May fordert von Abgeordneten mehr Zeit und gute Nerven

Etwa sechs Wochen vor dem Brexit hat die britische Premierministerin Theresa May vom Parlament mehr Zeit und Unterstützung für Änderungen am Abkommen über den EU-Ausstieg gefordert. Zugleich appellierte May in ihrer Erklärung am Dienstag an die Abgeordneten, „die Nerven zu behalten“. Erneut wandte sich gegen eine dauerhafte Zollunion mit der EU, die von der Opposition gefordert wird.

Am Donnerstag ist eine weitere Abstimmungsrunde über die nächsten Schritte im Brexit-Prozess vorgesehen. Allerdings ist noch kein neues Datum für eine Abstimmung über das Mitte Jänner mit überwältigender Mehrheit abgelehnte Abkommen in Sicht. Schon am 29. März will Großbritannien sich von der Staatengemeinschaft trennen. Labour-Chef Jeremy Corbyn warf May vor, auf Zeit zu spielen und so die Abgeordneten zur Unterstützung ihres Brexit-Deals zu zwingen.

„Die Gespräche sind in einer entscheidenden Phase und wir müssen jetzt alle unsere Nerven behalten, um die Änderungen zu bekommen, die dieses Haus haben möchte, und einen Brexit zeitgerecht erreichen“, sagte May. Konkret nannte sie die Änderungen an der umstrittenen Auffanglösung für Nordirland („Backstop“), den Schutz der Arbeitnehmerrechte und die Stärkung der parlamentarischen Mitsprache in den Verhanldungen. Sollte dies geringen, „glaube ich, dass wir einen Deal bekommen können, den dieses Haus unterstützen kann“.

Sollte das Parlament May am Donnerstag mehr Zeit gewähren, wäre das bereits die zweite Verlängerung seit der Niederlage für den mit Brüssel vereinbarten Brexit-Deal. May will verhindern, dass ihr vom Parlament die Kontrolle über den Brexit-Prozess entrissen wird. Über einen Sprecher ließ sich am Dienstag zudem dementieren, dass sie schon im Sommer zurücktreten wolle.

Bei einer Reihe von Abstimmungen Ende Jänner scheiterte ein Versuch, May zu einer Verschiebung des Brexit-Datums zu zwingen, sollte nicht rechtzeitig ein Abkommen ratifiziert sein. Die Abgeordneten forderten aber rechtlich-verbindliche Änderungen Brexit-Abkommen. Das lehnt die Europäische Union bisher jedoch kategorisch ab.

Im langwierigen Streit über den EU-Austritt haben sich die Abgeordneten eine Art Veto-Recht für das Abkommen mit Brüssel gesichert. Die Regierung kann dieses nur unterzeichnen, wenn zuvor das Parlament zugestimmt hat. Die Abstimmung wird daher als „meaningful vote“ bezeichnet, als „bedeutungsvolles Votum“.

Forderungen, sich auf ein Datum dafür festzulegen, wies May zurück. „Sobald wir den Fortschritt erreicht haben, den wir brauchen, werden wir eine weitere bedeutungsvolle Abstimmung abhalten“, sagte May im Parlament. Sollte es nicht bis Ende Februar soweit sein, versprach die Regierungschefin eine dritte Abstimmungsrunde über weitere Schritte am 27. Februar. Tags zuvor werde sie eine weitere Erklärung abgeben, so May.

Corbyn wollte sich damit nicht zufrieden geben. „Wir müssen einen ungeregelten Brexit ausschließen“, forderte der Labour-Chef. „Die Premierministerin hat nur eine echte Taktik, das ist Zeit zu schinden in der Hoffnung, dass die Abgeordneten sich dazu erpressen lassen, für einen zutiefst mangelhaften Deal zu stimmen“, kritisierte der Alt-Linke, der auf Neuwahlen setzt. Beobachter halten es für wahrscheinlich, dass eine zweite Abstimmung über das Brexit-Abkommen erst nach dem nächsten EU-Gipfel am 21. März stattfinden könnte – nur wenige Tage vor dem EU-Austritt des Landes.

Auf großen Widerstand im Londoner Parlament stößt vor allem der Backstop. Dabei handelt es sich um eine Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland. Die Regelung sieht vor, dass Großbritannien so lange als Ganzes Teil der Zollunion bleibt, bis eine bessere Lösung gefunden ist.

Brexit-Befürworter in der Konservativen Partei befürchten, Großbritannien könne dadurch dauerhaft eng an die EU gebunden bleiben. Auch die nordirische Partei DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist, will das Abkommen nicht unterstützen. Die DUP lehnt jegliche Sonderrolle Nordirlands ab.

Sie habe bei ihren Gesprächen mit EU-Vertretern klar gemacht, dass es drei Wege gebe, um die Forderungen des Parlaments zu erfüllen, sagte May. Das sei, entweder den Backstop durch „alternative Regelungen“ zu ersetzen, den Backstop zeitlich zu begrenzen oder London ein einseitiges Kündigungsrecht einzuräumen. Sie werde sich noch vor Ende des Monats mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker treffen, um über den Stand der Verhandlungen zu sprechen, sagte May.

Österreichs Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) sieht Großbritannien indes auf einen ungeregelten Austritt aus der Europäischen Union zusteuern. „Es gibt zahlreiche Hinweise, dass wir uns auf einen harten Brexit zubewegen“, sagte Kneissl am Dienstag in der Sendung „Connect the World“ des US-Nachrichtensenders CNN. Sie kritisierte diesbezüglich vor allem die „Ungewissheit“, die es zu beenden gelte.

„Man kann irgendwie mit dem Brexit umgehen, selbst mit einem harten Brexit. Worum es geht, ist, die Ungewissheit zu beenden“, betonte die Außenministerin. Sie warnte vor einem „rechtlichen“ und „politischen Vakuum“, wenn Großbritannien die EU am 29. März ohne Austrittsdeal verlassen sollte.

Wie drängend diese Frage jetzt schon sei, veranschaulichte die Ministerin mit einem Beispiel. „Schiffe, die an diesem Freitag (britische) Häfen in Richtung Australien verlassen, werden, werden dort rund um den 29. März ankommen. Sie wissen nicht, welche Art von Zollpapieren sie mitführen müssen“, sagte Kneissl. Es gebe derzeit „keinen legalen Rahmen“ für den Versand von Gütern nach dem 29. März.

Kneissl lehnte es ab, der britischen Premierministerin Theresa May ein bewusstes Spiel mit der Zeit vorzuwerfen und wies darauf hin, dass es „viele Akteure“ gegeben habe, „die dazu beigetragen haben, dass wir jetzt in dieser Situation sind“.

Kneissl bekräftigte das Nein zu einer Änderung des Austrittsdeals, ließ aber Gesprächsbereitschaft über die politische Erklärung zu den künftigen Beziehungen erkennen sowie einem möglichen britischen Antrag über die Verschiebung des Austrittsdatums. Diesbezüglich erinnerte sie an die Aussage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dass man eine Zustimmung zu einer Verschiebung des Austrittstermins erwägen werde, wenn es dies einen „Mehrwert“ bringe.

(APA/ag.)

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