SPÖ-Parteitag: Babler erhält als Chef 88,8 Prozent
Auch zwölf Leitanträge und neues Statut durch
Andreas Babler ist bei einem Parteitag in Graz mit 88,76 Prozent der Delegiertenstimmen als Vorsitzender der SPÖ wiedergewählt worden. Zum Vergleich: Pamela Rendi-Wagner hatte bei ihrem letzten Antritt vor zwei Jahren nur gut 75 Prozent überzeugt.
Von 591 anwesenden Delegierten haben 587 ihre Stimme abgegeben, das entspricht einer Wahlbeteiligung von 99,3 Prozent. Das restliche Parteipräsidium bzw. Bablers Stellvertreter und Stellvertreterinnen wurden ebenfalls gewählt, und zwar mit hoher Zustimmung: Frauenchefin Eva-Maria Holzleitner erhielt 97,3 Prozent. Vizeklubchefin Julia Herr kam auf 94,4 Prozent. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser bekam 98,5 Prozent. Mit Spannung erwartet worden war das Ergebnis für die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, eine Vertreterin der Wiener Landesorganisation. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig verzichtete ja auf eine Kandidatur. Bures wurde aber mit 92 Prozent bedacht.
Verena Dunst aus der widerspenstigen burgenländischen Landespartei – Landeshauptmann Hans Peter Doskozil wollte wieder nicht kandidieren – erhielt 94,6 Prozent. Die burgenländische SPÖ gratulierte jedenfalls pflichtschuldig per Aussendung „der gewählten Parteiführung“, und auch weitere Gratulationen aus anderen Landesparteien ließen nicht lange auf sich warten.
Niederösterreichs SPÖ-Chef Sven Hergovich erreichte 93,7 Prozent. Der oberösterreichische Parteichef Michael Lindner kam auf 96,9 Prozent, der steirische SPÖ-Chef Anton Lang auf 97,8 Prozent. Als Kassier wurde Christoph Matznetter, ebenfalls ein Wiener Genosse, mit 92,8 Prozent gewählt. Seine Stellvertreterin ist mit 98,1 Prozent Michaela Schmidt aus Salzburg. Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer fuhr mit 87,4 Prozent das schlechteste Ergebnis ein, seine Stellvertreterin als Schriftführer ist Stefanie Matei aus Vorarlberg mit 98,6 Prozent. Damit sind alle Bundesländer stimmberechtigt im Präsidium vertreten.
„Was für ein geiles Ergebnis. Was sind wir für eine coole Partei“, bejubelte Babler mit tränenerstickter Stimme die Resultate. Es gehe nicht um die Partei oder um ihn sondern um mehr Gerechtigkeit: „Wir werden das Land positiv verändern. Anpfiff!“
Als weiteren Erfolg verbuchen konnte Babler, dass die geplante Organisationsreform mit sehr großer Mehrheit durchgewunken wurde. Sie ermöglicht eine verbindliche Mitgliederbefragung, wenn sich mehr als ein Kandidat für den Parteivorsitz findet. Nur ein großer Teil der Wiener Delegierten unterstützte die Initiative nicht.
In seiner Bewerbungsrede vor knapp 600 Delegierten und 400 Gästen in der Grazer Messe hatte Babler seine Partei als einzige Alternative zu einem Kanzler Herbert Kickl (FPÖ) positioniert. Eine Stunde sprach der alte und neue Vorsitzende in dem ihm eigenen Stil, schnell, laut und ohne Scheu vor Pathos. Seine bisherige Bilanz nach „fünf außergewöhnlichen Monaten“ mit 16.000 neuen Mitgliedern war erwartungsgemäß positiv: „Wir haben die Themenführerschaft geschafft.“ Denn man sei nun eine Sozialdemokratie, die wieder klare Kante zeige, die eine klare Sprache spreche und die sich vor nichts und niemandem fürchte.
Dennoch ist auch in Bablers Einschätzung nicht alles perfekt: „Wir werden Breite gewinnen müssen“, gab er seinen Genossen mit, wiewohl die Inhalte seiner Rede dann doch deutlich links angesiedelt waren. Für den Parteichef ist unabhängig davon die nächste Wahl zu gewinnen: „Wir drehen das Match.“ Die SPÖ sei die einzige Kraft, die einen Bundeskanzler Herbert Kickl (FPÖ) und die „schwarz-blauen Abrissbirnen“ verhindern könne. Es werde sich um eine Richtungsentscheidung zwischen „menschenfreundlich“ und „menschenfeindlich“ handeln.
Inhaltlich hakte Babler im Schnelldurchlauf jene zwölf Leitanträge ab, die später von den Delegierten beschlossen werden. Eine Job-Garantie für Arbeitslose gehört ebenso dazu wie eine Wiedereinführung der abschlagsfreien Hacklerregelung oder eine Garantie für kürzere Wartezeiten bei Fachärzten.
Die lange propagierte Arbeitszeitverkürzung liegt dem Parteitag nur als Pilotversuch in Antragsform vor – für Babler kein Hinweis, dass man davon abgehe: „Wir werden konkret beweisen, was eine Arbeitszeitverkürzung bringt.“ Nicht alle goutierten die Initiative. Ein Vertreter des niederösterreichischen Gemeindeverbands meinte, er müsste bei Umsetzung einen Mitarbeiter abbauen, die burgenländische Delegation enthielt sich geschlossen. Priorität müsse ein höher Mindestlohn haben, hieß es zur APA.
Ausdauernd schoss sich Babler auf die „Ellenbogenpolitik“ der ÖVP ein, verdammte Konzerne, Rene Benko, Experten- und Kommentatoren-Meinungen, die seine Politik ablehnten. Bei den Lohn-Verhandlungen, aber nicht nur dort, stellte sich der SPÖ-Chef an die Seite der Gewerkschafter: „Partei und Gewerkschaft, Gewerkschaft und Partei – ein Guss.“
Bei parteiintern heikleren Themen versuchte Babler einen Spagat. In der Klimapolitik sprach er zwar für einen großen Systemwandel, andererseits forderte er, nicht auf Dieselfahrer oder jene, die einmal im Jahr auf Urlaub fliegen, mit dem Finger zu zeigen.
In der Sicherheits- und Zuwanderungspolitik konzentrierte er sich darauf, der Regierung Versagen vorzuwerfen, unterstrich das Recht auf Asyl, betonte aber auch, keine Leute in Österreich haben zu wollen, die nach Scharia und Kalifat schreien. Deutlich verdammte Babler die Hamas-Terrorattacke auf Israel, unterstrich dessen Recht auf Selbstverteidigung und betonte, dass die Bekämpfung von Antisemitismus in der DNA der SPÖ liege. Der Parlamentsklub brachte dazu einen eigenen Initiativantrag ein, der Solidarität mit Israel betonte, gleichzeitig aber auch die Versorgung der Menschen in Gaza forderte und sich für eine Zwei-Staaten-Lösung einsetzte.
Vorsicht geboten war bei der SPÖ nach dem Auszählungsdesaster beim Duell zwischen Babler und Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) im Juni. Vor Beginn des Wahlvorgangs erläuterte der neue Vorsitzende der Wahlkommission, Mirza Buljubasic, detailliert, mit welchen Vorkehrungen man diesmal ein Chaos in der Stimmauszählung wie beim letzten Mal verhindern will, als zunächst fälschlicherweise Doskozil als neuer Parteivorsitzender ausgerufen worden war. Als Unterstützung hat man sich am Samstag auch Robert Stein geholt, der jahrzehntelange Erfahrung in der Wahlabteilung des Innenministeriums mitbringt.
Dass nun schon wieder alle Delegierten zusammengetrommelt wurden, ist nicht billig. Finanzreferent Christoph Matznetter musste kundtun, dass Mitgliederbefragung und zwei Parteitage den Entschuldungsprozess der Partei etwas gebremst haben, seien doch hier Mittel verwendet worden, die eigentlich für die Wahlkämpfe 2024 reserviert waren. Matznetter geht aber davon aus, dass die Entschuldung 2026 und damit ein Jahr später als geplant abgeschlossen sein wird.
ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker ortete in einer Aussendung einmal mehr einen „massiven Linksruck der SPÖ“ unter Babler und unterstellte ihm ein „kommunistisches Manifest“, aber auch „Doppelzüngigkeit“. „Mit dem üblichen marxistischen Ellenbogen gab Babler aussichtslose Floskeln von sich. Wir sind gespannt, wie lange sich die Sozialdemokratie dieses Mal einreden will, dass sie mit Babler aber jetzt wirklich durchstarten wird“, ätzte auch FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. „Ein Duell mit Herbert Kickl ist für die ‚politisch toten Roten‘ utopisch.“