Trump fordert Europa zur Aufnahme von IS-Kämpfern auf

Angesichts der bevorstehenden Niederlage der Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien hat US-Präsident Donald Trump die europäischen Verbündeten aufgerufen, Hunderte von gefangenen IS-Kämpfern zurückzunehmen. Andernfalls wären die USA gezwungen, die Kämpfer auf freien Fuß zu setzen, twitterte Trump in der Nacht auf Sonntag.

„Die USA ersuchen Großbritannien, Frankreich, Deutschland und andere europäische Verbündete, über 800 IS-Kämpfer, die wir in Syrien gefangen genommen haben, zurückzunehmen und vor Gericht zu stellen“, schrieb Trump. Das Kalifat stehe kurz vor dem Fall. „Die Alternative ist keine gute, indem wir gezwungen wären, sie freizulassen“, twitterte Trump. Die USA würden ungern zusehen, wie diese IS-Kämpfer Europa durchdringen, wohin sie erwartungsgemäß gehen wollten.

In Syrien steht die Terrormiliz IS kurz vor einer militärischen Niederlage. Die von den USA unterstützten und von Kurden geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) waren am Wochenende tief in die letzte verbliebene IS-Hochburg Baghouz am Euphrat vorgedrungen. Nur noch in einem kleinen Teil des Ortes an der syrisch-irakischen Grenze hielten sich noch einige IS-Kämpfer verschanzt, sagte SDF-Kommandant Adnan Afrin der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings hielten die Jihadisten noch viele Zivilisten als menschliche Schutzschilde, weswegen der Vormarsch nur langsam vor sich gehe.

Nach Angaben der Kurden befinden sich „Hunderte“ ausländische IS-Kämpfer, sowie deren Frauen und Kinder in kurdischen Gefängnissen und Lagern im Norden Syriens. Die SDF kritisieren seit langem, dass europäische Staaten bisher nicht zur Rücknahme ihrer Staatsbürger bereit seien.

„Wir kämpfen gemeinsam mit einer internationalen Allianz gegen Terrorismus und den IS“, sagte der bei den SDF für Internationale Angelegenheiten zuständige Abdel Karim Omar der Deutschen Presse-Agentur. Daher müsse auch das Problem der gefangenen ausländischen IS-Kämpfer und ihrer Familien gemeinsam mit der internationalen Gemeinschaft koordiniert werden. „Es ist eine Bürde, die wir nicht alleine tragen können.“

Die europäischen Staaten äußerten sich zu Forderungen aus Washington und Syrien zurückhaltend. Aus dem Außenministerium in Berlin hieß es am Sonntag, man habe zwar Kenntnis von Fällen deutscher Staatsangehöriger, die sich in Nordsyrien in Gewahrsam befinden sollen. Eigene Erkenntnisse lägen dazu aber nicht vor. Eine konsularische Betreuung in Syrien sei nach der Schließung der deutschen Botschaft in Damaskus weiterhin faktisch nicht möglich.

Frankreich hatte bereits im Jänner angekündigt, 130 IS-Anhänger zurückholen zu wollen. Verteidigungsministerin Florence Parly warnte in einem Gastbeitrag der Zeitung „Le Parisien“ davor, die kurdischen Kräfte nach dem Abzug der USA in Syrien im Stich zu lassen. Der Westen verdanke den Kurden sehr viel.

Die Forderung von Trump stieß in Dänemark auf Ablehnung. „Es handelt sich um einige der gefährlichsten Menschen der Welt, und wir sollten sie nicht zurücknehmen“, sagte am Sonntag Michael Aastrup Jensen, außenpolitischer Sprecher von Premier Lars Lokke Rasmussen.

Die verfahrene Situation sei schließlich Trumps Schuld, weil er sich entschlossen habe, die US-Kräfte aus Syrien abzuziehen, bevor das Land stabilisiert worden sei, wurde Jensen von der Nachrichtenagentur Ritzau zitiert. Bei den oppositionellen Sozialdemokraten hieß es, die IS-Kämpfer müssten in der Region selbst vor Gericht gestellt werden.

„Dänemarks Job ist es, dort beim Aufbau eines Justiz- und Strafvollzugssystems zu helfen. Und dann müssen diese Leute die Strafen in den Ländern absitzen, wo sie diese begangen haben“, sagte die für Rechtsangelegenheiten zuständige Sprecherin der Sozialdemokraten, Trine Bramsen. Ähnlich ablehnend äußerte sich die rechtspopulistische Dänische Volkspartei.

Nach Schätzungen des dänischen Nachrichtendienstes PET von 2018 sind seit 2012 rund 150 Menschen aus Dänemark nach Syrien und in den Irak gereist, um sich islamistischen Extremisten anzuschließen.

Harsche Töne gab es dagegen aus Großbritannien, wo derzeit über den Wunsch einer 19-Jährigen diskutiert wird, die sich dem IS angeschlossen hatte und jetzt mit einem Neugeborenen in Syrien in Haft sitzt. Innenminister Sajid Javid hatte sich schon vor dem Appell Trumps ablehnend zu einer Rückkehr geäußert. Justizminister David Gauke betonte dagegen, dass es bei einer Ablehnung des Rückkehrwunsches rechtliche Probleme geben könnte. Man dürfe Menschen nicht staatenlos machen, sagte er dem Sender Sky News.

Der Britin Shamima Begum gehe es gut, wie der Anwalt der Familie am Sonntag mitteilte. Die Eltern der Frau hatten die Regierung in London um eine Rückkehrerlaubnis für ihre Tochter angefleht. Der Fall hatte für großes Aufsehen gesorgt. Begum will Syrien verlassen, damit ihr drittes Kind bessere Überlebenschancen hat. Zwei Babys, die sie in Syrien geboren hatte, seien bereits gestorben.

Begum war 2015 als 15-Jährige gemeinsam mit Mitschülerinnen über die Türkei nach Syrien in die damalige IS-Hochburg Al-Raqqa eingereist. Dort seien die Mädchen mit ausländischen IS-Kämpfern verheiratet worden. „Ich bereue nicht, hierher gekommen zu sein“, hatte Begum der Zeitung „The Times“ gesagt. Auch liebe sie ihren Ehemann, der aus den Niederlanden stammt und sich dem IS angeschlossen hatte, noch immer.

In einem am Sonntagnachmittag vom Nachrichtensender Sky News verbreiteten Interview nach der Geburt des dritten Kindes stellte sich Begum als harmlos dar. Sie sei in Syrien nur eine Hausfrau gewesen. „Ich habe nie etwas Gefährliches gemacht. Ich habe nie Propaganda betrieben. Ich habe nie Menschen ermutigt, nach Syrien zu kommen.“ Sie räumte aber ein, von Hinrichtungen Kenntnis zu haben. „Aber das war in Ordnung für mich“, der Islam habe dies erlaubt.

Eine britische Muslim-Organisation kritisierte diese Bemerkung scharf: Die junge Frau sei einer Gehirnwäsche unterzogen worden, teilte die Ramadhan Foundation mit.

(APA/dpa)

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