Russische Melancholie in schönster Form bei „Eugen Onegin“

Liebeswirren und Liebesleid und Chaos der Gefühle junger Menschen hat Peter I. Tschaikowsky musikalisch in „Lyrische Szenen in drei Akten“ gegossen. 1879 wurde die auf dem Puschkin-Versroman „Eugen Onegin“ basierende Oper von Studierenden des Moskauer Konservatoriums uraufgeführt. Am Montagabend erlebte das Werk im Opernstudio der Bregenzer Festspiele eine gelungene Neu-Interpretation.

Nach Mozart und Rossini in den vergangenen vier Jahren setzte das Opernstudio heuer auf russisches Sentiment. Der deutsche Regisseur Jan Eßinger (36), der österreichische Bühnen- und Kostümbildner Nikolaus Webern und der russische Dirigent Valentin Uryupin haben mit einem jungen, überwiegend russischen Ensemble eine musikalisch wie psychologisch überzeugende Fassung von „Jewgeni/Eugen Onegin“ auf die räumlich beschränkte Bühne des Kornmarkttheaters gezaubert. Das sichtlich und hörbar begeisterte Premierenpublikum bedankte sich nach fast drei Stunden bei allen Mitwirkenden mit jubelndem Beifall. Eugen Onegin wird in russischer Originalsprache mit deutschen Übertiteln bis 17. August noch drei Mal aufgeführt.

Wie man aus der Not eine Tugend macht, zeigte Eßinger etwa mit dem Regietrick, wegen der Bühnen-Beengtheit den Chor nicht szenisch auftreten zu lassen. Die Chor-Passagen wurden im russischen Perm „vorproduziert“ und nun entweder per nostalgischem Plattenspieler oder Off-Stage eingespielt. Umso präsenter waren die Gesangssolisten auf der Bühne und das Symphonieorchester Vorarlberg im Graben. Eßinger setzte in seiner episodenhaften Kammerspiel-Interpretation auf psychologische Deutung der mehrschichtigen Charaktere. Erfreulich, wie reif die Hauptakteure gesanglich und szenisch in einer stilisierten Gegenwart mit Rückblenden und Traumepisoden agierten.

Die israelische Sopranistin Shira Patchornik debütierte als Tatjana und entwickelte sich vom romantisch verträumten Landmädchen (grandios in der großen Brief-Szene) zur Fürstin, die einem baritonal wie mimisch verführerischen Ilya Kutyukhin als Weltmann Onegin zuletzt souverän Widerpart leistet. Mit hell timbriertem Tenor überzeugte auch Alexey Neklyudov als unglücklicher Lenski, der von Onegin im Duell getötet wird. Igor Korostylev gab mit sonorem Bass sowohl Fürst Gremin als zuvor beim Duell auch den Sekundanten. Gut integriert im Ensemble waren auch die Mezzosopranistinnen Liuba Sokolova als Tatjanas Vertraute Filipjewna, Aytaj Shikhalizada als Schwester und Lenski-Braut Olga und Judith Thielsen als Mutter Larina. Ein geradezu Offenbach’sches Intermezzo steuerte der frühere Wiltener Sängerknabe David Kerber (Tenor) als Monsieur Triquet mit einem parodistischen Couplet bei.

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