Mehr Tote und längere Hitzeperioden durch Klimakrise

Die Länder der Nordhalbkugel müssen infolge der Erderwärmung nicht nur mit intensiveren, sondern auch mit längeren Hitzeperioden rechnen. Das geht aus einer Studie der Humboldt-Universität (HU) und des Climate Analytics Instituts in Berlin hervor, die in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“ veröffentlicht wurde. Auch bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen wurde vor der Klimakrise gewarnt.

Laut der Studie werden auch die Zeiten extremer Trockenheit und die Starkregenperioden im Sommer länger andauern. Für ihre Studie gingen die Wissenschafter von einer Erderwärmung von zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter aus. Die bisherige Erwärmung um ein Grad führte bereits zu extremen Wetterphänomenen. So starben etwa bei einer Hitzewelle 2003 allein in Europa 70.000 Menschen.

Erstmals haben Wissenschafter nun untersucht, ob die heißen Tage bei einer Erderwärmung um zwei Grad gebündelt auftreten werden. „Extreme Witterungsbedingungen würden anhaltender – heiße und trockene Perioden sowie aufeinanderfolgende Tage mit starken Regenfällen würden länger werden“, erklärte der Leitautor Peter Pfleiderer von der Humboldt-Universität.

Durch die Erderwärmung verlangsamen sich demnach die großräumigen Luftströmungen wie der Jetstream im Sommer. „Durch die Verlangsamung der Zirkulation werden Wetterregime beständiger und damit auch Hitzewellen oder Starkregen“, erklärte Co-Autor Dim Coumou von der Vrije Universiteit Amsterdam.

Der Studie zufolge erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Hitzeperioden, die länger als zwei Wochen dauern, um vier Prozent gegenüber heute. Dies gelte insbesondere für Teile Nordamerikas, Zentraleuropa und den Norden Asiens. An der amerikanischen Ostküste erhöhe sich die Wahrscheinlichkeit sogar um 20 Prozent. Starkregenperioden würden im Vergleich zu heute um 26 Prozent zunehmen.

Solche Wetterextreme können verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit, die Landwirtschaft, die Biodiversität und selbst das Wirtschaftswachstum haben. So kam es laut HU etwa während der Hitzewelle 2018 in Deutschland zu 15 Prozent Einbußen bei der Weizenernte.

„Mit zunehmender Erwärmung müssen wir mit immer stärkeren Auswirkungen durch extreme Wetterverhältnisse rechnen“, warnte Carl-Friedrich Schleussner von Climate Analytics. In Anbetracht der Tatsache, dass die Welt derzeit auf eine Erwärmung von drei Grad zusteuere, unterstreiche die Studie den „dringenden Handlungsbedarf“.

Auch bei den Alpbacher Gesundheitsgesprächen wurde am Dienstag betont, dass die Klimakrise schon jetzt tötet. Ein Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um zwei Grad Celsius dürfte die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in Europa um 50 Prozent erhöhen, drei oder vier Grad mehr diese vervierfachen. Mehr Vorsorge sei notwendig.

„Es wären ohne durch den Menschen verursachten Klimawandel drei Grad weniger gewesen“, sagte die Expertin. Die sich auch in bisher gemäßigten Klimazonen ankündigenden Probleme: Anstieg der direkt hitzebedingten Todesfälle, vermehrte Pollenbelastung (Allergien) und die Verbreitung von Tropenkrankheiten (Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber und/oder Chikungunya-Erkrankung) durch neue Vektoren („Tigermücke“) dürften auch auf Europa zukommen. Chikungunya-Erkrankungen, die nicht auf den Import durch Reisende zurückzuführen waren, wurden bereits 2007 an der Adria, 2010 in Südfrankreich und in diesem Jahr in Spanien registriert.

Seit 1850 hat sich die weltweite Durchschnittstemperatur bereits um etwas mehr als ein Grad Celsius erhöht. „Es gibt zwei Pfade. Entweder wir kratzen die Kurve und bleiben bis zum Ende des Jahrhunderts unter zwei Grad Celsius Erwärmung. Oder wir enden bis Ende des Jahrhunderts bei plus 4,5 Grad“, erklärte Veronika Huber.

Nur die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens könne zur positiven Variante der Modellberechnungen führen, betonte die Expertin. Im Pariser Klimaabkommen von 2015 wurde das Ziel festgeschrieben, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen, wenn möglich auf 1,5 Grad. Die Forschungsergebnisse zeigten, dass die Risiken bei einer Begrenzung auf 1,5 Grad „beträchtlich reduziert“ würden, erklärte Schleussner. Aus Sicht vieler Wissenschaftler ist das 1,5-Grad-Ziel aber nicht mehr zu schaffen. In den vergangenen zwei Jahren erreichten die CO2-Emissionen neue Rekordwerte, die 2019 voraussichtlich noch übertroffen werden.

1960 wurden weltweit rund 10.000.000.000 Tonnen (zehn Gigatonnen) CO2 in die Atmosphäre geblasen. 2018 waren es bereis 37,1 Gigatonnen des Gases. Der ständige Anstieg wurde nur unmittelbar nach der Finanzkrise vor rund zehn Jahren kurz unterbrochen. „Wir sind im Augenblick noch auf einem Pfad in Richtung drei bis vier Grad Celsius Erwärmung“, meinte Huber.

Das kann tragisch enden. „Zwei Drittel der Weltbevölkerung leben in stark hitzebedrohten Regionen. Hitzewellen sind vorhersagbar, die Auswirkungen beherrschbar“, erklärte Kerschbaum. Das Rote Kreuz hat bereits einen Ratgeber für Hitzewellen in Städten erstellt. Die Anstrengungen zur Prävention katastrophaler Auswirkungen künftiger Perioden mit Rekordtemperaturen sollten jedenfalls verstärkt werden. „2018 hatten wir in Österreich bereits eine hitzebedingte Übersterblichkeit von 766 Todesfällen. Im Straßenverkehr gab es rund 400 Todesfälle“, warnte Kerschbaum.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.