Israelische Fahne von Stadttempel gerissen, Tätersuche auf Hochtouren

24-Stunden-Überwachung angeordnet – Allgemeines Entsetzen – Kritik am Vorgehen der Polizei

Drei Jugendliche haben mit einer Aktion vor dem Stadttempel in der Wiener Innenstadt für Empörung gesorgt. Zu zweit wurde eine israelische Fahne von der Hauptsynagoge gerissen, eine weitere Beteiligte imitierte das Abfeuern eines Maschinengewehrs. Die Tätersuche läuft noch. Kritik wurde laut, weil der Stadttempel trotz der erhöhten Terrorgefahr nicht rund um die Uhr bewacht wurde. Dies hat sich bereits geändert.

Der Vorfall ereignete sich in der Nacht auf Samstag, wurde aber erst in den Abendstunden bekannt, als ein Video von den Ereignissen auf sozialen Medien zu kursieren begann. Zu sehen ist, wie ein junger Mann eine zweite Person auf die Schulter nimmt, die dann die Fahne herunterreißt. Daneben steht in bester Stimmung eine junge Frau und zielt quasi mit ihren Händen in Richtung der Synagoge.

Aufgehängt worden war die Fahne im Gedanken an die Opfer der Terrorattacke der radikalislamischen Hamas gegen Israel, wie der Präsident der Israelitischen Glaubensgesellschaft Oskar Deutsch bekannt gab. Am Nachmittag wurde heute wieder eine Flagge gehisst. „Wir lassen uns nicht unterkriegen“, schrieb er auf „X“ (vormals Twitter).

Laut Polizei wollte ein Zeuge des Vorfalls in der Nacht auf Samstag eine Täterin anhalten. Bei dem Versuch soll er von mehreren unbekannten Personen davon abgehalten und von einem Mann geschlagen worden sein. Dadurch wurde er im Gesicht verletzt. Die Fahne konnte von inzwischen alarmierten Polizisten sichergestellt werden.

Nicht nur in sozialen Medien sondern auch seitens der SPÖ, der NEOS und von Teilen des Koalitionspartners kam am Sonntag Kritik auf, warum nicht einmal die Hauptsynagoge Wiens rund um die Uhr bewacht wurde. Befeuert wurde die Diskussion durch einen Bericht des „Kurier“, wonach die Wiener Polizei eine entsprechende Weisung der Direktion Staatsschutz Nachrichtendienste zurückgewiesen habe.

Wiens Polizeipräsident Georg Pürstl relativierte diese Darstellung am Sonntagnachmittag. Es habe nur eine einmalige Erfordernis für 24 Stunden aufgrund einer abstrakten Gefährdungslage gegeben. Diese habe man „auf effektivere und auf den Schutz gefährdeter Menschen, insbesondere auf den Schutz unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ausgelegte Maßnahmen abgeändert“, heißt es in einer Aussendung der Wiener Polizei.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) verteidigte am Sonntag das Verhalten der Exekutive, die bisher (zumindest sichtbar) nur zu den Öffnungszeiten der Synagoge präsent war. Der Polizei sei bewusst gewesen, dass die Gefahr für jüdische Einrichtungen derzeit besonders groß sei. Daher habe man Präsenz und verdeckte Präsenz erhöht. Vorrang sei aber zunächst der Schutz von Menschen u.a. vor jüdischen Schulen, Geschäften und Sporteinrichtungen gewesen.

Karner betonte auch, dass er sich mehrfach mit dem Präsidenten der Israelitschen Religionsgemeinschaft Oskar Deutsch ausgetauscht habe, weil hier enge Abstimmung wichtig sei. Auch Pürstl unterstrich, dass man nicht nur mit den für Staatsschutz und Nachrichtendienst Verantwortlichen sondern auch mit den mit Sicherheitsfragen befassten Personen der israelitischen Kultusgemeinde in engster Abstimmung sei.

Die Ermittlungen des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung liefen jedenfalls auf Hochtouren, betonte Pürstl. Karner zeigte sich zuversichtlich, die Täter „dingfest“ machen zu können.

Offene Kritik bzw. Skepsis am Vorgehen der Polizei kam von mehreren Seiten. Der Schutz der jüdischen Gemeinschaft müsse mehr sein als eine Regierungsshow, kritisierte die SPÖ-Sprecherin für Gedenkkultur Sabine Schatz das Fehlen einer 24-Stunden-Bewachung. Die NEOS-Sprecherin für Innere Sicherheit Stephanie Krisper forderte eine rasche und lückenlose Aufklärung und Konsequenzen, sieht sie doch sowohl bei Karner als auch bei Pürstl Untätigkeit.

Allgemeiner fiel die Kritik der FPÖ an Karner aus, da dieser keinen Asyl-Stopp veranlasse. Jeder Islamist, der unter dem Deckmantel Asyl nach Österreich komme, stelle eine potenzielle Gefahr dar, befand Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Doch selbst beim Koalitionspartner ist man mit dem Schutz der jüdischen Einrichtungen offenbar nicht zufrieden. Der Abgeordnete David Stögmüller verwies auf die Unterstützung des Bundesheers für den 24-Stunden-Schutz jüdischer Einrichtungen. Er wolle Aufklärung, warum dies nicht passiere.

Einig war man sich in der Politik in der Verurteilung der Tat. Für Antisemitismus und Israel-Hass sei kein Platz in der Gesellschaft. Er gehe davon aus, dass die Täter rasch ausgeforscht werden, meinte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).Für Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ist es „vollkommen inakzeptabel“, dass es in der aktuellen Situation zu einer „derartigen antisemitischen Provokation“ vor dem Wiener Stadttempel gekommen ist. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig verurteilte den Vorfall „auf das Schärfste“, Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach von einer schrecklichen Attacke. NEOS-Obfrau Beate Meinl-Reisinger hofft auf „entsprechende strafrechtliche Konsequenzen“.

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