Plowdiw soll nach 2019 kulturelle Destination bleiben

Die ersten Blütenknospen sind geplatzt, Katzen sonnen sich im Antiken Theater, das Holz der Häuser aus der Ära der Nationalen Wiedergeburt Bulgariens knackt – ganz Plowdiw lässt sich von der Frühlingssonne aufwärmen. Dieses Jahr soll es in Bulgariens zweitgrößter Stadt noch betriebsamer zugehen als sonst – als Europäischer Kulturhauptstadt 2019 mit dem Motto „Together“.

Ein Novum für das multikulturelle Land, das seit 2007 Mitglied der Europäischen Union ist, und nach Ansicht von Kulturminister Boil Banow eine „große Chance“, um zu zeigen, dass „wir zu den europäischen Werten stehen und Teil der europäischen ‚kulturellen Familie‘ sind“. „Als postkommunistisches Land ist es immer eine Freude, unser gegenwärtiges Antlitz, unsere gegenwärtige Art zu Denken zu zeigen“, erklärte er vor österreichischen Journalisten in Sofia.

Das Programm beinhaltet mehr als 300 Projekte und fast 500 Veranstaltungen nicht nur in Plowdiw, sondern in der ganzen Region und den Städten, die in die zweite Auswahlrunde gekommen waren: Bulgariens Hauptstadt Sofia, Warna am Schwarzen Meer und die geschichtsträchtige Stadt Weliko Tarnowo am Fluss Jantra.

Es gebe keine Gewinner oder Verlierer, die Teilnahme sei ein Bonus für das ganze Land und seine Kultur, sagte der Kulturminister. „Die Städte setzen eingereichte Projekte nun um, obwohl sie nicht ausgewählt wurden“, berichtete Banow und unterstreicht, dass Nachhaltigkeit das oberste Kriterium bei der Bewerbung sei.

Er erwarte, dass Plowdiw nach 2019 eine ernst zu nehmende kulturelle Destination bleibe und sich das Interesse auf andere Städte übertrage. Wie Außenministerin Ekaterina Sachariewa hofft er, dass sich die Zahl der nach Plowdiw kommenden Touristen sich bis Jahresende verdreifacht. Tourismus spielt eine große Rolle für das ganze Land: Zwölf Prozent des bulgarischen Bruttoinlandsprodukts werden in diesem Sektor erwirtschaftet.

„Das Interesse an Plowdiw ist bereits groß“, erklärte der ehemalige Theaterdirektor. In Plowdiw gäbe es eine reiche Sammlung an Artefakten aus der Antike und Zeugnissen aus der kommunistischen Ära. Er befürworte es, dass kleinere Städte und Regionen den Titel „Kulturhauptstadt“ tragen, aber nur, wenn sie interessante Traditionen, Geschichte und etwas Einzigartiges in Hinblick auf Entwicklung im zeitgenössischen Sinne aufweisen könnten, schränkte er ein.

„Die Regeln schreiben vor, dass das Land abgesehen von der Bereitstellung von finanziellen Ressourcen nicht eingreift“, antwortete Banow auf die Frage, ob die Kritik gerechtfertigt sei, dass die Roma-Bevölkerung zu wenig in die Programmgestaltung einbezogen worden sei. Dies wäre erst nach Ende der Initiative zu bewerten, meinte er. „Ich hoffe, dass die Menschen, die für das Programm verantwortlich sind, dieses mit einem großen Herzen gestalten und später mit Stolz darauf zurückblicken können.“

In Plowdiw lebt eine der größten Roma-Gemeinschaften Europas im Stolipinowo-Bezirk, der mehr als 40.000 Einwohner zählt. Um auf die Handwerkskunst der Roma aufmerksam zu machen, entwickelten die deutschen Künstler und Architekten Martin Kaltwasser und Maik Ronz gemeinsam mit Anrainern eine temporäre Konstruktion für die Kulturhauptstadt, die beide Ufer des Flusses Maritsa, der durch die Stadt fließt und Stolipinowo von der Altstadt trennt, verbindet.

„To learn from Stolipinovo“ heißt das Projekt. Der Austausch geht auch in die andere Richtung: Im April besucht eine „mobile Schule“ den Bezirk und bietet spielerische und pädagogische Workshops unter anderem in den Bereichen Architektur, Kunst, Forschung für Kinder zwischen sechs und 16 Jahren an.

Bulgarien sei um die Integration der Minderheit bemüht – zum Besten des Landes und ganz Europas, so der Kulturminister. Der Fokus in den letzten Jahren sei auf der Einschulung aller schulpflichtigen Kinder gelegen. Die EU und andere Länder helfen dabei, sagte er. „Wenn es nur eine Frage des Geldes wäre, wäre es leicht“, spielte Banow auf die Bruchlinien in der bulgarischen Gesellschaft an.

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