Stimmen für Olympia-Verschiebung mehren sich

Die Stimmen für eine möglichst sofortige Verschiebung der Olympischen Spiele in Tokio mehren sich. Neben der Athletenvereinigung „Global Athlete“ sprachen sich am Sonntag auch die Olympischen Komitees von Kroatien und Serbien gegen die nach wie vor im Sommer geplante Austragung aus. Außerdem wurde bekannt, dass kommende Woche eine außerordentliche IOC-Exekutivkomiteesitzung angesetzt werden soll.

Das und die Arbeit der Olympia-Organisatoren an verschiedenen Verschiebungsszenarien vertrauten namentlich nicht genannte Quellen innerhalb der betreffenden Einrichtungen der Nachrichtenagentur Reuters an. Offiziell bestätigt wurden diese Angaben freilich nicht. Denn die japanische Regierung und das Internationale Olympische Komitee (IOC) mit dem Deutschen Thomas Bach an der Spitze halten trotz der Coronavirus-Pandemie und lauter werdender Kritik an seinem Vorgehen weiter am pünktlichen Beginn Ende Juli fest.

Aber nicht mehr alle Nationale Olympischen Komitees sind der Meinung, dass man mit einer möglichen Absage weiter zuwarten sollte. „Japan hat viele Ressourcen in Olympia investiert und sie sind fest davon überzeugt, dass die Spiele stattfinden sollten, aber das widerspricht dem gesunden Menschenverstand und das können wir nicht unterstützen, Menschenleben gehen vor“, betonte Serbiens NOK-Chef Vanja Udovicic.

Sein kroatischer Amtskollege Zlatko Matesa erklärte, dass es für ihn undenkbar sei, unter den vorherrschenden Umständen weiterzumachen. „Ich glaube, dass die Spiele unmöglich wie geplant stattfinden können, meiner Meinung nach sollten sie einige Monate verschoben werden, das wäre keine dramatische Verschiebung.“

Die Vereinigung „Global Athlete“ spricht sich ebenfalls gegen die Austragung im Sommer aus. „Wenn sich die Welt zusammenschließt, um die Verbreitung des Covid-19-Virus zu begrenzen, müssen IOC und IPC das Gleiche tun“, hieß es in einer Mitteilung. Das IOC erklärte bereits mehrfach, es stehe im ständigen Austausch mit der Weltgesundheitsorganisation WHO und halte an der Position fest, dass es für eine Entscheidungen noch zu früh sei.

„Die Athleten wollen Teil einer Lösung sein, um sicherzustellen, dass die Spiele ein Erfolg werden“, hieß es in der Erklärung von „Global Athlete“ weiter, man habe Hunderte von Athleten angehört. „Unter den gegenwärtigen globalen Beschränkungen, die öffentliche Versammlungen einschränken sowie Trainingseinrichtungen und Grenzen schließen, haben die Athleten nicht die Möglichkeit, sich angemessen auf diese Spiele vorzubereiten. Ihre Gesundheit und Sicherheit müssen an erster Stelle stehen.“

Für Österreichs Sportler bedeutet der derzeitige Schwebezustand eine Geduldsprobe. Solange das IOC trotz Corona-Pandemie den Beginn der Sommerspiele mit 24. Juli in Tokio angibt, heiße es weitertrainieren, so das Österreichische Olympische Komitee. Die Funktionäre der heimischen Fachverbände geben diesen Appell an ihre Sportler weiter. „Wir brauchen eine rasche Entscheidung“, forderte ÖTRV-Präsident Walter Zettinig.

Der deutsche Athleten-Aktivist Max Hartung schloss seine Teilnahme in Tokio aus. Mit dieser Ankündigung wolle er in der Diskussion um eine Verlegung ein Zeichen setzen, betonte der Säbelfechter. Von einer Konsultation mit 200 Athleten durch den Deutschen Olympischen Sportbund berichtete Hartung am Samstag, dass die Athleten nun abstimmen könnten, ob sie für eine Verschiebung oder Beibehaltung des Olympia-Termins vom 24. Juli bis 9. August seien.

Ihm „breche es das Herz“, sagte der Vorsitzende des Vereins Athleten Deutschland über die Tragweite seiner Entscheidung. „Ich hätte heulen können.“ Das Internationale Olympischen Komitee forderte er auf, die „Hängepartie zu beenden“ und die Spiele zu verschieben. Hartung befindet sich derzeit in freiwilliger Quarantäne. „Was ich mir wünschen würde, dass das IOC mit offenen Karten spielt und uns Athleten mit einbezieht“, sagte Hartung. Davor hatten sich unter anderem auch schon andere internationale Athleten, nationale Verbände und ehemalige Spitzensportler für die sofortige Verschiebung ausgesprochen.

Es gibt aber auch andere Stimmen. „Alle schreien jetzt nach der Absage. Ich hoffe, das IOC beugt sich nicht dem öffentlichen Druck, sondern nimmt sich die nötige Zeit für diese schwerwiegende Entscheidung“, sagte Bahnradfahrer Maximilian Levy. „Wenn man jetzt absagt – da brechen Welten zusammen.“

Die Weltgesundheitsorganisation wird indes von sich aus nicht die Absage der Spiele fordern. Dies sei auch nicht die Aufgabe der WHO, sagte ein Sprecher am Sonntag auf dpa-Anfrage. „Jede Entscheidung, ein geplantes internationales Ereignis abzuändern, sollte auf einer sorgfältigen Bewertung der Risiken (…) beruhen.“ Auch der Stand der Planungen spiele eine Rolle. Die WHO arbeite seit langer Zeit mit den „einschlägigen internationalen Organisationen wie dem Internationalen Olympischen Komitee“ zusammen.

Trotz der Pandemie bewunderten in Japan am Sonntag zehntausende Menschen das Olympische Feuer. Mehr als 50.000 Menschen strömten am Samstag zum Bahnhof Sendai in der Präfektur Miyagi, wo die Flamme in einem goldenen Kessel gezeigt wurde. Einige Besucher warteten stundenlang, um das Feuer sehen zu können. Die Warteschlange war laut Medienberichten teilweise 500 Meter lang. Viele Besucher trugen Atemschutzmasken.

Das in Griechenland entzündete Olympische Feuer war am Freitag in Japan eingetroffen. Die Flamme wurde mit einem Flugzeug zum nördlichen Luftwaffenstützpunkt Matsushima gebracht. Wegen der Coronavirus-Pandemie waren dabei nur wenige Dutzend Behördenvertreter und Gäste anwesend.

Am Donnerstag startet der mehrmonatige Fackellauf durch Japan. Dabei wird das Olympische Feuer durch alle japanischen Präfekturen getragen, Ausgangspunkt ist Fukushima. Wegen der Coronavirus-Krise wird der Auftakt nicht groß gefeiert und die Empfangszeremonien in den einzelnen Orten finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.

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