EU setzt Briten Frist für Brexit-Deal bis Dienstagabend

Die Europäische Union ist mit den bisherigen britischen Vorschlägen für eine Brexit-Vereinbarung unzufrieden und setzt Großbritannien eine Frist bis Dienstagabend. Andernfalls sollten die Gespräche nach dem für Donnerstag und Freitag geplanten EU-Gipfel fortgesetzt werden, sagte Chefunterhändler Michel Barnier nach Angaben von EU-Diplomaten am Dienstag den EU-Außenministern in Luxemburg.

Wenn es am Dienstag noch eine Einigung gebe, könne sich der EU-Gipfel ab Donnerstag damit befassen, sagte der belgische Außenminister Didier Reynders in Luxemburg. „Es ist aber nicht einfach.“ Ein Text müsse spätestens Mittwochvormittag zur wöchentlichen Sitzung der EU-Kommission vorliegen, damit die Mitgliedstaaten vor dem Gipfel noch informiert werden könnten, hieß es aus EU-Kreisen. Die jüngsten Vorschläge aus London seien Barnier zufolge nicht ausreichend.

Großbritannien müsse bis zum Abend einen Gesetzentwurf vorlegen, über den dann die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfel entscheiden sollten, sagte auch der irische Außenminister Simon Coveney. „Ein Deal ist schwierig, aber möglich.“ Ähnlich hatte sich Barnier vor seinem Treffen mit den Ministern geäußert. Mehrere EU-Außenminister, die in Luxemburg zusammenkamen, zeigten sich skeptischer.

Bereits vor dem Treffen Barniers mit den Vertretern der 27 verbleibenden EU-Staaten sagte die finnische Europa-Ministerin Tytti Tuppurainen, die EU müsse sich darauf vorbereiten, dass es keine Scheidungsvereinbarung, sondern eine erneute Verschiebung des Brexit-Termins geben werde. Die Zeit für einen geordneten Brexit, also mit einer Vereinbarung über die künftigen Beziehungen, wird knapp. Premierminister Boris Johnson will, dass Großbritannien am 31. Oktober die EU verlässt. Die Details einer Einigung sollen beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel vereinbart werden, bevor am Samstag das britische Parlament darüber abstimmen soll.

Barnier sagte vor seinen Beratungen vor Journalisten, es sei höchste Zeit, dass die Regierung in London „ihre guten Absichten in einen Gesetzestext“ gieße. „Eine Vereinbarung zu erreichen, ist immer noch möglich. Offensichtlich muss jedes Abkommen für alle funktionieren – für das ganze Vereinigte Königreich und für die gesamte Europäische Union.“

Außenminister Alexander Schallenberg, erklärte, den EU-Ländern würden noch 16 Tage bleiben, um zu einer Lösung der Brexit-Frage zu kommen. Er sei „guter Dinge“, dass dies gelingen werde, da das gemeinsame Interesse bestehe, einen „harten Brexit“ – also einen ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der EU- zu vermeiden, so Schallenberg. Aber es sei noch zu früh zu sagen, ob es dafür nach dem Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs diese Woche einen zweiten Gipfel brauchen werde.

Auch der polnische Europa-Minister Konrad Szymanski erklärte vor Beginn der Beratungen in Luxemburg, es gebe Grund zu „vorsichtigem Optimismus“. Auf beiden Seiten seien Bemühungen um eine Einigung erkennbar. Der deutsche Europa-Staatsminister Michael Roth äußerte sich zurückhaltender. Er sei nicht ganz sicher, ob eine Vereinbarung bevorstehe. Er forderte weitere Zugeständnisse aus London. Der EU-Binnenmarkt müsse geschützt und der Frieden in Nordirland gewahrt werden, sagte Roth.

Frankreich ist bereit, eine erneute Verschiebung des Brexit-Termins am 31. Oktober zu diskutieren. Aber eine längere Frist werde die Probleme nicht beseitigen, sagte die Staatssekretärin für Europa-Angelegenheiten, Amelie de Montchalin. „Zeit allein ist keine Lösung.“ Nötig sei ein „signifikanter politischer Wechsel“ in Großbritannien, um eine Diskussion über eine Fristverlängerung aufzunehmen. Ein solcher Wechsel könne die Aussicht auf eine Wahl oder ein Referendum sein, „etwas das die politische Dynamik verändert“.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel stellte klar, man werde bis zur letzten Minute verhandeln, um ein Ergebnis zu erzielen. Allerdings wirke eine Lösung für die irische Grenze wie eine Quadratur des Kreises, sagt sie in Berlin. Zudem scheine klar, dass Großbritannien aus der Zollunion ausscheiden wolle, was die Gespräche nicht einfacher mache.

Die künftige Ausgestaltung der Grenze zwischen Irland und Nordirland ist der größte Streitpunkt bei den Brexit-Verhandlungen. Nach einem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Union verliefe eine EU-Außengrenze mitten durch die irische Insel. Viele sehen dadurch nicht nur immense Schwierigkeiten für Zollkontrollen und Handel, sondern auch für den mühsam errungenen Frieden in Nordirland und das Karfreitagsabkommen zwischen pro-britischen und pro-irischen Gruppen von 1998.

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