Deutschland soll bis 2038 aus der Kohle-Energie aussteigen

Die Empfehlungen der Kohlekommission in Deutschland für einen Ausstieg aus der klimaschädlichen Produktion von Strom aus Kohle bis spätestens 2038 sind auf ein überwiegend positives Echo gestoßen. Politik, Wirtschaft und Umweltgruppen begrüßten am Samstag, dass damit nach dem Atomausstieg auch die Basis für ein Ende des Streits um die Kohlekraftwerke und den Braunkohle-Tagebau gelegt worden sei.

„Das, was die Kommission hier substanziell beschlossen hat, hilft wirklich den Regionen, eine industriepolitische Zukunft zu haben auch ohne Kohle“, sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet. Die Versorger hielten sich hingegen mit einer Bewertung zurück. Sie müssen über etwaige Entschädigungen für Kraftwerksstilllegungen noch verhandeln.

Die von der Regierung eingesetzte Kommission verständigte sich nach über 20-stündigem Ringen am Samstag in der Früh auf ein Aus für das letzte Kraftwerk bis spätestens 2038. Das Enddatum könnte auch auf 2035 vorgezogen werden. Es gab nur eine Gegenstimme in dem 28-köpfigen Gremium aus Vertretern von Wissenschaft, Industrie, Gewerkschaften und Umweltgruppen. Um die Folgen für die betroffenen Braunkohlegebiete im Rheinland und in Ostdeutschland abzufedern, sind bis 2040 mindestens 40 Milliarden Euro vorgesehen. Als Entlastung für den erwarteten Strompreis-Anstieg soll es ab 2023 nach derzeitigem Stand jährlich etwa zwei Milliarden Euro für Unternehmen und Privathaushalte geben. Der zum Symbol der Anti-Kohle-Bewegung gewordene Hambacher Forst am Braunkohletagebau des RWE-Konzerns soll erhalten werden.

„Ich gehe davon, dass dieser Beschluss zu einer Befriedung beiträgt“, sagte der Kommissions-Vorsitzende Ronald Pofalla in Berlin. Die Einigung auf den Kohleausstieg bis 2038 sei ein „historischer Kraftakt“ gewesen. „Es ist ein Kompromiss, der allen wehtut. Das ist immer ein gutes Zeichen“, sagte der im Kommissionsvorstand vertretene Gewerkschafter Andreas Scheidt der Nachrichtenagentur Reuters. SPD-Chefin Andrea Nahles begrüßte den Kompromiss. „Das ist das Fundament für einen erfolgreichen Weg zum Kohleausstieg, der Klimaschutz und die Interessen der Arbeitnehmer in den Regionen verbindet.“

Der Chef der Gewerkschaft IGBCE, Michael Vassiliadis, hob hervor: „Es ist uns gelungen, für die vom Strukturwandel betroffenen Beschäftigten in der Kohleverstromung Sicherheit vor sozialen Härten zu schaffen.“ Dazu trügen unter anderem der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und ein früherer Rentenzugang mittels staatlichem Anpassungsgeld bei. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace sprach von einem Meilenstein und einem international wichtigen Signal.

Der Kraftwerksbetreiber Uniper begrüßte, dass die Kommission ihre Arbeit konstruktiv zu Ende gebracht habe. Nun gehe es um die Details. „Offenkundig empfiehlt die Kommission der Bundesregierung, von einer Inbetriebnahme unseres Kraftwerkes Datteln 4 – im Einvernehmen mit uns als Betreiber – abzusehen“, sagte Vorstandsmitglied Eckhardt Rümmler. „Dazu bedarf es angesichts der gewaltigen Investitionen und vertraglichen Verpflichtungen aus diesem Projekt substanzieller Gespräche – auch mit unseren Kunden dieses Kraftwerkes.“

Der ostdeutsche Kraftwerks- und Tagebaubetreiber Leag zeigte sich besorgt. „Sollte auch nach der Prüfung des Berichtes durch die Bundesregierung das Ausstiegsdatum Ende 2038 sowie die Stilllegung weiterer Kapazitäten in den nächsten Jahren bestätigt werden, dann würde dies unser Revierkonzept, das nach unseren Planungen bis über 2040 hinausreicht, ernsthaft infrage stellen.“ Der Karlsruher Versorger EnBW erklärte, die Empfehlungen müssten noch genau geprüft werden. „Wichtig ist eine langfristig verlässliche und breit akzeptierte Lösung für einen Ausstieg aus der Kohleverstromung, die allen Akteuren Planungssicherheit gibt.“

Schon innerhalb der nächsten vier Jahre schlägt die Kommission das Aus für Anlagen mit einer Leistung von über zwölf Gigawatt vor, was rechnerisch etwa 24 größeren Kohleblöcken entspricht. 2030 wird die Kraftwerksleistung dem Beschluss zufolge auf 17 Gigawatt Braun- und Steinkohle mehr als halbiert. Damit kann der Energiesektor die Klimaziele der Regierung erreichen.

Ungeachtet der Verständigung der von der deutschen Regierung eingesetzten Kohlekommission auf ein Enddatum für die Abschaltung der letzten Kraftwerke gibt es weiter Aufrufe zu Protesten gegen Strom aus Kohle. „Noch 19 Jahre Kohlekraftwerke am Netz lassen – das ist fürs Klima viel zu wenig“, erklärte das Kampagnen-Netzwerk Campact am Samstag.

„Der Beschluss der Kohlekommission schafft nicht den erhofften Frieden, sondern feuert den Konflikt um die Kohle weiter an“, warnte Campact-Geschäftsführer Christoph Bautz. Der gesellschaftliche Widerstand gegen die Kohle werde weitergehen, hatte zuvor auch der Vorsitzende des Umweltverbands BUND, Hubert Weiger, gesagt. Zwar stellte sich Weiger insgesamt hinter die Kommissionsempfehlungen. Vor allem in Ostdeutschland würden die Umweltverbände künftig aber „wesentlich engagierter auftreten“, da dort der Widerstand gegen einen zügigen Kohleausstieg am größten sei, sagte der BUND-Vorsitzende weiter.

„Was die Kohlekommission vorlegt, ist kein Konsens“, kritisierte auch die Organisation „Ende Gelände“, die bereits zahlreiche Protestaktionen an Braunkohlestandorten organisiert hat. „Noch 20 Jahre Kohlekraft sind 20 Jahre Kohlekraft zu viel. Dem stellen wir uns entgegen“, kündigte die Organisation an.

(APA/dpa)

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