Ex-Athlet Lukas Müller im Rechtsstreit mit ÖSV

Im Jahr 2016 hat das Leben des damals 23-jährigen Skispringers Lukas Müller eine tragische Wende erfahren: Bei einem Sturz als Vorspringer für die Skiflug-WM auf dem Kulm zog er sich bei einem Sturz einen inkompletten Querschnitt zu. Müller kämpft deshalb vor Gericht mit dem Österreichischen Skiverband (ÖSV). Dieser meldete in der Causa mittlerweile zu Wort und verwies auf bisherige Bemühungen.

Der ÖSV ist der Meinung, dass der fatale Unfall auf dem Kulm als Freizeit-Unfall einzustufen ist, Müller hingegen will dies als Arbeitsunfall eingestuft sehen. Der Fall Müller, über den in der ORF-Sportsendung „Thema“ am Montag sowie am Dienstag in diversen österreichischen Tageszeitungen berichtet wurde, ist seither gerichtsanhängig. Müllers Anwalt, Andreas Ermacora, bringt die Causa nun vor den Verwaltungsgerichtshof. Davor hatte die Kärntner Gebietskrankenkasse Müllers Tätigkeit als Vorspringer als Dienstleistung anerkannt, das Bundesverwaltungsgericht wies nach Einspruch des ÖSV Müllers Begehren aber wieder ab.

„Der erste Punkt ist der, dass er etwas dafür bezahlt bekommen hat, was über der Geringfügigkeits-Grenze gelegen ist, so dass wir schon aus diesem Grund der Meinung sind, dass es versicherungspflichtig ist“, erklärte Ermacora in „Thema“. „Der zweite ist der, dass er in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Veranstalter gestanden ist, wo er nicht mehr frei entscheiden konnte, ob er das oder das tut. Das dritte ist, dass ihm die Betriebsmittel zur Verfügung gestellt wurden, und hier vor allem die Skisprung-Schanze. Das ist meines Erachtens ein Präzedenzfall“, sagte der Anwalt.

Laut Informationen des „Kurier“ beruft man sich zudem auf die Aufgaben der Vorspringer und die FIS-Wettkampfordnung. In dieser sind bei einem Skifliegen zumindest zwölf Vorspringer zwingend vorgesehen, um einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung zu garantieren. Die Verantwortung dafür trage der Organisator.

Sollte sein Schützling den Fall gewinnen, dann habe dies Auswirkungen auf den ÖSV. „Weil er zukünftig solche Leute wie Müller anstellen wird bzw. versichern muss“, meinte Ermacora. Ein Präzedenzfall, der auf den gesamten Sport in Österreich Auswirkungen haben könnte.

Müller sitzt seit dem Unfall im Rollstuhl, musste u.a. sein Auto umbauen lassen und hat auch große Folgekosten. Darum kämpft er um die Anerkennung als Arbeitsunfall und aus seiner Sicht um soziale Gerechtigkeit. „Ein Querschnitt ist schweineteuer, es sind damit so viele Kosten verbunden, die mir teilweise erst heute klar werden, über drei Jahre danach“, erklärte Müller in der ORF-Sendung. „Es geht um meinen Arbeitsunfall, aber es geht mir auch um alle anderen Vorspringer. Es hat etwas passieren müssen, dass sich was ändert, aber jetzt könnte sich was ändern.“

Der ehemalige hoffnungsvolle Nachwuchs-Athlet hatte eine vorgeschriebene private Renn- und Risikoversicherung abgeschlossen. Lediglich ein anerkannter Arbeitsunfall würde aber die lebenslangen Kosten abdecken. Sport-Anwältin Christina Toth meinte dazu: „Ich gehe davon aus, dass der ÖSV als einer der reichsten Sportverbände des Landes durchaus in der Lage wäre, die Athleten entsprechend zu versichern.“ Doch eine eventuelle Entscheidung zugunsten Müllers könnte auch Auswirkungen auf viele andere Verträge etwa im Betreuerstab haben.

Müller beschrieb drastisch, womit er nun leben muss, etwa, dass er sich durch das auch betroffene Stoffwechselzentrum mit externen Hilfsmitteln immer selbst einen Katheter setzen müsse, um das WC aufzusuchen. „Eine private Unfallversicherung wird dieses Hilfsmittel nie übernehmen und wenn man keinen Arbeitsunfall hat, darf man sich das selbst zahlen. Für ein natürliches Bedürfnis, dass man täglich mehrmals hat, muss jedes Mal wieder ein neuer Katheter verwendet werden“, schilderte Müller.

Der ÖSV wies in einer Stellungnahme am Nachmittag auf eigene Bemühungen in der Causa hin. „ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel hat Müller kurz nach seinem Unfall im Jahr 2016 die bestmögliche Unterstützung zugesagt – und sein Versprechen auch eingehalten“, schrieb der ÖSV im Hinblick auf eine private Unfallversicherung sowie eine Unfallentschädigung aus einer FIS-Versicherung.

„Lukas Müller war als Vorspringer Teilnehmer der Veranstaltung ohne Wertung (laut FIS) und damit privat unfallversichert. Er erhielt nach seinem tragischen Unfall 480.000 Euro aus der ÖSV-Versicherung überwiesen“, wurde Schröcksnadel zitiert. „Der ÖSV hat sich auch bei der FIS dafür eingesetzt, dass Lukas Müller die maximale Versicherungssumme zugestanden wird. Er hat einen Anspruch auf eine Unfallentschädigung aus einer FIS-Versicherung im Umfang von 350.000 Schweizer Franken (rund 308.000 Euro, Anm.). Der ÖSV verlangt von allen Sportlern, die an internationalen Bewerben teilnehmen, den Nachweis einer angemessenen Unfallversicherung“.

Für den ÖSV sei es zudem „ein Gebot der Höflichkeit und des Respekts den Gerichten gegenüber, sich zu laufenden Verfahren nicht wertend zu äußern“, hieß es in dem Schreiben, in dem der Verband auch betonte: „Der ÖSV ist nicht Partei des Verfahrens, sondern die Austria Ski WM und Großveranstaltungs Ges.m.b.H als Veranstalterin der Skiflug WM 2016.“

„Wir wünschen Lukas, dass er trotz dieses Schicksals sein Leben meistern wird und werden ihn dabei nach unseren Möglichkeiten bestmöglich unterstützen“, schloss Schröcksnadel.

Eine Lanze für Müller bzw. eine auch für angehende Spitzensportler faire Regelung brach Gernot Baumgartner von der Vereinigung der Fußballer (VdF) gegenüber dem ORF. „Es geht um die Schnittstelle zwischen Amateursport und Profisport, wenn man vom jungen zum erfahrenen Sportler wird. Gerade die, die zwischendrin sind, die nehmen auch oft solche Dinge in Kauf, dass sie sagen, ich weiß gar nicht wie mein Beschäftigungsverhältnis ist, die haben nur Sport und das Ziel im Fokus. Somit werden gewisse Dinge rundherum einfach vergessen. Da fehlt bei Verbänden die soziale Verantwortung.“

Während Mannschaftssportler rechtlich abgesichert sind, werden Einzelsportler als „neue Selbstständige“ eingestuft. Sportanwältin Toth, die übrigens auch Vizepräsidentin im Österreichischen Tennisverband ist, meinte, der Fall zeige genau, „dass man sich in der Vergangenheit durch diese gewachsenen Strukturen immer auch ein bisschen durchgewurschtelt hat. Solange es keine klaren rechtlichen und gesetzlichen Regelungen gibt, gibt es immer wieder auch schwarze Schafe, die vieles ausnutzen. Das geht leider ganz oft zulasten der Schwächsten und das sind oft die Athleten.“

Geäußert hat sich auch der ehemalige ÖSV-Skisprung-Cheftrainer Alexander Pointner, der Müller zur Seite steht. „Der Spitzensport ist öfters eine riesengroße Blase, eine Scheinwelt. Die Helden werden gefeiert, aber wenn dann die wirklichen Probleme des Lebens auf jemanden einschlagen, dann drehen sich viele um und irgendwann steht man alleine da. Das möchte ich dem Luki auf keinen Fall wünschen“, erklärte Pointner, der zum Zeitpunkt des Unfalls noch Cheftrainer gewesen ist.

(APA)

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