Israel will nach Rekordzahlen „kompletten Lockdown“

Nach einem neuen Coronarekord will Israel die Lockdown-Bestimmungen verschärfen. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kündigte am späten Mittwochabend in einer Videobotschaft an, dass der seit vergangenen Freitag geltende Lockdown ab kommenden Freitag für zwei Wochen in einen „kompletten Lockdown“ umgewandelt werden solle. Details nannte der Regierungschef zunächst nicht. Am Dienstag waren in dem Land 6.950 Neuinfektionen verzeichnet worden.

So viele neue Fälle an einem Tag wurden bisher noch nicht registriert. Die Zahl der Tests hatte zuletzt ebenfalls zugenommen, die Quote der positiven Tests betrug aber sehr hohe 11,7 Prozent. In Israel leben rund neun Millionen Menschen, also nur geringfügig mehr als in Österreich, wo der jüngste Tageswert an Neuinfektionen 681 betrug..

Der bisherige Fallzahlrekord in Israel datierte mit 5.533 Fällen vom 15. September. Seit Freitag gilt in dem Mittelmeerstaat ein zweiter landesweiter Lockdown. Die Menschen müssen sich mit Schulschließungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit arrangieren. Die Regierung will mit den neuen, zunächst drei Wochen geltenden Restriktionen vor allem eine Überlastung des Gesundheitssystems verhindern. Ein Auslöser war die Warnung von Krankenhausleitern vor drohenden Kapazitätsgrenzen.

Die Pandemie war in Israel zunächst glimpflich verlaufen, auch wegen eines strikten Kurses der Regierung. Nach raschen Lockerungen im Mai schnellten die Zahlen jedoch in die Höhe. Die Regierung wiederum appellierte immer wieder an die Menschen, sich an Vorschriften wie das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen und Abstandsregeln zu halten. Am stärksten betroffen sind arabische und ultraorthodoxe jüdische Wohnviertel. Dort leben häufig größere Familien auf engem Raum zusammen.

Auch in Europa breitet sich das Coronavirus indes rasend aus. Am Mittwoch wurde Behördenangaben zufolge die Schwelle von fünf Millionen Neuinfektionen überschritten, mehr als 227.000 von ihnen starben. Die meisten Fälle wurden in Russland, Spanien und Großbritannien gemeldet.

Allein in der vergangenen Woche waren europaweit mehr als 380.000 neue Fälle registriert worden, so viele wie nie zuvor dem Ausbruch des Coronavirus. Europa sieht sich derzeit einer zweiten Infektionswelle gegenüber. Experten führen den Anstieg der registrierten Fälle aber auch auf eine Zunahme der Tests zurück.

Wegen der steigenden Zahlen kündigte die Regionalregierung von Madrid eine Ausweitung der kürzlich verhängten Ausgangsbeschränkungen an. Am Freitag würden weitere Bezirke bekannt gegeben, für die Restriktionen gelten würden, sagte der stellvertretende Leiter der Gesundheitsbehörde am Mittwoch. Bisher sind rund 850.000 Menschen von den Maßnahmen betroffen.

Seit Montag gelten in Teilen Madrids wieder Ausgangssperren. Vor allem dicht besiedelte und einkommensschwache Vororte im Süden der Hauptstadt sind seither praktisch abgeriegelt. Die betroffenen Bewohner dürfen ihre Viertel nicht mehr verlassen, außer um in die Arbeit, Schule oder zum Arzt zu gehen. Cafes und Restaurants in den Gebieten müssen um 22.00 Uhr schließen, Parks bleiben vollständig geschlossen. Die Restriktionen gelten zunächst für zwei Wochen.

Frankreich schließt im Kampf gegen das Coronavirus Bars und Restaurants in Teilen des Landes. Für die südfranzösische Hafenmetropole und das Überseegebiet Guadeloupe sei die „maximale Alarmstufe“ ausgerufen worden, sagte Frankreichs Gesundheitsminister Olivier Véran. Dort müssten ab Samstag alle Bars und Restaurants komplett schließen. In der Hauptstadt Paris und weiteren Großstädten wie Lille oder Rennes müssten Bars ab Montag um 22.00 Uhr schließen.

Der britische Oppositionsführer Keir Starmer kritisierte den Umgang der Regierung mit der Corona-Pandemie unterdessen scharf. Die aktuelle Corona-Situation des Landes sei auf ein „Scheitern der Regierung“ zurückzuführen, sagte der Chef der Labour-Partei in einer Fernsehansprache im Sender BBC. Mit mehr als 6.000 Fällen zählte Großbritannien am Mittwoch den höchsten Stand an täglichen Neuinfektionen seit Anfang Mai.

Zudem kritisierte Starmer, dass Großbritannien noch immer nicht über ein funktionierendes Test- und Nachverfolgungssystem verfüge und Menschen teilweise Hunderte Kilometer weit für einen Test fahren müssten. „Es sollte so nicht sein“, sagte Starmer. „Wir sollten nicht eine der höchsten Todesraten in Europa haben“. Mit mehr als 40.000 Toten nach einer Infektion mit dem Virus ist Großbritannien das am schwersten getroffene Land Europas.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA dürfte laut „Washington Post“ schon bald erhöhte Anforderungen für die Notfallgenehmigung eines Corona-Impfstoffs bekanntgeben. Damit würden die Chancen sinken, dass ein solcher Impfstoff noch vor der Präsidentenwahl am 3. November genehmigt werden könne, berichtet die Zeitung.

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