Kritik an ukrainischem Einreiseverbot für Wehrschütz

Das von der Ukraine gegen den ORF-Journalisten Christian Wehrschütz verhängte Einreiseverbot ist am Freitag von österreichischen Spitzenpolitikern, EU und OSZE kritisiert worden. Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) will den ukrainischen Botschafter Olexander Scherba für nächste Woche ins Außenministerium einladen lassen. Scherba selbst erklärte, das einjährige Einreiseverbot sei ein mildes Urteil.

Kneissl hatte am Donnerstag das Verbot als einen „in Europa inakzeptablen Akt der Zensur“ scharf verurteilt. Es handle sich um eine lange Reihe von Schikanen gegen den Journalisten, sagte die Ministerin. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) teile die Kritik Kneissls, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Bundeskanzleramt. Kurz werde „eng abgestimmt mit dem Außenministerium“ vorgehen.

Die ukrainischen Behörden werfen dem österreichischen Journalisten eine „bewusste Verletzung der ukrainischen Staatsgrenze“, „Beteiligung an Rechtfertigungsversuchen der (russischen, Anm.) Annexion der Krim“ sowie „antiukrainische Propaganda“ vor. Hintergrund dürften die ORF-Dreharbeiten auf der umstrittenen Krim-Brücke im vergangenen Sommer sein. Eigenen Angaben zufolge hatte Wehrschütz die Brücke zwischen der völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel und dem russischen Festland damals jedoch nicht befahren und sich an alle ukrainischen Gesetze gehalten.

Eine ukrainische Abgeordnete nannte gegenüber der APA allerdings noch einen weiteren Grund: Die Sorge, dass russische Geheimdienste ein Attentat auf Wehrschütz planen könnten, sei der Hauptgrund für das Einreiseverbot, sagte die gut vernetzte Parlamentarierin Olga Tscherwakowa. „Mit dem Einreiseverbot soll seine persönliche Sicherheit gewährleistet werden“, betonte Tscherwakowa vom Block Petro Poroschenko (BPP), die am Donnerstag diese Maßnahme des ukrainischen Geheimdiensts SBU gegen Wehrschütz publik gemacht hatte. Der österreichische Journalist habe sich Ende Dezember mit seiner Erklärung, dass er in der Ukraine um sein Leben fürchte, selbst in ernsthafte Gefahr gebracht, bedauerte sie. „Russische Geheimdienste könnten diese Situation nützen und ihm Schaden zufügen, um anschließend die ukrainische Regierung zu beschuldigen. Wir leben unter den Bedingungen eines hybriden Kriegs und die Methoden russischer Dienste sind auch hybrid“, sagte sie.

Offizielle Bestätigungen zum Einreiseverbot waren feiertagsbedingt in Kiew nicht zu erhalten. Laut Angaben der österreichischen Botschafterin in der Ukraine, Hermine Poppeller, hatte die SBU-Pressestelle am Donnerstag gegenüber der Botschaft das Einreiseverbot bestätigt.

Botschafter Scherba bestätigte die Maßnahme nur inoffiziell. Er wiederholte im Ö1-Mittagsjournal den Vorwurf, dass Wehrschütz im vergangenen Sommer für eine Reportage des ORF über die Krim-Brücke gefahren sei oder zumindest Mitarbeiter dazu veranlasst habe. „Ein Jahr Einreiseverbot für die Verletzung der Souveränität der Ukraine inmitten eines Krieges ist ein mildes Urteil, normalerweise sind das drei Jahre“, sagte der Botschafter. Einspruchsmöglichkeiten gegen das Einreiseverbot seien ihm nicht bekannt. Wehrschütz hätte sich lediglich zuvor entschuldigen oder Reue zeigen können, er habe dies jedoch unterlassen, bedauerte Scherba.

Wehrschütz selbst widersprach wiederholt den Vorwürfen, gegen ukrainische Gesetze verstoßen zu haben. „Ich habe die ukrainische Staatsgrenze nicht verletzt. Ich bin mit ukrainischer Sondergenehmigung auf die Krim im Sommer eingereist. Als die Krim-Brücke gefilmt wurde, blieb ich auf dem Territorium der Halbinsel Kertsch“, schrieb er auf Facebook. Im Ö1-„Journal“ betonte Wehrschütz, den Bescheid, der ihm noch nicht vorliege, zu prüfen und dann das Einreiseverbot „mit allen rechtlichen Mitteln bekämpfen“ zu wollen. Er verwies darauf, dass er über einen legalen Aufenthaltstitel bis Ende Juni dieses Jahres verfüge.

Die Vorwürfe gegen ihn bezeichnete der Journalist als „abstrus“. „Ich nehme an, dass die jetzige Führung der Ukraine eine Rechtfertigung sucht, um mich draußen zu halten, weil man mit kritischer Medienberichterstattung über Medienfreiheit, über Skandale beim Rüstungseinkauf während des Krieges nicht zufrieden ist.“ Er sprach von „Nervosität“ in der Ukraine vor den Präsidentschaftswahlen. Wehrschütz kündigte an, über die Wahlen am 31. März trotz allem von Österreich aus zu berichten.

EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn forderte die Ukraine zur Einhaltung der Medienfreiheit auf. Er drängte auf eine Klärung durch die ukrainischen Behörden. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit zeigte sich besorgt. Der OSZE-Medienbeauftragte Harlem Desir bat die ukrainischen Behörden, ihre Entscheidung zu revidieren. Das Verbot stünde im Gegensatz zur Medienfreiheit, erklärte Desir.

Nach ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz protestierte auch der ORF-Redakteursrat „schärfstens“ gegen den Bann. „Die Verhinderung der freien Berichterstattung ist undemokratisch und ein Mittel der Zensur“, hieß es. Die Verweigerung einer Akkreditierung und die Verhängung eines Einreiseverbotes sei „eine unzulässige Einschränkung der journalistischen Arbeit und der Medienfreiheit“.

Kritik kam auch vom FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein, der ebenfalls mit einem ukrainischen Einreiseverbot belegt ist. Jenewein kritisierte die Maßnahme gegen Wehrschütz als „beispiellosen Akt der Zensur“. „Die FPÖ verurteilt dieses mit europäischen Grundwerten völlig unvereinbare Vorgehen und fordert die sofortige Aufhebung des Verbots“, teilte Jenewein mit. Er hatte 2017 am „Internationalen Jalta-Wirtschaftsforum“ auf der von Russland annektierten Krim teilgenommen und ukrainische Gesetze durch seine Anreise aus Russland gebrochen.

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