Aufregung um Wiener Corona-Cluster – Hunderte in Quarantäne

Rund um den Wiener Coronavirus-Cluster sind mehrere hundert Personen in Quarantäne. Allein im Postzentrum in Wien-Inzersdorf gab es bisher 500 Tests, 70 Mitarbeiter waren positiv. Während Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) einmal mehr die Stadt Wien im Zusammenhang mit der Coronakrise kritisierte, stellte sich Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hinter die Wiener Gesundheitsbehörden.

Nehammer warf der Stadt Wien mangelnde Kommunikation mit dem Einsatzstab vor. Er bezeichnete die Infektionszahlen in Wien am Beginn als „besorgniserregend“ und sprach gar von einer „Mahnung an die Stadt Wien“ mit dem Einsatzstab zu kooperieren, um eine „zweite Infektionswelle“ zu verhindern. Derzeit gebe es Defizite in der Kommunikation mit der Stadt. So habe der Einsatzstab über die Medien erfahren, welche Leiharbeiterfirma von den Infektionen im Postverteilerzentrum in Hagenbrunn betroffen sei. Er appellierte an Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ): „Arbeiten wir zusammen, kämpfen wir gemeinsam gegen eine zweite Welle.“ Es wäre „verantwortungslos“, wenn man das nicht täte, so Nehammer.

Darauf angesprochen, dass Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) keine besondere Gefahr in Wien sieht, relativierte der Innenminister etwas seine anfänglichen Aussagen. „Die Zahlen in Wien sind so, dass sie beherrschbar sind, aber sie sind deutliche höher als in anderen Bundesländern.“

Der Leiter des Einsatzstabes, Bernhard Treibenreif, sagte, dass zwar 60 Prozent aller Neuinfektionen in Wien stattfinden, das aber „nicht außergewöhnlich ist“. Er bestätigte aber, dass es „Verbesserungspotenzial bei der Kommunikation“ mit Wien gebe was die Qualität und Schnelligkeit der Informationen betrifft.

Gesundheitsminister Anschober hatte sich zuvor angesichts der im beginnenden Wahlkampf laut werdenden Kritik der ÖVP an der Corona-Strategie der Gemeinde Wien hinter die Wiener Gesundheitsbehörden gestellt. Aus seiner Sicht gibt es „keine Causa Wien“, denn vom jüngsten Infektionscluster in zwei Post-Verteilerzentren und einem Flüchtlingsheim sei auch Niederösterreich betroffen. Die Zusammenarbeit funktioniere hervorragend, betonte Anschober. Die Gesundheitsbehörden beider Länder haben aus seiner Sicht „die richtigen Schritte gesetzt“.

Außerdem kündigte Anschober an, der vom Wiener Gesundheitsstadtrat Hacker aufgeworfenen Frage von Infektions-Clustern im Bereich prekärer Arbeitsverhältnisse nachgehen zu wollen. Einen Vergleich zwischen Wien und dem Skiort Ischgl, aus dem heimkehrende Urlauber das Coronavirus in zahlreiche Länder „exportiert“ hatten, lehnt Anschober ab: „Es ist nicht Wien, sondern wir haben in einem bestimmten Arbeitsbereich – prekäre Arbeitssituationen – ein Thema in Niederösterreich und Wien. Wir schauen uns das aber auch über diese beiden Bundesländer hinausgehend in Zukunft an.“

Bisher wurden im Zusammenhang mit dem Wiener Coronavirus-Cluster „mehr als 400 Absonderungsbescheide“ ausgestellt, sagte Andreas Huber vom medizinischen Krisenstab der Stadt. Die Containment-Maßnahmen sind jedoch noch nicht abgeschlossen. Im niederösterreichischen Post-Verteilungszentren Hagenbrunn wurden 63 Mitarbeiter positiv getestet, die in Wien wohnen, erläuterte Huber. Bestätigt wurden der APA auch Medienberichte, wonach in der Logistikzentrale eines großen Möbelhauses in Wien-Floridsdorf ebenfalls sechs Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt sind. Diese Fälle dürften ebenfalls auf Leiharbeiter zurückzuführen sein.

In einem vorübergehend geschlossenen Kindergarten in Wien-Liesing, wo eine mit einem Leiharbeiter zusammenlebende Mitarbeiterin und ein Kind infiziert sind, wurden inzwischen alle Kinder und Betreuer untersucht. Es gab keine weiteren Erkrankten. In Kindergärten wird in Wien weiterhin bei Verdachtsfällen getestet.

Im Bereich von Pflege-, Obdachlosen- und Flüchtlingseinrichtungen kündigte die Stadt dagegen weitere großflächige Tests an. Diese Strategie ist „aus unserer Sicht erfolgreich, dass wir genau hinschauen und in die Tiefe schauen“, hieß es auf APA-Nachfrage aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Bei dem Cluster hätten rund 90 Prozent symptomlos Erkrankte identifiziert werden können.

Knapp über 1.000 Testungen seien bisher im Flüchtlingsbereich durchgeführt worden. Rund 40 Infizierte sind laut Stadt Wien ebenfalls auf diesen Cluster in Verbindung mit Leiharbeiten zurückzuführen. Allein in einer Unterkunft in Erdberg waren 24 Bewohner infiziert. Ebenfalls knapp 1.000 Testungen gab es in Betreuungseinrichtungen für Obdachlose, dabei wurde ein Infizierter ausfindig gemacht. Eine Unterkunft in Hietzing wurde unter Quarantäne gestellt und die Bewohner teilweise in anderen Einrichtungen untergebracht.

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