Kreml-Gegner Nawalny in Moskau beerdigt

Drohungen und Einschüchterungsversuche begleiteten selbst den Weg zum Friedhof

Kreml-Gegner Alexej Nawalny ist am Freitag in Moskau beerdigt worden. Tausende Menschen hatten sich am Freitag trotz Warnungen des Kremls zur Trauerfeier für den in einem Straflager verstorbenen Oppositionellen versammelt. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort, auf dem Platz vor der Kirche waren Absperrungen aus Metall aufgebaut. Angehörige nahmen am offenen Sarg in der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone „Lindere mein Leid“ im südöstlichen Bezirk Marjino Abschied.

Nawalnys Team zeigte in einem Livestream auf Youtube, wie die Leiche von Blumen bedeckt im Sarg liegt, umgeben von zahlreichen Menschen während des Gottesdienstes. Zu sehen war auch Alexej Nawalnys Gesicht. Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater saßen während der Zeremonie am Sarg.

Der Sarg wurde dann zur Beerdigung auf dem Borissowskoje-Friedhof transportiert. Ein Orchester spielte Trauermusik. Gespielt wurde das Lied „My way“. Die Leiche wurde mit einem Tuch abgedeckt, bevor der Sarg verschlossen und in die Erde gelassen wurde.

Die Witwe Julia Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie zu ihrer eigenen Sicherheit im Ausland sind. Nawalnys Frau hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin des Mordes an ihrem Mann bezichtigt. Sie würde damit eine Festnahme in Russland riskieren. Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seine Mitarbeiter, die als Extremisten gelten, ebenfalls sofort festgenommen würden.

Nawalnaja würdigte ihren Mann kurz nach dessen Beerdigung am Freitag auf X und dankte ihm für „26 Jahre absolutes Glück“. Sie schrieb: „Ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll, aber ich werde mein Bestes tun, um dich dort oben für mich glücklich und stolz auf mich zu machen. Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, aber ich werde es versuchen.“

Trotz eines Großaufgebots von Polizei und anderen uniformierten Sicherheitskräften, viele von ihnen maskiert, war der Andrang riesig. Vor der Kirche hatte sich eine zwei Kilometer lange Schlange mit Wartenden gebildet, die sich von Nawalny verabschieden wollten. Viele Menschen klatschten und riefen Nawalnys Namen. Der braune Sarg wurde nach der Trauerfeier wieder aus der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone „Lindere mein Leid“ im südöstlichen Bezirk Marjino getragen. Er wurde dann zur Beerdigung transportiert, die für 16.00 Uhr (14.00 Uhr MEZ) auf dem Borissowskoje-Friedhof geplant war.

Menschen protestierten offen gegen Putin. „Russland ohne Putin!“, „Putin ist ein Mörder!“, „Russland wird frei sein!“ und „Nein zum Krieg!“ skandierten Menschen im Chor, wie Reporter der Deutschen Presse-Agentur am Freitag berichteten. Sie sprachen angesichts des Großaufgebots an Uniformierten der Sonderpolizei Omon von einer angespannten Atmosphäre.

Nawalnys Team zeigte in einem Livestream auf YouTube Tausende Menschen, die hinter Absperrungen aus Metallgittern auch „Nawalny, Nawalny, Nawalny“ riefen. Sie skandierten: „Wir vergessen nicht. Wir vergeben nicht“. Einige riefen auch: „Du hattest keine Angst. Und wir haben keine Angst.“ Viele der Aussagen stammen von Nawalny, die in Freiheit einst Zehntausende Menschen zu Protesten gegen den Kreml auf die Straße gebracht hatte. Die Mitarbeiter Nawalnys riefen die Menschen auf, Ruhe zu bewahren.

Österreichs Botschafter in Moskau, Werner Almhofer, vertrat nach Angaben des Außenministeriums die Republik beim Begräbnis. Die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, die nach Moskau reisen wollte, erhielt kein russisches Visum. Sie legte vor der russischen Botschaft in Wien einen Kranz nieder. Auch NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper beteiligte sich an der Gedenkveranstaltung. NEOS-Außenpolitiksprecher und EU-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter legte vor dem russischen Generalkonsulat in Salzburg einen Kranz nieder. SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr, außenpolitische Sprecherin der SPÖ, betonte via Aussendung die Verantwortung des Putin-Regimes für den Tod Nawalnys.

Nach Angaben der russischen Menschenrechtsgruppe OWD-Info wurden seit Nawalnys Tod bereits 400 Menschen bei Trauerkundgebungen für den Kreml-Kritiker festgenommen.

Nawalny setzt den Machtapparat auch nach seinem Tod in höchste Nervosität. Putins Behörden befürchten, dass Anhänger des Oppositionsführers gegen den Kreml-Chef protestieren könnten. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow warnte am Freitag, dass jeder Bürger die Verantwortung trage für eine Teilnahme an nicht erlaubten Aktionen auf der Straße. Zugleich antwortete er auf die Frage eines russischen Journalisten, ob der Kreml etwas zum Tod Nawalnys zu sagen habe: „Nein, nichts.“

Putin will sich in zwei Wochen bei einer Wahl als Präsident im Amt bestätigen lassen. Unterstützer und Angehörige Nawalnys sowie Menschenrechtler werfen Putin vor, er habe den russischen Oppositionsführer in Haft ermorden lassen. Der Kreml weist das zurück.

Nawalny starb am 16. Februar nach Behördenangaben im Straflager mit dem inoffiziellen Namen „Polarwolf“ in der sibirischen Arktisregion Jamal. Die Umstände seines Todes sind nicht geklärt. Der durch einen Giftanschlag 2020 und wiederholte Einzelhaft im Lager geschwächte Politiker soll bei einem Rundgang auf dem eisigen Gefängnishof zusammengebrochen und trotz Wiederbelebungsversuchen gestorben sein. Nach Angaben von Nawalnys Team ist im Totenschein von „natürlichen“ Ursachen die Rede.

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