Wo Rauch ist, ist auch Feuer: Rammstein begeisterte in Wien

Greta Thunberg hätte Tränen in den Augen: Die Feinstaubbelastung im Wiener Ernst-Happel-Stadion überschritt am Donnerstagabend die Grenzwerte um ein Vielfaches. Wenn Rammstein bei ihrer aktuellen Stadiontour loslegen, wird an Flammenwerfern und Feuerwerk nun einmal nicht gespart. Schließlich gelten die Deutschen als eine der größten Bombastgruppen dieses Planeten – und das zu Recht.

Ihre laufende Stadiontour, überraschenderweise die erste in der 25-jährigen Bandgeschichte, war binnen weniger Stunden praktisch ausverkauft. Schließlich hat Rammstein nicht nur sich selbst und seinen Feuerzauber, sondern auch das erste neue Album seit zehn Jahren am Start. Und so fanden sich im Happel-Stadion 50.000 Fans für einen Abend der Superlative ein.

Allein die schieren Dimensionen der 37 Meter in den Himmel ragenden Bühne, für deren Aufbau vier Tage und 70 Trucks benötigt wurden, beeindruckt. Anfangs dank roter Fahnen samt Rammstein-Emblem dem totalitären Hauptquartier eines Hollywoodbösewichtes gleichend, changiert der 400 Tonnen schwere Aufbau über den Abend hinweg als Lichtinstallation mit zahlreichen Spielorten, Projektionsflächen und Farbstimmungen.

Und doch wäre Rammstein nicht Rammstein, wenn dazu nicht auch haptischere Elemente hinzuträten. So halten die sechs Bandmitglieder rund um Frontmann Till Lindemann Rauchgeysiren und Feuerwerk stand, überstehen Flammenwerfer und lassen schwarzes Konfetti und Schaum auf die Zuschauer regnen. Bei legendären Nummern wie „Du hast“ oder „Sonne“ leisten die 300 Gasflaschen ganze Arbeit und treiben die Hitze der Flammen von der Bühne und den Türmen bis zu den Fans.

Das Ganze ist eine perfekt durchgeplante Show, bei der jede Geste sitzt, kein Raum für Abweichungen gelassen wird. Allzu spontan sollte man auf einer Bühne aber auch nicht agieren, auf der die Flammenwerfer fröhliche Urstände feiern. Da steht man lieber an der vorher markierten Position.

Es ist die richtige Mischung aus neuem Material und den Klassikern, die diesen Abend rundet. Acht Nummern vom aktuell siebenten, unbenannten Album sind unsterblichen Lieder wie „Du riechst so gut“ oder „Hier kommt die Sonne“ gegenübergestellt respektive integrieren sich nahtlos in den dramaturgischen Flow. Zu „Links 2-3-4“ wird marschiert, zu „Sehnsucht“ oder „Tattoo“ fahren die Bässe in die Glieder und bei „Zeig dich“ hat Schlagzeuger Christoph Schneider seinen großen Auftritt.

Den Kuss zwischen den Gitarristen Richard Kruspe und Paul Landers, der Anfang des Monats auf offener Bühne in Moskau für Aufsehen sorgte, gibt es auch in Wien. Und Lindemann empfängt zum Stück „Ausländer“ seine Band, die gerade in von der Menge getragenen Schlauchbooten zu ihm auf die Bühne treibt, mit einem „Willkommen“-Schild.

Dieser Zeitbezug in stilisierter Form, macht die Gruppe aus. Die Texte strotzen vor Gewalt und Sex und sind doch nicht eindimensional zu lesen, metaphorisieren gesellschaftliche Bewegungen. Ob sich die Formation dabei selbst immer ernst nimmt, bleibt im Ungefähren, wenn zum martialischen und textlich beinahe ironischen „Puppe“ ein überdimensionaler Kinderwagen in Brand gesetzt wird oder Sänger Lindemann Keyboarder Christian „Flake“ Lorenz während des Kannibalensongs „Mein Teil“ mit zunehmend größer werdenden Flammenwerfern malträtiert, während der in einem Kochtopf sitzt.

Rammstein ist eben eine Band der Widersprüche, die auch nicht aufgelöst werden müssen. Und damit haben sie es zur erfolgreichsten deutschsingenden Bühnentruppe gebracht, die spätestens mit der Verwendung im Soundtrack von „Lost Highway“ von David Lynch den internationalen Durchbruch schaffte und der es gelang, an einem Tag 800.000 Tickets für ihre laufende Stadiontournee zu verkaufen. Sorry Helene Fischer und Andreas Gabalier.

Nach dem Wien-Konzert am heutigen Freitag ist dann erst einmal Schluss, bevor es angesichts des großen Erfolgs im kommenden Jahr am 25. Mai weitergeht – wieder in Österreich. Allerdings nicht in Wien, sondern im Klagenfurter Wörtherseestadion.

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