Weiter Diskussion um „Sicherungshaft“
Die Diskussion um die Einführung einer „Sicherungshaft“ ist auch am Montag weitergegangen, ohne allzu konkrete Details hervorzubringen. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) betonte, die Maßnahme solle nur für gefährliche Flüchtlinge gelten. Die SPÖ plädierte für umfassende Diskussionen, nur für Asylwerber soll sie jedenfalls nicht gelten, meinte Wiens Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig.
Den Vorschlag von Burgenlands designiertem Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ) vom Sonntag, auch gefährliche Österreicher mit solch einem Instrument zu bedrohen, hält Kickl für zu kurz gedacht, wie er bei einer Pressekonferenz erklärte. Klare Ablehnung demgegenüber kam von Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk, der gegenüber der APA meinte, dies sei „nicht nur bedenklich“, sondern: „Das geht schlichtweg nicht. Das würde sämtliche Grundsätze, auf denen unser Rechtssystem beruht, auf den Kopf stellen.“ Eine solche Maßnahme würde einen staatlichen Eingriff bedeuten, der auf einer Prognose beruht, jemand könnte eine Straftat begehen oder gefährlich sein – ohne, dass zuvor eine strafbare Handlung gesetzt wurde oder es ein Gerichtsverfahren gibt.
Kickl betonte zu seinem Vorschlag einer Sicherungshaft nur für gefährliche Asylwerber, dass es bereits entsprechende EU-Regeln dafür gebe, diese müsse Österreich nur etablieren. In Richtung SPÖ und NEOS meinte er, diese sollten aus dem „Schmollwinkel“ kommen, um eine Verfassungsbestimmung zu ermöglichen.
Freilich gelte es gewisse Voraussetzungen zu erfüllen, räumte Kickl ein. So müsse die Verhältnismäßigkeit gegeben sein, eine Revisionsmöglichkeit sowie eine Einzelfall-Entscheidung. Der Richter sollte dabei nicht an der ersten Stelle stehen, sondern die Behörde zunächst entscheiden. Als Beispiel für einen Fall, wo die Sicherungshaft zulässig wäre, nannte Sektionschef Peter Webinger einen Asylwerber, der vor einer IS-Flagge entsprechende Drohungen ausstößt. Wie lange eine solche Sicherungshaft möglich wäre, wurde bei der Pressekonferenz offen gelassen.
Europarechtlich wäre eine solche Maßnahme denkbar, meinte der Europarechtler Walter Obwexer. Die sogenannte EU-„Aufnahmerichtlinie“ würde sie ermöglichen, es müsste aber nach der Inhaftierung rasch eine Prüfung durch einen Richter erfolgen, sagte er zur APA. Die Richtlinie sehe vor, dass die Mitgliedstaaten eine Inhaftierung vornehmen dürfen, „wenn diese Antragsteller eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung darstellen“.
Die SPÖ gab sich zu dem Thema ein wenig gespalten. Oberösterreichs SPÖ-Vorsitzende Birgit Gerstorfer lehnte die Idee der Sicherungshaft für Asylwerber ebenso kategorisch ab wie für Österreicher. Das hieße „jemanden als Räuber zu verurteilen, bevor er einen Raub begangen hat“ und falle „eher in die Kategorie indiskutabel“. Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) sieht darin einen „Tabubruch“. Seine eigene Partei forderte Babler auf, diesem Vorhaben entgegenzutreten – denn es gebe Dinge, die „nicht verhandelbar“ seien.
SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wollte auf Doskozils Vorschlag erst gar nicht eingehen: Sie forderte eine „Task-Foce“ zur Aufarbeitung der Messerattacke in Vorarlberg. „Solange ich diese Ergebnisse nicht habe, stehe ich für Diskussionen nicht zur Verfügung“, sagte sie.
Wiens Bürgermeister Ludwig wollte sich nicht festlegen. Die Sache gehöre jedenfalls ausführlich diskutiert – und zwar aus Opfersicht. Nur für Asylwerber sollte sie gegebenenfalls aber nicht gelten, geht er mit dem designierten Burgenland-Landeschef Hans Peter Doskozil (SPÖ) d’accord.
Kärntens SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser bezeichnete die Aussagen Doskozils als „Einzelmeinung“. Wie Ludwig wollte auch er sich nicht explizit festlegen und forderte eine Analyse der geltenden Gesetzeslage und eine Einbeziehung der SPÖ. Diskutieren will auch der designierte Tiroler SPÖ-Chef Georg Dornauer: „Man kann über das reden. Aber vor dem Hintergrund der Wahrung aller Grund- und Menschenrechte.“
NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger kritisierte unterdessen Kickl, denn dieser habe „keinerlei neue Fakten oder gar ein Konzept“ geliefert. Ein Einsperren aufgrund einer Gefährdungsprognose sei „auf jeden Fall rechtlich unhaltbar“. Scharfe Kritik kam auch von der Liste Jetzt (vormals Pilz): „Die Entwicklungen zu einem autoritären Unrechtsstaat werden wir mit Sicherheit nicht mittragen“, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin von JETZT, Alma Zadic. Die Behörden hätten schon jetzt ausreichende Befugnisse, stellte Grünen-Chef Werner Kogler fest. Also bräuchten sich weder Türkis-Blau noch Rot an der Verfassung zu vergreifen.
Eine deutliche Warnung sprach die Präsidentin der Volkshilfe Österreich, Barbara Gross, aus: „Jetzt müssen alle Alarmglocken sehr laut schrillen, eine wache Zivilgesellschaft ist aufgefordert, die Einschränkung der Freiheitsrechte zu verhindern“, betonte sie in einer Aussendung.
Kickl kündigte unterdessen weitere Verschärfungen im Asylbereich an: Mit März werden die Erstaufnahmezentren für Asylwerber (in Traiskirchen und Thalham) in „Ausreisezentren“ umgewandelt. Dort sollen möglichst schnell Reiseroute und Fluchtgründe geprüft werden und es soll auch sofort eine Rückkehrberatung geben. Darüber hinaus soll in Bundeszentren eine nächtliche Anwesenheitspflicht von 22 Uhr bis 6 Uhr gelten. Zumindest am Papier ist diese freiwillig. Wer sich nicht an sie hält, wird in Quartiere verlegt, wo es nächtens nichts gebe, womit man sich die Zeit vertreiben könne, formulierte Kickl.
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