Konzerne zahlen in EU fast nirgendwo offiziellen Steuersatz

Multinationale Unternehmen zahlen nach einer Studie der Grünen im EU-Parlament fast nirgendwo in der EU den gesetzlich vorgeschriebenen Steuersatz. Dieser beträgt laut Studie in der EU durchschnittlich 23 Prozent, die Firmen zahlen aber im Schnitt nur 15 Prozent. In Österreich waren es für Multis demnach im Zeitraum 2011 bis 2015 offiziell 25 Prozent, effektiv 13 Prozent.

Es gebe deutliche Unterschiede zwischen den offiziell geltenden Steuern und der tatsächlich gezahlten Abgabenlast, teilten die Grünen am Dienstag mit. Kleinere Firmen würden „in den meisten Ländern spürbar benachteiligt werden gegenüber grenzüberschreitend tätigen Konzernen: Je größer das Unternehmen, desto geringer der effektive Steuersatz“. Die stärkste Abweichung zeige Luxemburg: Der offizielle Wert sei 2011 bis 2015 bei 29 Prozent gelegen, tatsächlich hätten Unternehmen durchschnittlich aber nur gut 2 Prozent gezahlt. In Deutschland liegt die Abgabenlast laut Studie eigentlich bei 29,5 Prozent; der Untersuchung zufolge führten Unternehmen aber tatsächlich nur 19,6 Prozent an den Fiskus ab. Lediglich in Bulgarien wurde keine Abweichung festgestellt.

Österreich zähle zu den günstigsten Staaten für die Wirtschaft, so der „Standard“ (Dienstagsausgabe). Haken an der Untersuchung sei, dass die Datenlage nicht die beste sei. Die Studie greife auf die Datenbank Orbis zurück. Deren Zahlen seien zwar „die besten, die verfügbar sind, sie sind aber weit davon entfernt, perfekt zu sein, und wiesen eine Reihe von Mängeln auf“, schreibe der Studienautor Petr Jansky. Eines der Probleme sei, dass Orbis unkonsolidierte Bilanzzahlen erfasse.

Zudem würden Bilanzregeln von Land zu Land unterschiedlich gehandhabt. So würden die internationalen Bilanzierungsregeln IFRS in Österreich nur für Kapitalgesellschaften angewendet, in anderen Staaten für alle Unternehmen, so die Zeitung unter Berufung auf Roman Rohatschek vom Institut für Unternehmensrechnung der Uni Linz. Für gröbere Verwerfungen könnten auch Dividendenzahlungen sorgen.

Die teils große Lücke zwischen nominalem und effektivem Steuersatz entstehe einerseits durch „Sonderabsprachen einzelner EU-Mitgliedstaaten mit multinationalen Unternehmen“, erklärten die Grünen. Hinzu kämen Steuerschlupflöcher und „die doppelte Nichtbesteuerung von Gewinnen durch unvollkommene Doppelbesteuerungsabkommen“. Die Grünen fordern deshalb mehr Steuertransparenz in der EU. „Ein erster Schritt wären Berichte über die Steuerzahlungen globaler Konzerne in allen Mitgliedsländern wie Starbucks, Volkswagen und Apple“, erklärten sie.

Der österreichische grüne Europaabgeordnete Michel Reimon erklärte heute in einer Pressemitteilung: „Je größer und internationaler der Konzern, desto weniger Steuern zahlen diese in Österreich. Die von Schwarzblau geplante Steuerreform wird diese Politik weiter verschärfen und Großkonzerne noch mehr bevorzugen.“

Andreas Schieder, SPÖ-Spitzenkandidat bei der EU-Wahl, betonte, dass man nach vielen Jahrzehnten der Steuersenkungen für Großkonzerne feststelle, dass die Konzerne auch diese Mini-Steuersätze nicht bezahlten. „Wir brauchen dringend Lösungen in der EU für dieses Problem und Österreichs Regierung muss endlich damit aufhören, diese zu blockieren“, so Schieder in einer Pressemitteilung.

(APA/ag.)

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