteil abgewehrt

Bei den Beratungen des israelischen Kriegskabinetts sind laut Medien mehrere Szenarien von Reaktionen auf den iranischen Großangriff besprochen worden. Einige der Optionen seien von der Art her geringfügiger, andere hingegen intensiver, heiß es am Montagnachmittag. Israels Ziel ist es demnach, dem Iran zu schaden, aber keinen umfassenden Krieg auszulösen. International mehrten sich die Appelle an Israel, auf den beispiellosen Angriff des Irans mit Zurückhaltung zu reagieren.

Bei der fast dreistündigen Sitzung des Gremiums unter Vorsitz von Regierungschef Benjamin Netanyahu seien verschiedene Reaktionen mit unterschiedlichen Ausmaßen auf den Tisch gelegt worden, berichtete der israelische Fernsehsender Channel 12 am Montag. Einige der Optionen sind demnach sofort umsetzbar. Bei den Gesprächen über eine Antwort auf Teherans Angriff am Wochenende sei ebenfalls erörtert worden, dass Israel die Maßnahmen mit seinem wichtigsten Verbündeten, den USA, abstimmen wolle.

Das Kriegskabinett, dem neben Netanyahu, auch Verteidigungsminister Yoav Gallant, Ex-Verteidigungsminister Benny Gantz und mehrere Berater angehören, hatte bereits am Sonntagabend beraten. Das Kriegskabinett habe bei Beratungen am Sonntagnachmittag keinen Beschluss über das weitere Vorgehen gefasst, berichtete die Zeitung „Times of Israel“. In den kommenden Tagen sollten weitere Gespräche geführt werden, meldete das Nachrichtenportal „Axios“. Bei der Sitzung seien mehrere Optionen für einen möglichen israelischen Vergeltungsschlag erörtert worden.

Der Oppositionspolitiker Yair Lapid kritisierte Netanyahu scharf. Unter seinem Kabinett unter Beteiligung rechtsextremer Politiker habe Israel einen „vollständigen Verlust“ seiner militärischen Abschreckungsfähigkeit erlebt, schrieb der Liberale Lapid am Montag im Onlinedienst X.

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) gab am Montag auf X bekannt, er habe in der Früh mit dem iranischen Außenminister Hussein Amirabdollahian telefoniert. Er, Schallenberg, habe dabei den Angriff auf Israel aufs Schärfste verurteilt und gefordert, zur Deeskalation beizutragen. „Wir können uns keine weitere Front im Nahen Osten leisten. Dabei gäbe es nur Verlierer, in der Region und darüber hinaus“, betonte Schallenberg.

„Ich habe meinen Amtskollegen auch aufgefordert, den iranischen Einfluss auf die Proxies in der Region geltend zu machen“, so Schallenberg weiter. Gesprächsthema war demnach auch die Lage in Gaza. Weiters sprach Außenminister Schallenberg auch bilaterale konsularische Fragen an und forderte erneut mit Nachdruck die Freilassung des im Iran inhaftierten jungen Österreichers.

Im Gespräch mit den Oberösterreichischen Nachrichten (Dienstag-Ausgabe) lobte Bundespräsident Alexander van der Bellen die „ausgesprochen positive Rolle“ der USA. „Indem sie auf Deeskalation setzen, und indem sie versuchen, die israelische Regierung von übereilten Schritten abzuhalten.“

Frankreich wird sich nach den Worten von Präsident Emmanuel Macron dafür einsetzen, dass es nicht zu einer weiteren Eskalation im Konflikt zwischen dem Iran und Israel kommt. „Wir machen uns alle Sorgen wegen einer möglichen Eskalation“, sagte er am Montag in einem Interview mit dem TV-Sender BFM und dem Radiosender RMC. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz mahnte sowohl Iran als auch Israel, nicht weiter zu einer Eskalation im Nahen Osten beizutragen.

Der britische Außenminister David Cameron forderte Israel auf, nach dem iranischen Angriff auf Vergeltungsmaßnahmen zu verzichten. Das Vorgehen der Teheraner Führung sei ein fast völliger Fehlschlag gewesen und man solle sich weiterhin auf die Vereinbarung einer Waffenruhe im Gazastreifen konzentrieren. „Wenn Sie heute Morgen in Israel sitzen, denken Sie zu Recht, dass wir jedes Recht haben, darauf zu reagieren, und das haben sie auch. Aber wir drängen darauf, dass sie nicht eskalieren“, sagte Cameron dem Sender Sky News. „In vielerlei Hinsicht war dies eine doppelte Niederlage für den Iran. Der Angriff war ein fast völliger Fehlschlag, und sie haben der Welt gezeigt, dass sie der bösartige Einfluss in der Region sind, der zu so etwas bereit ist. Deshalb hoffen wir, dass es keine Vergeltungsmaßnahmen geben wird.“

Großbritannien erwäge weitere Sanktionen gegen die Islamische Republik, sagte Cameron. Auch Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis sprach sich für weitere westliche Sanktionen gegen Teheran aus. Großbritannien trat Angaben des Iran entgegen, er habe im Voraus über seinen Angriff auf Israel informiert. „Ich weise diese Behauptung zurück“, sagte ein Sprecher des britischen Premierministers Rishi Sunak.

Russland rief alle Länder in der Region zur Zurückhaltung auf. Russland sei sehr besorgt wegen der Eskalation der Spannungen im Nahen Osten nach dem iranischen Drohnen- und Raketenangriff auf Israel am Wochenende, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Eine weitere Eskalation liege in niemandes Interesse. Die Regierung in Moskau sei der Ansicht, dass alle Meinungsverschiedenheiten mit politischen und diplomatischen Mitteln beigelegt werden sollten. Der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, Nikolai Patruschew, betonte am Montag im Gespräch mit dem Leiter des israelischen Nationalen Sicherheitsrates, Zachi Ha-Negbi, „die Notwendigkeit der Zurückhaltung auf allen Seiten des Konflikts im Nahen Osten, um seine Eskalation zu verhindern“, wie die staatlichen russischen Agenturen berichteten.

Russland hat seinen Verbündeten Iran nicht offen für den Angriff auf Israel kritisiert. Stattdessen hatte es am Sonntag darauf verwiesen, dass der Iran von einem Vorgehen im Rahmen seines Rechts auf Selbstverteidigung nach einem Israel zugeschriebenen Angriff auf die iranische Botschaft in Damaskus gesprochen habe.

Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums verlangte Anerkennung von der internationalen Gemeinschaft wegen seiner angeblichen „Zurückhaltung“ gegenüber Israel. „Es scheint klar, dass der Iran seinen Angriff so eingestellt hat, damit er von den Israelis eingedämmt werden kann“, sagte der frühere NATO-Generalsekretär George Robertson im APA-Interview in Wien. Der erste direkte Angriff des Iran sei zwar eine „dramatische Eskalation“ gewesen, doch wollte Teheran offenkundig keinen Treffer landen.

Das US-Militär fing nach eigenen Angaben mit Unterstützung von Zerstörern des US European Command am Samstag und Sonntag mehr als 80 Drohnen und mindestens sechs ballistische Raketen mit Ziel Israel ab und zerstörte sie. Die Geschoße seien vom Iran und Jemen aus abgefeuert worden, teilt das US Central Command (Centcom) auf X (vormals Twitter) mit.

Österreich hätte „nur ein Bruchteil“ abwehren können, sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) am Montag in Wien. Sie äußerte diesbezüglich Unverständnis über die FPÖ-Kritik an Österreichs Sky-Shield-Beteiligung.

Der Iran stellte die Operation mit dem Titel „Aufrichtiges Versprechen“ als Vergeltungsschlag für die Tötung hochrangiger Offiziere in Syrien dar. Am 1. April waren bei einem mutmaßlich von Israel geführten Luftangriff auf das iranische Botschaftsgelände in Damaskus zwei Brigadegeneräle getötet worden.

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