Britische Premierministerin May trifft auf Juncker

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und die britische Premierministerin Theresa May treffen sich Montagabend zu entscheidenden Brexit-Gesprächen. Juncker und May wollten sich um 21.00 Uhr in Straßburg treffen, teilte ein Sprecher der EU-Kommission auf Twitter mit. May befinde sich auf dem Weg in die ostfranzösische Stadt, sagte ein Vertreter der britischen Regierung.

Das Treffen bedeute, dass es eine Basis für Gespräche von Angesicht zu Angesicht gebe. Juncker ist wie die gesamte Kommission wegen der Sitzungswoche des EU-Parlaments in Straßburg. Zuvor hatte EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani zu Beginn der Sitzungswoche in Straßburg indirekt die Reise Mays bestätigt. „Wenn May hierherkommt, um Juncker zu treffen, wird sie heute Abend sehr spät eintreffen“. Auf die Frage eines Abgeordneten erklärte er, „von daher wird sie morgen früh nicht mehr hier sein. Daher wird es nicht möglich sein, mit ihr zu sprechen“.

Die EU-Kommission plante nach einem Telefonat zwischen Juncker und May am Sonntagabend eigentlich keine weiteren Treffen auf hochrangiger Ebene mehr. Man habe Großbritannien erneut versichert, dass die umstrittene Auffanglösung für die irische Grenze im Vertrag vorübergehend sei und die EU nach dem Brexit alles unternehmen werde, damit der sogenannte Backstop nie greifen müsse, sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel.

Wie am Montag verlautbart wurde, will May jedenfalls an ihrem Abstimmungs-Fahrplan festhalten. Am Dienstag werde wie vorgesehen im Unterhaus über ihren Brexit-Vertrag mit der EU abgestimmt, sagte Mays Sprecher am Montag in London. Er widersprach damit Spekulationen über eine Änderung der Abstimmungspläne für die nächsten Tage. Neue Zugeständnisse der EU hat May bis zuletzt offenbar nicht erreicht.

Zunächst soll es am Dienstag um den Ausstiegsvertrag gehen. Sollte dieser von den Abgeordneten erneut abgelehnt werden, was als wahrscheinlich gilt, ist für Mittwoch eine Abstimmung darüber geplant, ob Großbritannien ohne Abkommen aus der EU austritt („No Deal“). Findet sich auch dafür keine Mehrheit, soll am Donnerstag über eine Verschiebung des Austrittstermins entschieden werden.

May hat einen Aufschub um bis zu drei Monate vorgeschlagen, der vor der ersten Sitzung des neu gewählten EU-Parlaments Anfang Juli enden soll. Dadurch könnte mehr Zeit für Gespräche mit Brüssel gewonnen werden.

Ein EU-Vertreter sagte nach dem Scheitern der Gespräche: „Da ist nicht mehr viel Geduld oder guter Wille auf unserer Seite.“ May habe sich immer mehr selbst in eine Ecke gedrängt. „Selbst eine Verschiebung wird kein Ausweg aus der Sackgasse sein.“ Mays Sprecher präsentierte hingegen eine optimistischere Sichtweise. Die Premierministerin habe am Sonntagabend mit Kommissionspräsident Juncker telefoniert. Die Gespräche gingen weiter.

Vertreter der EU haben vor der Abstimmung jedenfalls betont, auf einen möglichen „harten Brexit“ vorbereitet zu sein. EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis sagte am Montag vor einer Sitzung der Euro-Finanzminister in Brüssel, die Notfallplanung der EU greife, auch in Bereichen wie Finanzdienstleistungen. Ein Brexit mit Abkommen wäre aber „viel weniger destruktiv für beide Seiten“.

Das Vereinigte Königreich will die EU am 29. März nach gut 45 Jahren Mitgliedschaft verlassen. Bis Ende 2020 soll es eine Übergangsphase geben, in der dort noch EU-Recht gilt. Die Zeit, die notfalls um zwei Jahre verlängert werden kann, gilt aber nur, wenn Großbritannien vor dem Austritt den Vertrag mit der EU ratifiziert. Beide Seiten haben sich bereits offen für eine Verlängerung der Frist gezeigt. Bei einem Brexit ohne Vertrag drohen unabsehbare politische und wirtschaftliche Folgen für beide Seiten.

Das britische Unterhaus hatte den mit der EU ausgehandelten Vertrag für einen geordneten Brexit im Jänner mit 432 zu 202 Stimmen klar abgelehnt. May will das Abkommen nun erneut im Parlament zur Abstimmung stellen und hatte daher auf Zugeständnisse von der EU gehofft – offenbar vergeblich.

Chefunterhändler Michel Barnier sagte bei einem Treffen mit den Botschaftern der 27 anderen EU-Staaten, die Europäische Union habe „konstruktive Vorschläge“ gemacht. Verhandelt werde „fortan“ nur noch zwischen Regierung und Parlament in London.

May hatte die EU am Freitag noch einmal um Zugeständnisse bei der besonders umstrittenen Auffanglösung für Nordirland gebeten, die eine „harte Grenze“ zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Irland verhindern soll. Großbritannien würde dabei ohne andere Vereinbarung bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU bleiben. Britische Brexit-Hardliner befürchten, dass London dann auf Dauer an die EU gebunden bliebe. Die EU lehnt eine zeitliche Begrenzung der Auffanglösung oder eine Ausstiegsklausel aber strikt ab.

Der Brexit-Sprecher der oppositionellen Labour Party, Keir Starmer, erklärte, May lege den Abgeordneten nach „acht Wochen des Versagens“ nun „genau“ denselben Vertrag vor, den sie schon im Jänner abgelehnt hätten. Die einflussreiche Labour-Abgeordnete Yvette Cooper erklärte, May müsse akzeptieren, „dass ihr Ansatz nicht funktioniert“. May dürfe sich nicht weiter „eingraben“, sondern müsse sich bewegen.

May und die EU wollen einen Chaos-Brexit ohne Vertrag vermeiden. Britische Brexit-Hardliner sind aber für einen klaren Bruch mit Brüssel. Der einflussreiche Tory-Abgeordnete und Brexit-Hardliner Jacob Rees-Mogg schrieb im „Express“, ein Austritt ohne Vertrag sei „nichts, wovor man Angst haben muss“.

Auch gegen eine Verschiebung des Brexit gibt es Widerstand. Der frühere Brexit-Minister David Davis sprach am Sonntag in der BBC von einer „demokratischen Katastrophe“, weil eine Verzögerung alle Briten enttäuschen werde, die bei dem Referendum 2016 für den Brexit gestimmt hätten.

(APA/dpa/ag.)

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