Nach Feuerpause wieder heftige Kämpfe im Gazastreifen

Israel bestätigt Tod von fünf Geiseln der Hamas – Palästinensische Gesundheitsbehörde: Seit Ende der Feuerpause 178 Tote

Nach einwöchiger Waffenruhe ist der Krieg im Gazastreifen mit voller Wucht zurück. Israels Armee nahm am Freitag die Kämpfe gegen die islamistische Hamas wieder auf und griff binnen weniger Stunden mehr als 200 Ziele im Norden und im Süden des abgeriegelten Küstenstreifens an. Aus dem Gazastreifen wurden Dutzende Raketen auf Israel abgefeuert. Bemühungen um eine Verlängerung der Feuerpause und weitere Geiselfreilassungen waren zuvor gescheitert.

Nach Angaben von Vermittler Katar wurde aber zumindest weiter verhandelt, um die Kämpfe erneut auszusetzen. Darauf drangen auch die Vereinten Nationen. Ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats von US-Präsident Joe Biden sagte zu den Verhandlungen: „Die Hamas hat bisher noch keine Geiselliste vorgelegt, die eine weitere Verlängerung der Pause ermöglichen würde.“

Die israelische Armee bestätigte am Freitag den Tod von fünf Geiseln, die von der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas in den Gazastreifen verschleppt worden waren. Die Angehörigen seien informiert worden und der Leichnam einer Geisel sei nach Israel zurückgekehrt, teilte Armeesprecher Daniel Hagari mit.

Der Hamas-Angriff auf Israel mit etwa 1.200 Toten und rund 240 verschleppten Geiseln war Anlass der israelischen Offensive im Gazastreifen. Vorige Woche hatten Israel und die Hamas unter Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA erstmals eine Feuerpause vereinbart, die zwei Mal kurz verlängert wurde. In der Zeit ließ die Hamas 105 Geiseln frei und Israel im Gegenzug 240 palästinensische Häftlinge.

Zudem gelangten tonnenweise Hilfsgüter in den Gazastreifen für die rund zwei Millionen palästinensischen Zivilisten. Der Palästinensische Rote Halbmond sprach von 1.000 Lastwagen mit Hilfsgütern, davon 310 für den Norden des abgeriegelten Gebiets.

Eine weitere Verlängerung der Vereinbarung gelang in der Nacht zum Freitag nicht mehr. Das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu warf der Hamas vor: „Sie ist ihrer Verpflichtung, alle weiblichen Geiseln freizulassen, heute nicht nachgekommen und hat Raketen auf israelische Bürger abgefeuert.“

Der Hamas-Funktionär Khalil Al-Haya sagte seinerseits dem arabischen TV-Sender Al-Jazeera, Israel habe „mehrere Angebote, Initiativen und Vorschläge“ für eine Verlängerung der Feuerpause abgelehnt. Nach Fristablauf um 6.00 Uhr MEZ am Freitagmorgen griffen israelische Kampfjets nach Armeeangaben dann erneut Ziele der Hamas an.

Israels Armee zog nachmittags eine erst Bilanz: Die Boden-, Luft-und Seestreitkräfte griffen demnach 200 Ziele an, den Angaben nach auch im Süden des Gazastreifens. Das Militär hatte zuvor wochenlang die Bewohner des nördlichen Küstenstreifens aufgefordert, zu ihrer Sicherheit in den Süden zu flüchten. Es wird nun erwartet, dass Israel die Angriffe auch im südlichen Teil ausweiten könnte.

Der Armee zufolge wurde am Freitag auf Gebiete gezielt, die mit Sprengfallen versehen waren, sowie auf Schächte von Tunneln, Abschussrampen und Kommandozentralen. Die Angaben waren nicht unabhängig zu überprüfen. Das gilt auch für Aussagen des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums im Gazastreifen, wonach bei den Angriffen 178 Menschen getötet worden sein sollen. Hunderte weitere seien verletzt worden.

Nach Auslaufen der Feuerpause kamen zunächst keine Hilfslieferungen mehr über den Grenzübergang Rafah im Gazastreifen an. Das bestätigte der palästinensische Sprecher des Grenzübergangs zwischen dem Gazastreifen und Ägypten am Freitag. Das UN-Nothilfebüro OCHA forderte freien Zugang für weitere Hilfskonvois. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef verurteilte die neuen Kämpfe scharf und sprach von der Gefahr eines Blutbads.

Die zuständige Behörde in Israel sagte der „Times of Israel“, „die Einfuhr humanitärer Hilfe auf die im Abkommen festgelegte Weise“ sei gestoppt worden. Dennoch hätten ein paar Dutzend Lastwagen die Grenze mit Nahrungsmittel und Medizin überquert. Treibstoff sei jedoch keiner geliefert worden. Ob die Fahrzeuge auch den Transitbereich an der Grenze überquerten, war zunächst unklar.

US-Außenminister Antony Blinken hatte am Vortag Israels Führung mit deutlichen Worten aufgefordert, Zivilisten im Gazastreifen zu schützen. Die zahlreichen Todesopfer unter der Zivilbevölkerung und die Vertreibung in einem Ausmaß, wie man sie im nördlichen Gazastreifen gesehen habe, dürfe sich im Süden nicht wiederholen.

Die israelische Regierungssprecherin Tal Heinrich sagte dem Sender CNN, man habe Blinken Pläne für sichere Zonen und mehr humanitäre Korridore vorgelegt. Israels Armee veröffentlichte eine Karte für die Zivilbevölkerung, die das Gebiet in nummerierte Zonen einteilt – „in Vorbereitung auf die nächste Phase des Krieges“. Dies solle Bewohnern ermöglichen, „sich zu orientieren, die Anweisungen zu verstehen und sich bei Bedarf von bestimmten Orten aus in Sicherheit zu bringen“.

Die Hamas schrieb der internationalen Gemeinschaft und insbesondere den USA die Verantwortung für „die Fortsetzung des brutalen Krieges gegen Zivilisten, Kinder und Frauen“ zu. Das palästinensische Volk habe „das Recht, sich mit allen Mitteln zu verteidigen“, hieß es in einer Erklärung. Die israelische Regierung bekräftigte ihrerseits das Ziel, die Hamas zu zerstören.

Israel vermutet, dass noch 137 Geiseln im Gazastreifen festgehalten werden, darunter 115 Männer, 20 Frauen und zwei Kinder.

Auch an der Grenze zwischen dem Libanon und Israel gab es am Freitag wieder Gefechte. Die vom Iran unterstütze Hisbollah-Miliz im Libanon erklärte, am Nachmittag eine Gruppe „feindlicher Soldaten“ im Grenzgebiet angegriffen zu haben. Das israelische Militär meldete Beschuss aus dem Libanon und erklärte, eine Terrorzelle im Nachbarland angegriffen zu haben. Nach Angaben aus libanesischen Sicherheitskreisen wurde ein Hisbollah-Mitglied sowie dessen Mutter getötet.

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