EU-Kommission fordert Ende der Blockade des EU-Budgets

Nach dem Veto von Ungarn und Polen gegen das EU-Budget fordert die EU-Kommission dringend eine Lösung, damit die EU-Gelder und Corona-Hilfen 2021 pünktlich fließen können. „Wir brauchen eine schnelle Einigung auf alle Elemente des 1,8 Billionen Euro schweren EU-Pakets zur wirtschaftlichen Erholung, um die Realwirtschaft unterstützen zu können“, so Vizepräsident Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel. Ungarn hatte sein Veto mit Verweis auf die Migrationspolitik begründet.

Alle Beteiligten sollten ihrer Verantwortung gerecht werden, um das Paket unter Dach und Fach zu bekommen, fügte Dombrovskis hinzu. „Wir müssen es unterzeichnet, besiegelt und ausgeliefert bekommen.“ Ähnlich äußerte sich EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Beide wichen jedoch der Frage aus, wie die Blockade überwunden werden könnte. Man arbeite mit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft an einer Lösung, sagte Dombrovskis.

Der Streit, der die EU in eine tiefe Krise gestürzt hat, soll am Donnerstag Thema einer Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs werden. Polen und Ungarn hatten am Montag aus Protest gegen eine neue Regel zur Kürzung von EU-Geldern bei bestimmten Rechtsstaatsverstößen einen entscheidenden Budgetbeschluss blockiert. Mehrere EU-Staaten riefen die Regierungen in Warschau und Budapest auf, ihr Veto fallenzulassen. Beide Regierungen halten aber daran fest.

Bei dem Paket geht es um knapp 1,1 Billionen Euro für den neuen siebenjährigen EU-Finanzrahmen sowie 750 Milliarden Euro Hilfen gegen die dramatische Corona-Rezession.

Der ungarische rechtsnationale Ministerpräsident Viktor Orban rechtfertigte am Mittwoch das Veto Ungarns gegen das EU-Budget sowie den Corona-Wiederaufbaufonds mit Verweis auf die Migrationspolitik. Brüssel betrachte nur jenes Land als Rechtsstaat, „das Migranten Einlass gewährt“, hieß es in einer über die staatliche Nachrichtenagentur MTI verbreiteten Mitteilung seines Büros.

Ungarn sei ein „engagierter Anhänger der Rechtsstaatlichkeit“, betonte Orbán. Nach Annahme der jetzigen Empfehlung gebe es jedoch kein Hindernis mehr, „die den Mitgliedsstaaten zustehenden Gelder an die Unterstützung der Einwanderung zu knüpfen und jene Länder, die die Migration ablehnen, mit Budgetmitteln zu erpressen“. Es wäre ein „schwerer, die Einheit Europas untergrabender Fehler, Finanz- und Wirtschaftsfragen an politische Debatten zu koppeln“, warnte der ungarische Premier.

Ungarn habe stets die Prinzipien der Berechenbarkeit und Transparenz verfolgt und Kompromissbereitschaft gezeigt. Den Kompromiss auf dem EU-Gipfel vom Juli 2020 hätte Ungarn nur deswegen akzeptiert, weil „wir für die europäische Solidarität stimmen und unterstützen, dass die auf Finanzhilfe angewiesenen Staaten möglichst schnell zu Ressourcen gelangen“.

Der ungarische Ministerpräsident erinnerte zugleich daran, dass jegliche Einführung eines neuen, die Mitgliedsstaaten bestrafenden Mechanismus nur mittels einstimmiger Modifizierung der Verträge möglich sei.

Mit einem Veto wehren sich Ungarn und auch Polen dagegen, dass die Auszahlung von EU-Mitteln künftig an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden soll. Gegen beide Staaten wird seit Jahren wegen des Umgangs mit Justiz, Medien und Wissenschaft heftige Kritik erhoben. Gegen beide Länder läuft ein EU-Rechtsstaatsverfahren (Artikel-7-Verfahren).

Die Delegationsleiterin der Grünen im Europaparlament, Monika Vana, betonte unterdessen in einer Aussendung, dass das Europaparlament „Ungarn und Polen keine Zugeständnisse beim Rechtsstaatsmechanismus machen, sondern weiterhin die Grundrechte und Demokratie in Europa verteidigen“ werde.

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), drohte der nationalkonservativen Fidesz-Partei von Ungarns Regierungschefs Viktor Orbán mit Hinauswurf aus der Europäischen Volkspartei (EVP). „Wenn Orbán beim morgigen EU-Gipfel weiter blockiert, ist der Ausschluss von #FIDESZ aus der EVP die logische Konsequenz“, schrieb Karas am Mittwoch auf Twitter.

Orbán torpediere mit seinem Verhalten nicht nur die EU als Rechts- Wertegemeinschaft, „sondern blockiert damit auch wichtige Investitionen für uns alle“, so Karas weiter. Die EVP dürfe „es nicht zulassen, dass die EU mit dem Instrument der Einstimmigkeit (das sowieso abgeschafft gehört) erpresst wird. Es wurde alles versucht, um #Orban auf einen europäischen und rechtsstaatlichen Weg zurückzuführen. Das ist leider bis jetzt nicht gelungen“, schrieb der ÖVP-Europaabgeordnete.

Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) äußerte am Mittwoch erneut Unverständnis für die Vetos Polens und Ungarns gegen die milliardenschweren Corona-Konjunkturhilfen und den langfristigen EU-Haushalt. Wenn es dabei bleibe, könne das Geld nach dem Corona-Aufbaufonds nicht fließen. Es werde dann zu einer monatlichen Zwölftelbudgetierung anhand der alten Vorgaben kommen, warnte sie nach dem Ministerrat in Wien.

Der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Christian Hafenecker stellte sich seinerseits auf die Seite Ungarns. „Der mit dem EU-Budget verbundene Mechanismus, Mitgliedsstaaten EU-Mittel zu kürzen, wenn diese gegen gewisse europäische Grundwerte oder die Rechtsstaatlichkeit verstoßen, ist ein reiner Vorwand zur Schaffung eines Disziplinarmittels des EU-Establishments gegen unliebsame Regierungen“, kritisierte Hafenecker laut einer Aussendung des Freiheitlichen Parlamentsklubs.

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