Fall Ott – Weiss sagte 2022 ohne Wissen Österreichs in München aus

Verdacht auf Fluchthilfe wurde in Deutschland fallengelassen – Zadić für Russland-U-Ausschuss und offen für Messengerdienst-Überwachung ohne Bundestrojaner

Der in der Spionagecausa Ott ebenfalls belastete ehemalige Verfassungsschutz-Abteilungsleiter Martin Weiss war im April 2022 zu einer Aussage bei der Staatsanwaltschaft in München, und zwar offenbar ohne Wissen der österreichischen Behörden und unter Zusage auf freies Geleit. Das berichtet das Nachrichtenmagazin „Profil“ in seiner aktuellen Ausgabe unter Berufung auf einen Bericht der AG Fama. Weiss soll sich in Dubai aufhalten, wo er vor österreichischem Zugriff sicher ist.

Was in München offiziell unter dem Titel Beschuldigteneinvernahme lief, betrachtet die „AG Fama“ in ihrem Bericht nun als „eine mit Jan Marsalek akkordierte ‚Entlastungshandlung'“. Die Vernehmung durch die Münchner Staatsanwaltschaft sei „ohne Information oder Abstimmung mit österreichischen Justiz- oder Polizeidienststellen“ erfolgt, so die heimischen Ermittler. Außerdem dürfte es „Zusagen gegenüber dem Beschuldigten“ gegeben haben. Gemeint ist offenbar, dass die Münchner dem früheren Leiter der Spionage-Abteilung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), zugesagt hätten, dass er wieder gehen darf.

Es sei nicht das erste Mal, dass die deutsche Justiz Ermittlungshandlungen Österreichs rund um die Spionageaspekte in der Wirecard-Causa abgeblockt habe, so das Nachrichtenmagazin. Schon in der Vergangenheit habe sich Österreichs Justiz immer wieder an München gewandt, um eine Kooperation voranzutreiben. Die Deutschen hätten sich mäßig interessiert gezeigt, was ein „absolutes Novum“ darstelle, so „Profil“ unter Berufung auf Ermittlerkreise. Im Nachrichtenmagazin wird gemutmaßt, dass es einen Zusammenhang mit dem Faktum geben könne, dass Marsaleks Wirecard Zahlungen des deutschen Bundesnachrichtendienstes abgewickelt habe.

Kurz nachdem Weiss bei der Staatsanwaltschaft München war, sei dort zudem der Verdacht der Fluchthilfe fallengelassen worden, heißt es weiter -wieder, ohne vorher mit Österreich zu sprechen. Dabei hätte es laut „Profil“ bereits einen fixfertig vorbereiteten Strafantrag gegen Weiss wegen „Begünstigung“ (Anm.: Fluchthilfe) in der Schublade der heimischen Ermittler gegeben. Das Problem: Wenn in einem europäischen Land Ermittlungen wegen eines bestimmten Straftatbestands eingestellt wurden, dürfen sie nicht in derselben Sache in einem anderen fortgesetzt werden.

Während Weiss sich zuletzt in Dubai aufgehalten haben dürfte, wo er vor dem Zugriff österreichischer Behörden insofern sicher ist, als es mit den Vereinigten Arabischen Emiraten kein Auslieferungsübereinkommen gibt, sitzt der ehemalige BVT-Chefinspektor Egisto Ott seit fast zwei Wochen unter Spionage-Verdacht in der Justizanstalt Josefstadt in U-Haft. An sich würde am kommenden Montag ein regulärer Haftprüfungstermin anstehen, Otts Rechtsvertreter habe aber darauf verzichtet, hieß es am Wochenende auf APA-Anfrage aus dem Wiener Landesgericht.

Justizministerin Alma Zadić (Grüne) spricht sich indes für einen parlamentarischen Russland-Untersuchungsausschuss aus, um neben einer rechtlichen auch für eine politische Aufklärung zu sorgen, wie sie am Samstag im Ö1-„Mittagsjournal“ sagte. Zu Verbindungen von Peter Pilz (in dessen Liste Zadić ihre politische Karriere begonnen hatte) zu Ott befragt, meinte sie, sie selbst sei nie in Kontakt zu dem Spionageverdächtigten oder seinen „Kumpanen“ gewesen. „Zu wem Pilz Kontakt gehabt hat, müssen Sie ihn selber fragen.“

Eingeschränkt offen zeigte sich Zadić für die von der ÖVP wiederholt geforderte Überwachung von Messengerdiensten wie Whatsapp oder Signal zur Gefahrenabwehr. Aus ihrer Sicht könne man darüber reden. Die vom Verfassungsgerichtshof eingezogene rote Linie eines „Bundestrojaners“ dürfe dabei allerdings nicht überschritten werden. Ein Aufspielen von Schadsoftware und das Offenlassen von Sicherheitslücken auf Geräten kann es aus ihrer Sicht also nicht geben. Die technische Lösung dafür müsse vom Innenministerium kommen.

Bei der Frage des Generalstaatsanwalts als künftige justizielle Weisungsspitze beharrt sie auf die von Experten geforderten Dreiersenate. Auch dies sei eine „rote Line“, richtete sie der ÖVP aus. Sie werde „keine Kompromisse schließen zum Nachteil unseres Rechtsstaats und der Justiz“, nur um eine positive Schlagzeile zu bekommen.

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