Architekturkritiker Friedrich Achleitner gestorben

Die Architektur bezeichnete er als „Knochenarbeit“, Literatur war sein Vergnügen. Reüssiert hat Friedrich Achleitner aber in beiden Metiers. Der Doyen der österreichischen Architekturkritik und Hauptvertreter der „Konkreten Poesie“ verstarb am heutigen Mittwoch mit 88 Jahren.

Ein Studium der Architektur erschien dem am 23. Mai 1930 in Schalchen in Oberösterreich geborenen Achleitner nach Abschluss der Salzburger Gewerbeschule naheliegend, gebaut hat er aber nie etwas. Denn seine eigentliche Liebe galt der Literatur. 1958 hängte er die Baukunst deshalb erst einmal an den Nagel und widmete sich ganz dem Schreiben.

Bereits 1957 war Achleitner gemeinsam mit H.C. Artmann, Gerhard Rühm, Oswald Wiener und Konrad Bayer als legendäre „Wiener Gruppe“ zum ersten Mal an die Öffentlichkeit getreten und hatte damit eine sprachexperimentelle Revolution angezettelt. „Zumindest dachten wir, dass Konkrete Kunst auch in der Poesie anwendbar ist. Wahrscheinlich haben wir uns geirrt“, sagte Achleitner mit 85 Jahren einmal selbstkritisch.

In der internationalen Geschichte der Avantgardeliteratur ist dem „Baumeister der Sprache“, der bei seinen Textarbeiten das Konzeptuelle, die Kurzform und Sprachkritik in den Vordergrund stellte, jedenfalls ein Platz sicher. 1959 veröffentlichte Achleitner gemeinsam mit Artmann und Rühm den Dialekt-Band „hosn rosn baa“, ein Jahr darauf publizierte er „schwer schwarz“.

Von der Dichtung konnte Achleitner aber nicht leben, der Zufall führte ihn nach dem Zerfall der „Wiener Gruppe“ 1964 zur Architekturkritik. Nach einer einjährigen Tätigkeit unter Pseudonym bei der „Abendzeitung“, einem „Revolverblattl“, wie er später räsonierte, wechselte Achleitner, der bei Clemens Holzmeister in Wien studiert hatte, zur „Presse“. Dort schrieb er bis 1972 wöchentlich über die Qualität der österreichischen Baukunst. Als Vater der heimischen Architekturkritik trat er energisch gegen Abbruchspekulation und unkünstlerisches Bauen ein.

Sein Lebenswerk in Sachen Architektur, die mehrbändige Dokumentation „Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“, vollendete der wortmächtige, architekturbesessene Publizist kurz nach seinem 80. Geburtstag. „Der Achleitner“, wie die ausführliche Dokumentation unter Architekten heißt, machte den Architekturhistoriker zur kritischen Instanz. An seinem „Opus magnum“, der umfassenden aktuellen Bestandsaufnahme der heimischen Architektur, arbeitete er seit 1965.

1980 erschien im Residenz Verlag der erste Band, in dem Bauwerke in Oberösterreich, Salzburg, Tirol und Vorarlberg dokumentiert wurden. Der zweite Teil (1983) umfasst Kärnten, Steiermark und das Burgenland, während sich Band drei der Bundeshauptstadt widmen sollte. Aufgrund des Umfangs entschloss sich Achleitner aber dazu, Wien in drei eigene Abschnitte zu gliedern: 1990 kam die Beschreibung des ersten bis zwölften Bezirks heraus, 1995 folgten die Bezirke 13 bis 18. Im Herbst 2010 erschien schließlich 19 bis 23.

Einzig Niederösterreich fehlt in dem Oeuvre noch. Das müssten, so sagte er damals, andere übernehmen. „Das schaffe ich nicht mehr. Da müsste ich hundert Jahre alt werden“, so Achleitner 2010 im APA-Gespräch. Laut Residenz-Verlag, wo die Reihe erschienen ist, gibt es keine Planungen für einen NÖ-Band, es fehle auch an der Finanzierung.

Im vergangenen Jahrzehnt arbeitete Achleitner wieder vermehrt als Literat. Schließlich sei er damals des Schreibens wegen, nicht der Architektur, nach Wien gekommen, sagte er einmal. Im Zsolnay Verlag erschienen zuletzt „der springende punkt“ (2009), der Dialektgedichte-Band „iwahaubbd“ (2011) und 2015 „wortgesindel“: ein ironisches Aufzeigen des allgegenwärtigen sorglosen Umgangs mit der Sprache.

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