WKStA prüft Konnex zwischen Ibiza und Festplatten-Schreddern

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vermutet einen Konnex zwischen dem (ehemalige FPÖ-Granden belastenden) Ibiza-Video und dem Schreddern von Festplatten des Bundeskanzleramts durch einen ÖVP-Mitarbeiter. Das geht aus Anfragebeantwortungen von Justizminister Clemens Jabloner an die NEOS hervor, die der APA und der ZiB2 des ORF vorliegt.

Da der Konnex nicht ausgeschlossen werden könne bzw. „nach Ansicht der WKStA mit der für die Annahme einer Konnexität (….) erforderlichen Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, wird das Verfahren bis zur Klärung, ob ein derartiger Konnex besteht, von der WKStA geführt“, heißt es unter Verweis auf die entsprechende Rechtslage für die Zuständigkeit der Korruptionsermittler. Sollten die Ermittlungen zu einem anderen Ergebnis kommen, verliert die WKStA die Zuständigkeit, hat die Oberstaatsanwaltschaft am 1. August per Weisung festgelegt.

Die ÖVP hat mehrfach dementiert, das Videos bereits vor dessen medialem Bekanntwerden gekannt zu haben. Es habe sich auch nicht auf den zerstörten Speichermedien befunden, betonten Parteichef Sebastian Kurz und sein Generalsekretär Karl Nehammer. Es seien Druckerfestplatten gewesen, und man habe das Video ja wohl nicht ausdrucken wollen, so die Argumentation.

Laut der Anfragebeantwortung ermittelt die Staatsanwaltschaft ausschließlich gegen den damaligen Mitarbeiter des Bundeskanzleramts. Es geht um die Vorwürfe des schweren Betrugs, der Sachbeschädigung und der Datenbeschädigung.

Auch weitere Details zu den Verdachtslagen im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video gehen aus den Anfragebeantwortungen hervor. Unter anderem steht die „Überlassung von Kokain an verschiedene Abnehmer“ im Raum. Auch ein Erpressungsversuch gegen Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, bei dem im Juni mit Veröffentlichung weiterer Videopassagen gedroht wurde, wird untersucht.

Die Behörden vermuten in Sachen Suchtgifthandel ein schwerwiegendes Vergehen. Im betreffenden Paragraf 28a Abs.1 fünfter Fall des Suchtmittelgesetzes geht es um das Überlassen oder Verschaffen von Suchtgift, was mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert wird.

Weitere Details werden nicht genannt. Vor allem gegen wen ermittelt wird, also wer mit Drogen gehandelt haben soll, geht aus der Beantwortung nicht hervor. Jabloner betont, wegen der Nichtöffentlichkeit des offenen Verfahrens keine personenbezogenen Daten herausgeben zu können.

Der Erpressungsversuch gegen Strache soll am 6. Juni 2019 erfolgt sein. Hier soll jemand behauptet haben, im Besitz des Videos zu sein. Gedroht wurde mit der Veröffentlichung weiterer Passagen, sollte nicht gezahlt werden.

Insgesamt werden 19 (großteils bereits bekannte) Vorwürfe genannt, die auf das Vorliegen eines Anfangsverdachts bzw. auf ihre strafrechtliche Relevanz geprüft oder noch keiner Enderledigung zugeführt wurden. Dazu gehört der die Forderung nach einer Parteispende (sowie die Übersetzung ins Russische als Beitragstat), Steuerbetrügereien, Untreue, aber auch die heimliche Aufzeichnung des Videos, das Verwenden falscher Urkunden oder auch der Lockvogelauftritt der vorgeblichen russischen Oligarchin beim Treffen mit Strache und Gudenus.

Nach derzeitigem Stand werden laut Beantwortung bei der WKStA sechs natürliche Personen als Beschuldigte, vier Personen als Angezeigte, zwei juristische Personen als belangte Verbände und unbekannte Täter in Ansehung von sechs Unternehmen bzw. Organisationen geführt. Bei der Staatsanwaltschaft Wien werden sieben namentlich bekannte Personen und ein unbekannter Täter als Beschuldigte geführt.

Interessant ist auch, auf Grundlage welchen Materials die WKStA ihre Ermittlungen führt. Die Frage, ob die Staatsanwaltschaft in Besitz des gesamten „Ibiza-Videos“ ist, beantwortete Jabloner mit einem knappen „Nein“.

NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper sah sich durch den Umfang der Ermittlungen bestätigt, „dass wir es nicht mit einer ‚b’soffenen Gschicht‘ zu tun haben. Hier geht es um schwere Verbrechen gegen die Interessen unserer Republik. Die Enthüllungen zu Ibiza zeigen die ganze Verdorbenheit des ÖVP-FPÖ Sumpfs.“

Zusätzlich zu den bereits bekannten Vorwürfen ermittelt die WKStA in der Ibiza-Affäre auch wegen mutmaßlicher Steuerhinterziehung und des Vorwurfs der Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung. Das geht aus der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage von JETZT an Justizminister Clemens Jabloner hervor, die der APA vorliegt.

Demnach ermittelt die WKStA wegen „Verkürzung der Körperschafts- und Einkommensteuer für das Jahr 2017 durch Absetzung tatsächlich nicht-absetzbarer Parteispenden“. Wie es im Büro von Anfragesteller Alfred Noll (JETZT) hieß, könnte dieser vermutete Tatbestand im Zusammenhang mit der Abwicklung von Spenden über Vereine stehen: Wenn sie Parteispenden abwickeln, könnten sie die Gemeinnützigkeit missbraucht haben und wären daher steuerpflichtig.

Auch, dass wegen „Gründung einer staatsfeindlichen Verbindung“ ermittelt wird, war bisher nicht bekannt. Der Zweck einer solchen Verbindung ist laut § 246 Strafgesetzbuch, „auf gesetzwidrige Weise die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu erschüttern.“ Nolls Büro dazu: „Wenn Strache und Gudenus ausführen, wie sie Gesetze, die ordnungsgemäße Bestellung von Organen oder ordnungsgemäße Ausschreibungen umgehen, ist eindeutig die Unabhängigkeit (Anm. der Republik Österreich) erschüttert.“

Jabloner nahm in der Anfragebeantwortung weder zu inhaltlichen Details noch zu beschuldigten Personen oder Organisationen Stellung. „Die Offenlegung solcher Details würde den weiteren Verlauf der Strafverfahren und das Ergebnis der Ermittlungen beeinflussen und somit die Aufklärung der vorliegenden Strafsachen massiv gefährden“, erklärte der Justizminister. Auch auf die Gründe, warum aufgrund einzelner Tatbestände ermittelt wird, könne er daher nicht eingehen.

In der Anfragebeantwortung finden sich auch bereits bekannte Vorwürfe, wegen derer ermittelt wird. Darunter fallen die „Abwicklung von Spenden über bereits bekannte bzw. noch zu ermittelnde gemeinnützige Vereine“ sowie die Erteilung öffentlicher Bauaufträge als Gegenleistung von Parteispenden. Wie berichtet, hatte der ehemalige FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache im „Ibiza-Video“ der vermeintlichen russischen Oligarchin die Vergabe von Bauaufträgen in Aussicht gestellt. Bisher wurden keine Teile der Ermittlungen eingestellt.

Alfred Noll zeigte sich erfreut über die Arbeit der Staatsanwaltschaft: „Der staatsanwaltschaftliche Beginn ist vielversprechend, ich hoffe, dass es am Schluss auch bei den meisten Punkten zu konkreten Anklagen kommt.“ Die Vielzahl der Straftatbestände zeige, „wie ernst und gefährlich diese blaue Geisteshaltung ist“.

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