IHS: Heimische Wirtschaft kehrt auf verhaltenen Wachstumspfad zurück

Von 2023 bis 2027 dürfte das Bruttoinlandsprodukt im Schnitt um 1,2 Prozent pro Jahr wachsen – Ökonomen: Inflation bleibt hoch, aber mit eindeutig fallender Tendenz

Die heimische Wirtschaft befindet sich nach Rekordinflation und den Verwerfungen infolge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine in einer konjunkturellen Schwächephase, dürfte diese aber im kommenden Jahr überwinden und auf einen verhaltenen Wachstumspfad zurückkehren, erwartet das Institut für Höhere Studien (IHS). „Die Inflation bleibt hoch, aber mit einer eindeutig fallenden Tendenz“, sagte IHS-Ökonom Helmut Hofer.

Heuer rechnet das IHS noch mit einer Inflationsrate von 7,5 Prozent, bis 2027 werde sie aber voraussichtlich auf 2,3 Prozent zurückgehen. Für den Zeitraum 2023 bis 2027 geht das Institut von einer durchschnittlichen Inflationsrate von 3,8 Prozent aus, zeigt die aktuelle Mittelfristprognose, die das IHS am Donnerstag präsentiert hat.

Während die österreichische Wirtschaft dieses Jahr noch stagniert (+0,5 Prozent), werden für die Jahre 2024 und 2025 Zuwächse von 1,4 Prozent und 1,5 Prozent gesehen. 2026 und 2027 dürfte sich die Wirtschaftsleistung aber wieder auf jeweils 1,2 Prozent abschwächen. Für den Prognosezeitraum 2023 bis 2027 erwartet das IHS eine Zunahme des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) von durchschnittlich 1,2 Prozent pro Jahr. In der 5-Jahres-Periode davor betrug das Wachstum im Schnitt 1,3 Prozent.

Besser als zuletzt werde sich der private Konsum entwickeln. „In den vergangenen fünf Jahren war die Entwicklung des privaten Konsums in Österreich durch die coronabedingten Einschränkungen und die darauffolgenden Aufholeffekte geprägt“, sagte Hofer. Heuer dämpfe die hohe Inflation den Konsum zwar noch, insgesamt gesehen stelle der private Konsum mit einem durchschnittlichen Wachstum von 1,3 Prozent pro Jahr aber eine wesentliche Stütze der Wirtschaft dar.

Positiv sieht das IHS auch den Arbeitsmarkt, wenngleich es umfassende Strategien gegen den steigenden Fachkräftemangel benötige, sagte IHS-Chef Holger Bonin. Ausgehend von 6,5 Prozent 2023 dürfte die Arbeitslosenquote bis 2027 auf 5,8 Prozent sinken. Zugleich dürfte die Beschäftigung um durchschnittlich 0,9 Prozent pro Jahr zulegen. Bei Frauen, Älteren und Personen mit Migrationshintergrund müsse das vorhandene Arbeitskräftepotenzial noch mehr ausgeschöpft werden, etwa durch mehr und bessere Kinderbetreuung und Qualifizierungsoffensiven, so Bonins Appell an die Politik.

Die Prognose des IHS sei mit erheblichen Risiken behaftet. Als einen Punkt nannten die Ökonomen „überschießende Lohnabschlüsse“, die die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen verringern und die Qualität des Wirtschaftsstandorts verschlechtern könnten. Das IHS hat sich den Zusammenhang zwischen Lohnsetzung und Inflation genauer angeschaut und sieht für Österreich zwar nicht die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale. Ein Lohnanstieg um einen Prozentpunkt zieht laut IHS-Berechnungen eine zusätzliche Inflation von 0,5 oder 0,6 Prozentpunkten nach sich. Die Nationalbank gehe hier von nur 0,3 Prozentpunkten aus.

Die Sozialpartner sollten aus Sicht des IHS-Chefs über längere Laufzeiten der Kollektivverträge (derzeit 12 Monate) nachdenken und auch, ob sich die Lohn- und Gehaltsverhandlungen am Verbraucherpreisindex (VPI) oder am BIP-Deflator orientieren sollten. Der BIP-Deflator ist ein Inflationsmaß, das als Quotient aus nominellem und realem (preisbereinigtem) Bruttoinlandsprodukt (BIP) errechnet wird.

Als Ausgangspunkt der KV-Verhandlungen wird derzeit die durchschnittliche Inflation der letzten zwölf Monate herangezogen, zuletzt waren das 8,6 Prozent. Hätte man den BIP-Deflator herangezogen, wären es 4,9 Prozent gewesen. Für die Beschäftigten hätte das einen realen Einkommensverlust bedeutet. Weniger Lohnsteigerung bedeute aber höhere Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit.

Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ haben die Prognose zum Anlass genommen, um Kritik an der Regierung zu üben. Österreich habe die höchste Teuerungsrate in Westeuropa. Die SPÖ fordert einmal mehr, die Mieten zu senken und die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel auszusetzen, die FPÖ ist für eine Preisbremse, Steuersenkungen auf Grundnahrungsmittel, Energie und Treibstoffe sowie ein sofortiges Aus der Russland-Sanktionen.

„Die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes ist keine Selbstverständlichkeit, sondern wir müssen sie uns erarbeiten“, betonte der Generalsekretär der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Karlheinz Kopf am Donnerstagnachmittag in einer Aussendung. Es gelte „jetzt die Grundlage für Wachstum zu schaffen“. „Dauerhaft hohe Energie- und Rohstoffkosten könnten die Industriekonjunktur bremsen.“ Angesichts des Arbeits- und Fachkräftemangels wäre eine allgemeine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung kontraproduktiv, hielt Kopf weiters fest.

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