Hamas-Behörde: Zahl der Toten in Gaza auf über 10.300 erhöht – Israelische Armee: Terroristen in Klinik-Nähe angegriffen
Israel will nach Ende des Krieges mit der islamistischen Hamas die Verantwortung für die Sicherheit im Gazastreifen übernehmen. „Wir haben gesehen, was passiert, wenn wir sie nicht haben“, sagte Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu in einem Interview dem US-Sender ABC. „Denn wenn wir die Kontrolle über die Sicherheit nicht haben, wird der Terror der Hamas in einem Ausmaß ausbrechen, das wir uns nicht vorstellen können.“ In Gaza-Stadt spitzte sich die Lage am Dienstag zu.
Das israelische Militär gab den dort noch verbliebenen Zivilisten vier Stunden Zeit zur Flucht. Panzer seien in Position, um die Stadt einzunehmen, kündigte die Armee an. Die israelischen Streitkräfte rückten einen Monat nach dem von Hamas-Terroristen verübten Massaker am 7. Oktober tief in den Küstenstreifen am Mittelmeer vor. Bodentruppen seien bereits in der Stadt Gaza im Einsatz. Die Streitkräfte teilten nach den Angaben den Gazastreifen in zwei Hälften und kreisten die Stadt vollständig ein. Im Gazastreifen mit etwa 2,2 Millionen Menschen droht ein intensiver Häuserkampf.
Die Zahl der im Gazastreifen getöteten Palästinenser ist seit Kriegsbeginn vor einem Monat nach Angaben des Hamas-kontrollierten Gesundheitsministeriums auf 10.328 gestiegen. Mehr als 25.000 Menschen seien verletzt worden, teilte die Behörde am Dienstag mit. Unter den Toten seien 4.237 Minderjährige. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.
Den Angaben zufolge handelt es sich um die mit Abstand größte Zahl von Toten unter Palästinensern während eines Krieges in der Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts. Auslöser des Krieges war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der islamistischen Hamas sowie anderer extremistischer Palästinenserorganisationen am 7. Oktober im Grenzgebiet verübt haben. Auf israelischer Seite sind dabei und in den Tagen darauf mehr als 1.400 Menschen getötet worden, darunter auch viele Frauen, Kinder und Jugendliche.
Eine längere Feuerpause schloss Netanyahu vorerst aus. „Ohne die Freilassung der Geiseln wird es keine allgemeine Feuerpause im Gazastreifen geben“, sagte Netanyahu dem Sender ABC. „Was taktische Pausen angeht – eine Stunde hier, eine Stunde dort – können wir die Umstände prüfen, um humanitäre Güter hineinzubringen und einzelne Geiseln herauszubringen.“
Eine allgemeine Waffenruhe steht nach Einschätzung Netanyahus den Kriegszielen Israels entgegen. „Das würde unsere Bemühungen behindern, unsere Geiseln zu befreien, denn das Einzige, was diese Kriminellen der Hamas verstehen, ist der militärische Druck, den wir ausüben“, sagte er weiter.
Seit Beginn des Kriegs sind im Gazastreifen nach UN-Angaben 70 Prozent der Bevölkerung vertrieben worden. Notunterkünfte seien teils mit dem Vierfachen ihrer Kapazität überbelegt. Die Zustände seien unmenschlich und verschlechterten sich jeden Tag weiter. In einer Unterkunft stünden pro Person weniger als zwei Quadratmeter zur Verfügung. Mindestens 600 Menschen würden sich dort eine Toilette teilen.
Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, will in die Krisenregion im Nahen Osten reisen. Er werde sich unter anderem in Ägypten und Jordanien über die Menschenrechtssituation in der Region austauschen, teilte sein Büro mit. So werde sich der österreichische UN-Diplomat in Kairo mit dem Außenminister Ägyptens sowie Vertretern regionaler Organisationen und dem Generalsekretär der Liga der Arabischen Staaten treffen. Am Mittwoch will Türk den Grenzübergang Rafah zwischen dem Gazastreifen und Ägypten besuchen.
Die UN-Menschenrechtsexpertin Francesca Albanese warnte vor einer weiteren Zuspitzung des Konflikts. Der Versuch Israels, die Hamas zu beseitigen, werde wahrscheinlich nur zu einer weiteren Radikalisierung führen und sei zudem rechtswidrig, sagte sie dem britischen „Guardian“ (Dienstagsausgabe). Die italienische Juristin ist Berichterstatterin des UN-Menschenrechtsrats über die Lage der Menschenrechte in den besetzten Palästinensergebieten. Die israelische Regierung wirft ihr vor, zugunsten der Palästinenser voreingenommen zu sein.
Der frühere israelische Ministerpräsident Ehud Barak sieht für sein Land im Krieg gegen die islamistische Hamas nur noch wenige Wochen Zeit. Solidarität und Sympathie, die Israel nach den Terrorangriffen der Hamas vom 7. Oktober mit mehr als 1.400 Toten und mehr als 200 Geiseln bekundet worden seien, schwänden, zeigte sich Barak in einem Interview des Nachrichtenportals „Politico“ besorgt. Der 81-Jährige war von 1999 bis 2001 Premierminister.
Die Gefechte an der Demarkationslinie zwischen Israel und dem Libanon reißen indes nicht ab. Das israelische Militär griff eigenen Angaben zufolge mutmaßliche Terroristen im Libanon an. Aus UN-Kreisen im Libanon hieß es, dass das israelische Militär Außenbezirke des libanesischen Nakura beschossen habe. Dort befindet sich auch das Hauptquartier der UN-Beobachtermission Unifil im Libanon.
Seit Beginn des Gaza-Kriegs hat sich die Lage in dem Grenzgebiet zugespitzt. Bei Gefechten zwischen der israelischen Armee und der proiranischen Hisbollah gab es auf beiden Seiten Tote, darunter auch Zivilisten. Die Hisbollah hat Verbindungen zur im Gazastreifen herrschenden islamistischen Hamas.