Kurz bekräftigt bei EU-Gipfel Forderung nach neuem Vertrag

Die EU-Staaten sind am Europatag im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) zu einem informellen Gipfel zusammengekommen, um über die Zukunft der Union zu beraten. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bekräftigte zu Beginn des Gipfels seine Forderung nach einer Änderung der EU-Verträge. Die Klimainitiative von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will er indes nicht unterstützen.

Es gebe keinen Grund, selbstzufrieden mit dem Status quo in der Europäischen Union zu sein, betonte Kurz am Donnerstag in Sibiu. „Ein neuer Vertrag, ein Generationswechsel – das ist jetzt, was wir brauchen.“ Ein Konvent in Österreich sollte eine möglichst breite Einbindung aller in diese Fragen sicherstellen.

Um im internationalen Wettbewerb gegen Staaten wie China und die USA zu bestehen, muss Europa nach Ansicht des französischen Präsidenten Macron mehr in Digitales und Künstliche Intelligenz investieren. Dies würde zum Wachstum von Morgen beitragen, sagte er vor Gipfelbeginn.

Weitere Prioritäten sieht Macron im Klima- und im Grenzschutz. Frankreich, Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Dänemark, Schweden, Portugal und Spanien hatten kurz vor dem Gipfel in Sibiu ein Papier vorgelegt, in dem sie neue Klimaziele für die EU fordern. Spätestens bis 2050 solle die Staatengemeinschaft unter dem Strich keine Klimagase mehr in die Atmosphäre blasen, heißt es darin.

Macron bedauerte in Sibiu, dass Deutschland bisher nicht zu den Unterstützern des Papiers gehört. Er sei aber überzeugt, „dass Deutschland sich uns letztlich anschließt“.

Kanzler Kurz äußerte sich kritisch zur Initiative Frankreichs zum Klimaschutz. Österreich erachte es als „vollkommen falsch“, auf Atomkraft zu setzen, sagte Kurz. Österreich sein dem Klimaschutz verpflichtet, setze aber auf erneuerbare Energie und nicht auf Atomkraft. „Weder Atomenergie noch Kohlekraftwerke sind der richtige Weg.“

Der Text von Macrons Vorschlag erwähnt die Nutzung der Atomkraft nicht explizit. Die Umweltorganisation Global 2000 kritisierte Kurz am Donnerstag in einer Aussendung, weil er diese Initiative nicht unterstützt. Auch der Grüne Bundessprecher Werner Kogler hatte den Kanzler im Vorfeld des Sibiu-Gipfels aufgefordert, „sich klimafreundlich zu verhalten, nicht zu bremsen“.

Unterschiedliche Ansichten gab es unter den Gipfelteilnehmern zum Spitzenkandidaten-Prozess bei der EU-Wahl. Insbesondere Liberale gaben sich skeptisch. Kurz bekräftigte hingegen seine Unterstützung für Spitzenkandidaten. Er warnte, es wäre der Bevölkerung schwer zu verkaufen, zuerst Wahlen und Spitzenkandidaten zu haben, und dann im kleinen Kreis zu entscheiden, wer Kommissionspräsident wird. Rumäniens konservativer Staatspräsident Klaus Johannis (Iohannis), der Gastgeber des Treffens und früherer Bürgermeister von Sibiu, sprach sich sogar für eine Direktwahl des EU-Kommissionspräsidenten und weiterer europäischer Spitzenvertreter aus.

Die Europäische Union will unterdessen das Atomabkommen mit dem Iran retten. „Wir wollen das JCPOA (Joint Comprehensive Plan of Action/Atomabkommen) aufrechterhalten“, sagte Macron vor Beginn des EU-Gipfels. Kurz dämpfte dagegen die Erwartungen. Die Europäische Union stehe zum Iran-Deal, aber in den USA gebe es einen anderen Blick auf die Dinge, sagte er. Durch die Wirtschaftsmacht der USA und mögliche Sanktionen sei der Deal weniger wert, als er dies mit den USA wäre.

Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini zeigte sich über die Ankündigung Teherans, aus dem Atomdeal teilweise auszusteigen, sehr besorgt. „Wir bleiben der Umsetzung des JCPOA vollkommen verpflichtet“, betonte Mogherini. Dies sei für die EU und für die Welt eine Frage der Sicherheit. Vonseiten der EU gebe es zu hundert Prozent die Verpflichtung, das Atom-Abkommen zu erhalten.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die Europäische Union zur Geschlossenheit auf, um sich im internationalen Wettbewerb behaupten zu können. „Die Welt schläft nicht“, sagte sie. „Wir müssen innovativ sein, wir müssen stark sein, wir müssen geeint sein. Und dafür werden wir heute werben.“ Es gehe darum zu zeigen, dass die EU trotz aller Differenzen zum gemeinsamen Handeln in der Lage sei, um Frieden und Wohlstand zu sichern.

In ihrer gemeinsamen Erklärung gelobten die EU-Staats- und Regierungschefs „vereint durch dick und dünn zu gehen“ und „die Menschen über die Politik zu stellen“.

Beim Treffen der europäischen EVP-Konservativen direkt vor Beginn des Gipfels forderten der rumänische Präsident Johannis und EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber am Donnerstag einen verschärften Kampf gegen Korruption in allen EU-Staaten. Weber will bei seiner eventuellen Ernennung zum EU-Kommissionspräsidenten den Schutz der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten stärken. Er plane deshalb „einen verbindlichen Mechanismus“, um die Rechtsstaatlichkeit zu garantieren.

Johannis und EVP-Chef Joseph Daul warben in diesem Zusammenhang für ein Referendum, das in Rumänien am 26. Mai gemeinsam mit der Europawahl stattfindet. Mit der von Präsident Johannis gegen die eigene Regierung eingebrachten Abstimmung soll die Aufweichung der Korruptionsgesetzgebung gestoppt werden.

Die Opposition und die EU-Kommission werfen der aus Sozialdemokraten (PSD) und Liberalen (ALDE) bestehenden Regierung in Bukarest vor, mit der neuen Gesetzgebung faktisch die Korruptionsbekämpfung in dem südosteuropäischen Staat zu unterlaufen. Die europäischen Sozialdemokraten (SPE) haben die rumänische Regierungspartei PSD bereits suspendiert, die europäischen Liberalen (ALDE) beraten noch, ob sie ebenfalls diesen Schritt gehen sollen.

An dem EU-Treffen in Sibiu nahmen die Staats- und Regierungschefs von 27 EU-Ländern teil; Großbritannien wurde durch Brexit-Minister Steve Barclay, nicht durch Premierministerin Theresa May vertreten.

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