Richter soll Sicherungshaft genehmigen, Opposition skeptisch

Die Bundesregierung wirbt bei der Opposition um eine Zustimmung zu der von ihr geplanten Sicherungshaft für potenziell gefährliche Asylwerber. Am Mittwochvormittag legte die Regierungsspitze die Eckpunkte vor, die u.a. eine richterliche Genehmigung der Maßnahme binnen 48 Stunden nach der Festnahme vorsehen. Die Opposition, deren Zustimmung für die Umsetzung notwendig ist, reagierte verhalten.

Die türkis-blaue Koalitionsspitzen fanden sich Mittwochfrüh vor der eigentlichen Ministerrats-Sitzung im Kanzleramt zu einem „Sicherheitsgipfel“ ein. Dabei wurden zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), den Ministern Josef Moser (Justiz/ÖVP) und Herbert Kickl (Inneres/FPÖ) sowie Innen-Staatssekretärin Karoline Edtstadler (ÖVP) die letzten Eckpunkte des Vorhabens besprochen. Mit diesen sollen laut Kurz noch am Mittwoch auf parlamentarischer Ebene die Verhandlungen mit den Oppositionsfraktionen aufgenommen werden.

Fix ist den Plänen zufolge, dass die Verhängung der Sicherungshaft zwar auf Anordnung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) erfolgen soll. Die Haft muss aber spätestens 48 Stunden nach der Festnahme des Betroffenen durch einen Richter des Bundesverwaltungsgerichts genehmigt werden. Darüber hinaus ist innerhalb von maximal zwei Wochen eine „endgültige Einschätzung über die Rechtmäßigkeit sowie weitere Haft inklusive komplementärer Maßnahmen“ (wie etwa Deradikalisierung) vorzunehmen. Außerdem sieht der Vorschlag vor, dass jedes Monat eine amtswegige Prüfung der Maßnahme erfolgen muss. Die Sicherungshaft darf maximal sechs Monate dauern – außer bei „besonderen Gründen“.

Die Bundesregierung war bei der Vorstellung der Pläne nach der Regierungssitzung darum bemüht, die Rechtmäßigkeit des Vorhabens zu untermauern. Die Sicherungshaft soll im Einklang mit österreichischen Gesetzen, der Menschenrechtskonvention sowie dem Europarecht sein, erklärte Kurz. „Ich hoffe, dass es Unterstützung der Opposition gibt, um Österreich einen kleinen Schritt sicherer zu machen“. Auch sollen sich Fälle wie in Dornbirn nicht wiederholen können, wo Anfang Februar ein Sozialamtsleiter bei einer Messerattacke durch einen Asylwerber getötet wurde.

Kurz räumte ein, dass es sich bei der Sicherungshaft um ein sehr sensibles Thema handle. Die Pläne der Regierung würden aber bereits in 15 europäischen Staaten umgesetzt, betonte er. FPÖ-Chef Strache verwies darauf, dass die EU-Aufnahmerichtlinie die geplanten Maßnahmen ermögliche. Mit dem Schritt wolle man vorhandene „Sicherheitslücken“ zwischen den bestehenden Haftmöglichkeiten schließen.

Vor allem Justizminister Moser war es nach der Regierungssitzung ein großes Anliegen, Bedenken zu zerstreuen. „Wir sind da sehr, sehr vorsichtig vorgegangen, haben einen Kontrollmechanismus vorgeschaltet, der die Rechtmäßigkeit überprüft“, verwies er auf die geplante richterliche Überprüfung. Außerdem solle ja auch geprüft werden, ob nicht gelindere Mittel ausreichen (etwa eine Gefährder-Ansprache). Schärfere Töne schlug Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) an: „Es ist ein guter Tag für die Sicherheit der österreichischen Bevölkerung. Es ist ein weniger guter Tag für diejenigen, die vielleicht als tickende Zeitbomben ein Schutzsystem (…) ausnutzen möchten, um ihre kriminellen Energien sozusagen ungehemmt ausleben zu können“, sagte er.

Vorerst etwas vage blieben die Angaben, unter welchen konkreten Kriterien Asylwerber in Sicherungshaft genommen werden können. Kickl stellte klar, dass es hier nicht um Delikte gehen könne, die ins Strafrecht fallen. Für diese gebe es ohnehin das Instrument der Untersuchungshaft. Bei weniger konkreten Drohungen sei diese aber nicht möglich: „Wenn jemand sagt, er will allen Ungläubigen die Köpfe abschneiden, dann reicht das für U-Haft nicht aus.“ Fix ist laut dem Vorschlag, dass für die Verhängung einer Sicherungshaft eine „tatsächliche gegenwärtige und hinreichende erhebliche Gefahr“ für die öffentliche Ordnung oder den Schutz der nationalen Sicherheit vorliegen muss.

Die Regierung will nun die Opposition überzeugen, den Plan zu unterstützen. „Wir sprechen von einem Modell, das ähnlich der Schubhaft ist“, sagte Kurz. Innerhalb der SPÖ habe es ja auch die Idee gegeben, eine derartige Sicherungshaft „für alle zu schaffen“, sagte Kurz mit Blick auf Aussagen von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil oder Wiens Bürgermeister Michael Ludwig. Derartiges sei aber „menschenrechtswidrig“ und „viel weitreichender als das, was wir angedacht haben“.

Die SPÖ reagierte in einer ersten Reaktion zurückhaltend. Zuerst müsse der Anlassfall in Dornbirn lückenlos aufgeklärt werden, forderte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda. „Es besteht der Verdacht des Behördenversagens, deshalb müssen alle Fakten auf den Tisch“ – ein Vorwurf, den Kickl am Vormittag klar in Abrede gestellt hatte. Ungeachtet dessen betonte Drozda, es mache keinen Sinn, über mögliche Konsequenzen und einen etwaigen Änderungsbedarf zu sprechen, ohne den Dornbirner Fall vollständig aufzuklären und die bereits bestehenden rechtlichen Rahmenbedingungen einer umfassenden Prüfung zu unterziehen. Drozda brachte dazu auch die Möglichkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Spiel.

Die NEOS zeigten sich zwar grundsätzlich gesprächsbereit, aber nur nach Vorlage eines konkreten Gesetzesentwurfs, wie Parteichefin Beate Meinl-Reisinger sagte. Der ÖVP warf sie vor, dem Koalitionspartner FPÖ nachgegeben zu haben. Auch JETZT-Abgeordnete Alma Zadic pochte auf die „lückenlose Aufklärung“ des Dornbirner Falles – „bevor wir uns in äußerst gefährlicher Anlassgesetzgebung verrennen, für die wir alle mit der Beschneidung unserer Bürgerrechte bezahlen“.


Source: Innenpolitik

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