Steigende Ungleichheit senkt Unterstützung für Umverteilung

Steigt die Einkommensungleichheit in einem Land an, setzt sich die Bevölkerung nicht automatisch für mehr Umverteilung und den Wohlfahrtsstaat ein, geht aus Studien hervor. Das liegt an mehreren Gründen: „Ein Grund ist sicherlich fehlendes Bewusstsein vieler Menschen dafür, dass sie selbst profitieren würden“, so die Ökonomin Lisa Windsteiger vom Max-Planck-Institut zur APA.

Denn die meisten Menschen sehen sich eher beim Durchschnittseinkommen angesiedelt. Dadurch überschätzen Reiche auch das Einkommen der Armen, während diese die Einnahmen der Reichen unterschätzen. Segregation, also die soziale Blase, in der man lebt, verstärkt diese verzerrte Wahrnehmung: „Je homogener das soziale Umfeld, desto mehr verschätzt man sich beim Durchschnittseinkommen“, sagt Windsteiger. Heißt im Umkehrschluss: Je diverser der Bekanntenkreis in punkto Beruf, Bildung und Co, desto geringer ist die eigene Fehlwahrnehmung.

Das Problem dabei sei, dass Ungleichheit und Segregation oft gleichzeitig zunehmen. Das kann auch unbemerkt passieren: „Viele argumentieren, dass dies in den USA seit den 70er Jahren der Fall war.“ Dort ist die Ungleichheit stark angestiegen, „aber zumindest bis zur Finanzkrise war das kaum Thema und auch der Ruf der Bevölkerung nach mehr Umverteilung ist bis dahin größtenteils ausgeblieben.“

Ein weiterer Grund für die fehlende Unterstützung von Umverteilung und Wohlfahrtsstaat sei, dass niemand am untersten Rand der Gesellschaft stehen will. „Man ist immer froh, wenn es jemanden gibt, dem es noch schlechter geht“, meint Windsteiger. Das Augenmerk richte sich dann nicht auf die Reichen, sondern vor allem darauf, wie viel die Armen bekommen – „Stichwort ‚Soziale Hängematte'“, so die Forscherin.

„In Kombination ergeben diese beiden Phänomene, dass viele Menschen, die eigentlich von Umverteilung und dem Wohlfahrtsstaat profitieren würden, dagegen sind.“ Gefährlich daran sei, „dass sich die Spaltung der Gesellschaft durch Reduktion der Umverteilung und des Wohlfahrtsstaates noch weiter fortsetzt“, so Windsteiger.

Dadurch würde auch populistische Politik mehr Zuspruch finden, wie es derzeit in mehreren europäischen Ländern und den USA der Fall ist. Auch in Österreich würden „Ressentiments gegen AusländerInnen und AsylwerberInnen bedient, um die Leute davon zu überzeugen, dass weniger Umverteilung und weniger Wohlfahrtsstaat besser ist – und davon profitieren dann wieder die Reichen.“

Laut Windsteiger hätte man schon früher stärker gegensteuern müssen. „Und da haben teilweise auch linke Parteien, die an der Regierung waren, etwas versäumt.“ Allerdings gehe in diesem Zusammenhang aus Studien hervor, dass alleine die Diskussion über Immigration, egal ob positiv oder negativ besetzt, immer zu einer Verringerung der Nachfrage nach Umverteilung innerhalb der „einheimischen“ Bevölkerung führt, so die Ökonomin.

Um die sozio-ökonomische Segregation zu verringern, müsste man mit Investitionen in die öffentliche Infrastruktur wie Bibliotheken, Schulen oder den sozialen Wohnbau gegensteuern. Eine solche Gesellschafts-Spaltung im Nachhinein zu bekämpfen sei ihrer Meinung nach ungleich schwerer – „auch, weil dann die Unterstützung der Bevölkerung fehlt“.

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