Warnungen vor chinesischen Onlineshops Temu und Shein nehmen zu
Händler fordern früheres Ende der 150-Euro-Zoll-Freigrenze – Handelsverband: Fairer Wettbewerb statt "Schrott Commerce" – Verbraucherschützer warnen: Produkthaftung greift nicht
Ein Dirndl um elf Euro, kabellose Ohrhörer um vier Euro oder ein Motorradhelm um 28 Euro – die Angebote auf chinesischen Onlineshops wie Temu oder Shein ziehen immer mehr junge Käuferinnen und Käufer an. In Deutschland ist die Rede von 400.000 Paketen täglich. Aber auch die Warnungen häufen sich und reichen von fehlender Produkthaftung, Schadstoffen bis hin zur Umgehung von Verbraucherrechten und Zollbestimmungen. Auch die Umwelt leidet unter den vielen Wegwerfartikeln.
„Wir stehen für Fair Commerce statt Schrott Commerce“, findet Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will drastische Worte für die neue Konkurrenz aus dem Internet. Er ist mit seiner Warnung nicht allein. Auch die Wirtschaftskammer warnt. Dem Staat würden durch Lücken der Zollbehörden in Europa Milliarden entgehen. Die Produkte gelangten oft zoll- und steuerfrei nach Österreich.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) mahnt zur Vorsicht. „Die Probleme mit solchen Dropshipping-Unternehmen entstehen oft erst, wenn man die Ware zurückschicken möchte“, sagte Jakob Zarari vom beim VKI angesiedelten Europäischen Verbraucherzentrum (EVZ) zur APA. Zuletzt habe es Beschwerden gegeben, beispielsweise weil bestellte Kleidungsstücke anders aussahen als auf den Produktfotos, zu klein waren oder gestunken haben.
Zarari erklärte, dass Verbraucherinnen und Verbraucher in der EU das Recht haben, innerhalb von 14 Kalendertagen nach Erhalt der bestellten Ware ohne Angabe von Gründen vom Kauf zurückzutreten. Allerdings werde der Rücktritt schwer möglich sein, wenn sich die Rücksendeadresse in China befinde, weist Zarari auf mögliche Probleme hin. Zwar würden Temu und Shein eine Bezahlung auf Rechnung anbieten, allerdings beharre der zwischengeschaltete Zahlungsdienstleister Klarna auf Zahlung, auch wenn man das Produkt nicht bekommen habe oder es zurückschicken möchte, so Zarari.
Der Konsumentenschützer rät, vor dem Kauf zu prüfen, bei wem man wirklich kaufe und wer nur Vermittler sei. Billige China-Ware ohne Zulassung in Europa oder ohne CE-Kennzeichnung gebe es aber nicht nur auf Temu oder Shein, sondern auch auf Amazon. Im dortigen Marketplace gebe es eine Vielzahl an Produkten, wo Amazon nur den Versand übernimmt, aber nicht der Verkäufer ist. Erkennbar ist das etwa an kryptischen Namen wie „JHSDZUK“ oder „ZUNTO“. Wer auf den Namen klickt und nach unten scrollt, findet dort ein Impressum des Verkäufers inklusive der Geschäftsadresse.
Gefährlich wird es, wenn Produkte gekauft werden, bei denen Sicherheitsmängel bestehen, etwa gesundheitsgefährdende Schadstoffe in Kinderspielzeug oder wenn ein Ladegerät einen Brand auslöst. In solchen Fällen greife die Produkthaftung, erklärt Zarari. Diese richtet sich gegen den Hersteller beziehungsweise den Importeur. Bei Direktkäufen aus China gebe es aber keinen Importeur und den Hersteller, der in China sitzt, werde man von Österreich nur schwer belangen können, so Zarari. Er weist auf EU-Pläne, die Vermittler in die Pflicht zu nehmen.
Grundsätzlich werden Produkte, die in die EU eingeführt werden, auch vom Zoll kontrolliert. Man arbeite mit Risikoanalysen und „einem durchdachten Zusammenspiel von Mensch, Diensthunden und Technik“, erklärte das Finanzministerium auf APA-Anfrage. Details nenne man nicht, „weil dies einer effektiven Betrugsbekämpfung zuwiderlaufen würde“. Kontrolliert wird auf Verbote und Beschränkungen zum Schutz und der Sicherheit von Bürgerinnen und Bürgern, Umwelt und Gesellschaft.
Warensendungen aus China oder anderen Drittstaaten können in jedem EU-Mitgliedsland abgefertigt werden. Es obliege der Online-Plattform beziehungsweise dem Einführer, wo er die erforderlichen Verfahren durchführen lasse, erklärte das Finanzministerium. In Österreich wurden 2023 insgesamt rund 1,7 Millionen Sendungen bis zu einem Warenwert von 150 Euro im E-Commerce Bereich durch Kurierdienste und die österreichische Post abgefertigt. Davon entfielen rund 270.000 Sendungen auf das Versendungsland China.
Jüngst warnten europäische Spielzeughersteller vor einem Sicherheitsrisiko für Kinder. Der Verband Toys Industries of Europe (TIE) hatte laut eigenen Angaben 19 Spielzeuge über Temu erworben. Keines entsprach demnach den geltenden Vorschriften für Spielzeug in der EU, 18 entsprachen nicht den Spielwarennormen der EN 71-Reihe. So habe bei einem Schleim-Spielzeug der Gehalt des Halbmetalls Bor elfmal höher als der gesetzliche Grenzwert für Spielzeug gelegen. Bei anderen Spielzeugen habe die Gefahr bestanden, dass Kinder an Kleinteilen ersticken oder sich verletzen könnten. Eine Temu-Sprecherin teilte dazu mit, dass sofort nach Erhalt der Testergebnisse eine interne Untersuchung eingeleitet worden sei. Alle 19 Produkte seien entfernt worden und seien auf der EU-Website nicht mehr verfügbar.
Die Wirtschaftskammer fordert, europaweit das Personal beim Zoll aufzustocken. Wenn eine geringe Anzahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern täglich bis zu über eine Million Pakete kontrollieren soll, könne dies nicht funktionieren, so die WKÖ. Die Kammer und der Handelsverband fordern, das für 2028 geplante Ende der 150-Euro-Zoll-Freigrenze vorzuziehen. Handelsverbandschef Will sieht dies als die „wichtigste Maßnahme“, die Zollfreigrenze müsse allerspätestens 2026 fallen. „Es ist höchste Zeit aufzuwachen“, so Will.