Tschechien verhängt nächtliche Ausgangssperre

Angesichts dramatisch steigender Corona-Infektionszahlen hat die Regierung in Tschechien eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Von Mittwoch an dürfen die Menschen zwischen 21.00 Uhr und 4.59 Uhr ihre Häuser nicht mehr verlassen, wie der demnächst aus dem Amt scheidende Gesundheitsminister Roman Prymula nach der Kabinettssitzung am Montagabend bekannt gab. Die bisherigen Maßnahmen hätten nur wenig Wirkung gezeigt, sagte der 56-Jährige.

Seit Beginn der Pandemie wurden in Tschechien insgesamt 263.572 Corona-Infektionen und 2.337 Todesfälle registriert. Eine weitere Maßnahme sieht vor, dass die noch geöffneten Geschäfte wie Supermärkte an Sonntagen schließen müssen. Bereits seit eineinhalb Wochen sind die Menschen im Nachbarland aufgerufen, möglichst zu Hause zu bleiben. Es gibt aber zahlreiche Ausnahmen von den Ausgangsbeschränkungen wie den Weg zur Arbeit, Sport und Einkaufen. In Tschechien gilt seit Anfang Oktober der Notstand. Er ermöglicht es der Regierung, die Bürgerrechte einzuschränken.

Zuvor waren am Montag im Kampf gegen die zweite Corona-Welle vielerorts in Europa neue Auflagen in Kraft getreten – so etwa in Italien, Dänemark, der Slowakei und in der belgischen Hauptstadt Brüssel. Viele Regierungen setzen auf nächtliche Ausgangssperren und weitere Kontaktbeschränkungen, um einen kompletten Lockdown der Länder zu vermeiden. Nach Einschätzungen des wissenschaftlichen Rats der französischen Regierung wird die aktuelle Corona-Welle „stärker sein als die erste“.

Er sei von der „Brutalität“ der Zunahme der Neuinfektionen in den jüngsten 15 Tagen überrascht, sagte Jean-Francois Delfraissy, der Leiter des Beratungsgremiums, am Montag dem Radiosender RTL. Delfraissy sprach von einer kritischen Lage und einer hohen Dunkelziffer bei den Neuinfektionen: „Es gibt wahrscheinlich mehr als 50.000 Fälle pro Tag. Der wissenschaftliche Rat schätzt, dass wir eher rund 100.000 Fälle pro Tag haben.“ Die Corona-Lage verschlechtert sich in dem Land mit 67 Millionen Einwohnern seit Wochen dramatisch. Am Sonntagabend wurden erstmals seit Beginn der großflächigen Testungen mehr als 52.000 Ansteckungen innerhalb von 24 Stunden erfasst.

In einem anderen Corona-Hotspot, Spanien, trat in der Nacht auf Montag eine nächtliche Ausgangssperre in Kraft. Es gab laut Medien weder Proteste noch nennenswerte Zwischenfälle. Zur Verhängung dieser und anderer Maßnahmen hatte die linke Regierung zuvor am Sonntag den Notstand ausgerufen. Dieser gilt zunächst für zwei Wochen. Eine Verlängerung muss vom Parlament in Madrid genehmigt werden.

Spanien ist eines der am schwersten von der Pandemie betroffenen Länder Westeuropas. Bisher wurden mehr als eine Million Infizierte registriert, knapp 35.000 Menschen starben mit Covid-19. Die Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen liegt bei 191,11 mit steigender Tendenz.

Am Wochenende hatten gleich mehrere EU-Staaten Rekordwerte bei der Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus gemeldet, neben Frankreich auch Dänemark und Belgien. Die europäische Seuchenbehörde ECDC hatte bis Sonntag seit Ausbruch der Pandemie insgesamt rund 5,9 Millionen Ansteckungen und gut 208.600 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus registriert.

In ganz Italien müssen seit Montag alle Restaurants und Bars um 18.00 Uhr für Gäste schließen. Auch Kinos, Theater, Fitnessstudios, Bäder, Skiresorts und Konzerthallen dürfen nicht mehr öffnen. Ein Großteil der italienischen Gymnasialschüler wird vorerst online unterrichtet. Auch in der Slowakei müssen Schüler ab der fünften Schulstufe auf Online-Unterricht umsteigen.

In Dänemark dürfen sich von Montag an nicht mehr als zehn Personen an einem Ort versammeln. Kioske und Supermärkte dürfen nach 22.00 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen. In der belgischen Hauptstadt Brüssel und Umgebung gilt wieder überall Maskenpflicht, die nächtliche Ausgangssperre beginnt dort bereits um 22.00 Uhr statt um Mitternacht. Schwimmbäder, Sportclubs und Fitnessstudios müssen schließen, ebenso Theater, Kinos und Museen.

Angesichts rasant steigender Corona-Infektionszahlen stellt Litauen die drei größten Städten Vilnius, Kaunas und Klaipeda (Memel) sowie fünf weiteren Gemeinden unter Quarantäne. Hier gelten von Mittwoch bis zum 11. November Schutzvorschriften wie eine Maskenpflicht in nahezu allen öffentlichen Räumen sowie strengere Einschränkungen in Kultur-, Freizeit-, Unterhaltungs- und Sportstätten. Insgesamt sind damit 21 der 60 Kommunen des Landes unter lokale Quarantäne gestellt.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnte eindringlich davor, die Bemühungen im Kampf gegen das Coronavirus einzustellen. Es sei „gefährlich“, jetzt bei der Virusbekämpfung „aufzugeben“, sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus am Montag in Genf.

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