Ein Toter bei Drohnenangriffen gegen Odessa – Explosionen in russischer Stadt Lipezk, Stahlwerk in Flammen – Kiew will weiteres russisches Spezialflugzeug abgeschossen haben
Am zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf die Ukraine sind EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Regierungsspitzen aus Italien, Kanada und Belgien in Kiew eingetroffen. Von der Leyen, Giorgia Meloni, Justin Trudeau und Alexander De Croo reisten in der Nacht gemeinsam per Zug an, teilte die italienische Regierung mit. Im Laufe des Tages ist eine Videokonferenz der G7-Staaten geplant. Außerdem gibt es zahlreiche Gedenkveranstaltungen, auch in Wien.
„Mehr als je zuvor stehen wir fest an der Seite der Ukraine“, schrieb von der Leyen am Samstag bei der Plattform X (ehemals Twitter). Das sei finanziell, wirtschaftlich, militärisch und moralisch gemeint. „Bis das Land endlich frei ist“, betonte die Politikerin. Außerdem lobte sie den außergewöhnlichen Widerstand des ukrainischen Volkes.
Meloni will als amtierende Vorsitzende der Gruppe der sieben großen demokratischen Industrienationen (G7) die Videokonferenz der G7-Staats- und Regierungschefs leiten. Der Gruppe gehören zudem die USA, Kanada, Großbritannien, Japan, Frankreich und Deutschland an. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist zur G7-Videokonferenz eingeladen.
Selenskyj hofft unterdessen weiter auf tatkräftige Unterstützung seines Landes aus dem Westen. Nach der Unterzeichnung eines Sicherheitsabkommens mit Dänemark traf er sich am Freitag in Lwiw mit einer Delegation des US-Senats und unterstrich die Bedeutung eines noch im Repräsentantenhaus in der Schwebe hängenden Milliarden-Hilfspakets für die Schlagkraft der ukrainischen Armee.
Die Kämpfe gehen auch nach zwei Jahren unvermindert weiter. Das russische Militär griff die südukrainische Hafenstadt Odessa die zweite Nacht in Folge mit Kampfdrohnen an. Dabei sei unter anderem ein Wohnhaus zerstört wurden, teilte die örtliche Militärverwaltung in der Nacht auf Samstag mit. Mindestens ein Mensch wurde demnach getötet, drei weitere seien verletzt ins Krankenhaus gebracht worden. Möglicherweise seien noch Menschen unter den Trümmern eingeschlossen, hieß es. Die Suchaktion dauerte zunächst noch an. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen.
In der südrussischen Stadt Lipezk kam es in der Nacht ebenfalls zu Explosionen. Berichten zufolge soll in einem Stahlwerk ein Großbrand ausgebrochen sein. Der Gouverneur des Gebiets, Igor Artamonow, berichtete auf seinem Telegram-Kanal zunächst von einem Feuer in einer Werkshalle. Der Brand sei gelöscht worden, es bestehe keine Gefahr, dass gefährliche Stoffe freigesetzt würden. Die Sicherheitsdienste prüften demnach Informationen über einen Drohnenangriff.
Das russische Verteidigungsministerium in Moskau berichtete unterdessen über weitere ukrainische Drohnenangriffe in den Regionen Kursk und Tula. Mehrere unbemannte Flugkörper seien von der Luftabwehr abgefangen und zerstört worden. Auch diese Angaben waren zunächst nicht überprüfbar.
Die ukrainische Flugabwehr hatte zuvor eigenen Angaben zufolge ein weiteres russisches Aufklärungsflugzeug des Typs A-50 abgeschossen, wie Luftwaffenchef Mykola Oleschtschuk am Freitag bei Telegram mitteilte. Nach Medienberichten erfolgte der Abschuss über dem russisch kontrollierten Asowschen Meer, das Flugzeug stürzte über dem südrussischen Gebiet Krasnodar ab. Eine offizielle Bestätigung von russischer Seite gab es nicht. Die Staatsagentur Tass berichtete lediglich von einem Brand in der Region Krasnodar, den ein „herabstürzendes Flugobjekt“ verursacht habe. Militärexperten zufolge verfügt Moskau nur über gut ein halbes Dutzend einsatzfähige Flugzeuge dieses Typs.
Russland, das bereits 2014 die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim völkerrechtswidrig annektiert hat, hatte am 24. Februar 2022 mit einer Vollinvasion gegen das Nachbarland begonnen. Seitdem sind Angaben der Vereinten Nationen zufolge mehr als 10.000 Zivilisten getötet worden, wobei die tatsächlichen Zahlen noch deutlich höher sein dürften. Verletzt worden sind demnach etwa doppelt so viele Menschen. Genaue Verluste unter Militärangehörigen werden geheim gehalten. Schätzungen des Flüchtlingshochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) zufolge sind zudem seit Kriegsbeginn rund 6,5 Millionen Menschen aus der Ukraine ins Ausland geflohen. Weitere etwa 3,7 Millionen wurden innerhalb des Landes gewaltsam vertrieben.
Während die Ukraine im ersten Kriegsjahr bemerkenswerte militärische Erfolge zu verzeichnen hatte und einige besetzte Regionen wieder befreien konnte, sieht es momentan aus Kiewer Sicht deutlich schlechter aus. Im Vorjahr blieb eine Gegenoffensive deutlich hinter den Erwartungen zurück, während die westliche Militärhilfe ins Stocken geraten ist. Erst vor einigen Tagen gelang es der russischen Armee, die lange umkämpfte und völlig zerstörte Stadt Awdijiwka in der Ostukraine zu besetzen. Insgesamt befindet sich derzeit knapp ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebietes unter russischer Besatzung.