Kunsthalle Wien wird von Frauen-Kollektiv WHW geleitet

Das Frauen-Kollektiv WHW aus Zagreb übernimmt ab Juni die Leitung der Kunsthalle Wien. Das gab Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) am Mittwoch bekannt. Von den 83 Bewerbungen waren acht in die Endauswahl gekommen. Eine Jury fällte die Entscheidung, der sich die Stadträtin anschloss, einstimmig.

WHW steht für „What, How & for Whom“ und besteht aus Ivet Curlin, Sabina Sabolovic und Natasa Ilic. „Ich freue mich auf unprätentiöse, intellektuelle und gleichzeitig humorvolle Kulturarbeiterinnen“, sagte die Stadträtin, die darauf verwies, dass auch die documenta in Kassel künftig von einem Kollektiv geleitet wird. Eine vierte WHW-Kollegin wird in Zagreb bleiben und nicht nach Wien kommen. Die Kunsthalle soll sich künftig international und Richtung der Kunstproduktion öffnen, sagte Sabolovic.

Stadträtin Kaup-Hasler freute sich über ein „gutes, exemplarisches Prozedere“ bei der Findung, die zu in der Qualität erstaunlichen Einreichungen und schließlich zu einem „absoluten Novum in der Geschichte der Kunsthalle“ geführt habe. Erstmals wird die städtische Institution von einem Kollektiv geführt. Vorerst bleibt sie allerdings im Museumsquartier.

„Natürlich war von Anfang an das Thema des Standortes ein wichtiges“, sagte Kaup-Hasler auf Nachfrage. „Es ist wichtig, es zu thematisieren, damit wir beweglich im Kopf bleiben.“ Vorerst bleibt es jedoch bei einer „Gedankenoption“, bei der auszuarbeiten ist, was „bessere Optionen als der Ist-Stand“ sein könnten. Unter den Bewerbern der Endrunde hätten „alle gesagt, dass dieser Standort ein guter ist, aber gleichzeitig ein hochproblematischer.“ Für die Etablierung eines neuen Standortes brauche es nicht nur Konzepte, sondern auch mehr finanzielle Ausstattung. „Daran wird gearbeitet“, versicherte die Stadträtin.

Derzeit hat die Kunsthalle Wien einen im Gemeinderat einstimmig beschlossenen Dreijahresvertrag von 4,1 Mio. Euro städtischen Zuschuss jährlich, wovon laut der kaufmännischen Geschäftsführerin Sigrid Mittersteiner jährlich 1,1 bis 1,2 Mio. Euro für die Kunst zur Verfügung stehen. Ein derartig geringer Anteil sei nicht ungewöhnlich und „immer schockierend wenig“, sagte Natasa Ilic. „Die Tendenz muss klarerweise immer sein, dass mehr Geld in die Kunst fließt“, betonte auch Kaup-Hasler, die auf Nachfrage, ob das dreiköpfige Kollektiv nun gemeinsam dreimal so viel wie Nicolaus Schafhausen oder jedes Mitglied ein Drittel seines Gehaltes beziehen werde, sagte: „Weder noch. Die Weisheit liegt in der Mitte.“ Dass zwischen Ausscheiden Schafhausens und Antritt der neuen Leitung ein Interregnum von zwei Monaten liegen wird, sieht die Stadträtin unproblematisch. „Das Programm dieses Jahres ist ja fertiggestellt. Es ist alles gewährleistet, dass die Kunsthalle handlungsfähig bleibt. Ich bin eher positiv überrascht, dass das Kollektiv schon im Juni hier beginnen kann.“

Ivet Curlin, Natasa Ilic und Sabina Sabolovic betonten, nicht arbeitsteilig zu arbeiten: „Wir haben alle immer kollektiv gearbeitet. Alle Entscheidungen werden gemeinsam getroffen. Auch, wenn das manchmal etwas schwieriger oder langsamer ist“, sagte Curlin. Die Drei werden nach Wien übersiedeln, allerdings auch weiter Zagreb verbunden bleiben und auch weiterhin die seit 15 Jahren von WHW geführte Galerie Nova in Zagreb im Kollektiv mit ihrer Kollegin Ana Devic leiten. „Unsere Arbeit in Zagreb wollen wir nicht komplett aufgeben, Zagreb ist für uns sehr wichtig“, so Curlin, die auch beträchtliche Synergien zwischen Wien und Zagreb möglich sieht.

Das 1999 gegründete Kollektiv WHW (What, How & for Whom) wurde 2008 mit dem damals erstmals vergebenen „Igor Zabel Award for Culture and Theory“ für außerordentliche kulturelle Leistungen in der zentral- und südosteuropäischen Region ausgezeichnet. Das Kollektiv hat schon in London und Antwerpen, Prag und Madrid, Hongkong und New York kuratiert und gemeinsam die 2009 die elfte Istanbul Biennale verantwortet, die sich stark um politische Denkanstöße bemühte. In Österreich hat WHW etwa für die Kunsthalle Exnergasse, den Graz rotor, die Wiener Festwochen („Zehntausend Täuschungen und hunderttausend Tricks“, 2014 im 21er Haus) und 2011 auch für den damals von Kaup-Hasler geleiteten steirischen herbst gearbeitet. Damals entwarfen sie in der Galerie Zimmermann Kratochwill als zentrale Festivalausstellung eine aus unterschiedlichsten Zugängen zusammengesetzte „Zweite Welt“ – Gegenentwürfe zu herrschenden Grenzen, Vorstellungen, Wünschen oder politischen Gegebenheiten.

Die kommenden Monate nannten die drei künftigen Leiterinnen eine kollektive Lernphase. „Zuerst wollen wir das Haus und seine Funktion genauer kennenlernen, ehe wir Dinge entscheiden“, sagte Ilic. Man werde die Planungen Schafhausens respektieren und eine Balance aus lokaler und internationaler Szene anstreben, sagte Sabolovic: „So haben wir immer gearbeitet.“ Wesentlich stärker als bisher will man aber die Kunsthalle Wien als Produktionsort etablieren. Dabei könne man durch Aufträge auch internationale Projekte und Zusammenarbeiten anstoßen und bei der Produktion, bei der Ausstellung und bei der Vernetzung Hilfe leisten. „Nach unserer Erfahrung schätzen Künstler diese Art von unterstützender Struktur sehr.“

Man setze sehr auf Zusammenarbeit und werde für die Arbeit in Wien Verbündete suchen, hielt man sich programmatisch noch recht bedeckt. Eine kleine Prognose wagte Natasa Ilic dennoch: „Vielleicht wird es künftig in der Kunsthalle Wien weniger westliche Kunst zu sehen geben, dafür viel mehr ganz neue Arbeiten.“ Und vielleicht auch mehr Besucher. 77.157 Besucher wurden 2017 gezählt. Kaup-Haslers Vorgabe für die Zukunft („Das ist aber kein Commitment für niederschwellige und populäre Kunst!“) lautet schlicht: „Mehr!“

(APA)

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