Nationalrat debattiert über Europa

Ein weites Themenfeld hat die ÖVP am Mittwoch im Nationalrat mit ihrer „Aktuellen Stunde“ zur Zukunft der EU in bewegten Zeiten geöffnet. Gesprochen wurde über verschiedene Themen, vom verhinderten Beitritt Nord-Mazedoniens über türkische Drohungen bis zu den aktuellen Koalitionsverhandlungen in Österreich.

Letzteren Themas nahm sich wenig überraschend FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl an, der eine Flüchtlingswelle auf Österreich zurollen sieht und deswegen Schreckensbilder bezüglich Türkis-Grün malte. Anstatt sich auf die „Bedrohung“ vorzubereiten, werde von der ÖVP an einer Koalition mit „Zuwanderungsfanatikern“ gebastelt, die schon einen „Brechreiz bekommen, wenn sie nur das Wort Grenze in den Mund nehmen müssen“.

Ansonsten blieben sowohl Koalition als auch Migration Randthemen der Debatte. Ex-Europaminister Gernot Blümel philosophierte grundsätzlicher über die Zukunft der Union, die einen dritten Weg zwischen „Ängste klein reden“ und „Apokalypse beschwören“ brauche. Offen Kritik übte er an Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wegen dessen Blockade für Beitrittsverhandlungen mit Nord-Mazedonien, obwohl das Land alle Voraussetzungen für entsprechende Gespräche erfüllt habe.

Auch Außenminister Alexander Schallenberg sieht bezüglich eines Verhandlungsauftakts mit Nord-Mazedonien und Albanien die Glaubwürdigkeit der EU am Spiel, umso mehr als man auch Instabilität in der Region vermeiden müsse. Eindringlich warb er dafür, sich nicht als EU von der Türkei erpressen zu lassen, sei es bei der Migration oder bezüglich der IS-Kämpfer.

Ankara hatte ja am Vortag gedroht, bei EU-Sanktionen gegen die Türkei mehr Anhänger des IS nach Europa zu schicken. Schallenberg betonte wiederum, es gebe in der Region zwei Dutzend IS-Kämpfer mit österreichischer Staatsbürgerschaft und diese seien nicht in den türkischen Operationsgebieten aufhältig.

Der stellvertretende SPÖ-Klubchef Jörg Leichtfried nützte seinen Redebeitrag für eine Abrechnung mit dem „alten Europa der Konzerne“, wo Kinder sich die Jause für die Schule nicht leisten könnten, aber Milliarden in die Agrarindustrie gesteckt würden: „Das ist mehr ein Albtraum als wie ein Traum.“ Eindringlich sprach er sich gegen nationale Egoismen und fehlende Solidarität aus, wie sie etwa Ungarns Viktor Orban oder Polens Jaroslaw Kaczinsky lebten und damit auch mitverantwortlich für die EU-Krise seien: „Das gilt auch für die Parteien der ehemaligen Ibiza-Koalition.“

Mit den Rechtsaußen-Parteien in Europa rechnete auch Grünen-Mandatar Michel Reimon ab: „Wir haben ein Integrationsproblem mit Menschen, die zurückwollen ins 19. Jahrhundert.“ Ein Hauptgrund für den Brexit war aus seiner Sicht die fehlende Identifikation der Briten mit der EU. Daher gelte es, eine nachvollziehbare europäische Demokratie zu bauen, von der sich die Bürger gerne vertreten lassen.

In die gleiche Richtung blickt NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger. Für sie braucht es ein stärkeres Europa. Daher müsse man auch den Mut aufbringen, in Wirtschafts-, außenpolitischen oder ökologischen Fragen die Einstimmigkeit in Frage zu stellen. Trotz Handicaps ließ es sich Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) nicht nehmen, die Sitzung zu leiten. Der Parlamentschef ist nach einer Operation an beiden Knien aktuell mit Krücken unterwegs.

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