EU-Datenschutz: Kritik wegen massivem Lobbying

Druck erzeugt Gegendruck – nach diesem Prinzip versuchen EU-Parlamentarier und Datenschützer dem entgegenzuwirken, was sie derzeit erleben: „Lobbying in bisher nicht gekanntem Ausmaß“, im Bemühen, die derzeit in Begutachtung befindliche Verordnung für ein neues, einheitliches europäisches Datenschutzrecht „zu verzögern und zu verwässern“.

So formulierte es zumindest der SPÖ-Europaparlamentarier Josef Weidenholzer, am Montag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Datenschützer Andreas Krisch und dem Leiter der Studenteninitiative „Europe-v-Facebook“, Max Schrems.

Die Novelle des seit 1995 unveränderten EU-Datenschutzrechts soll im Wesentlichen höhere und vor allem einheitliche Standards für die gesamte Union bringen, strengere Strafen bei Datenschutzverletzungen und ein „Recht auf Vergessenwerden“, also der Löschung aller personenbezogenen Daten, die ein Unternehmen besitzt. Auch soll die Einwilligung zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten ausdrücklich der Zustimmung des Betroffenen bedürfen und jederzeit widerrufbar sein. Das von der EU-Kommission im Jänner des Vorjahres vorgelegte Datenschutzpaket liegt derzeit im EU-Parlament und soll bis Ende April in den zuständigen Ausschüssen abgestimmt werden.

Welche Lobbyingbemühungen diesen Prozess begleiten, beschreibt Weidenholzer so: „Es gibt vonseiten der Industrie heftige Versuche, den Entwurf abzuschwächen – und einige Regierungen sind auch nicht sehr willig, den großen Wurf zu machen.“ Vor allem Irland, das derzeit den EU-Ratsvorsitz führt, stehe auf der Bremse. Schrems: „Die Stellungnahme der irischen Regierung ist eine 1:1-Ausgabe des Facebook-Papiers zum Datenschutzpaket.“ Die US-Regierung, ergänzt Krisch, Präsident der Initiative „European Digital Rights“ (EDRI), verschicke unverhohlene Forderungen, die bereits bestehenden Bestimmungen weiter abzuschwächen, „aber auf Papier ohne offiziellem Briefkopf, um es im Notfall abstreiten zu können.“ Und letztlich erweise sich auch Deutschland gegenwärtig als Bremser, meint Weidenholzer, „wenn Innenminister Hans-Peter Friedrich in einer perfiden Strategie versucht, mit dem Vorwurf der Regulierungswut auf EU-Ebene das bestehende hohe deutsche Datenschutzniveau zu drücken.“

„Dampf“ medial rausnehmen

Diesem enormen „Dampf“ (Schrems), der gegenwärtig gegen einen verstärkten Datenschutz erzeugt werde, gilt es für Weidenholzer, öffentlichen und medialen Druck entgegenzusetzen – aus prinzipiellen Gründen eines Schutzes der Grund- und Freiheitsrechte, aber auch aus pragmatischen Gründen: „Ein weiteres Wachstum des digitalen Binnenmarktes setzt das Vertrauen der Bürger voraus.“ Auch für Krisch dokumentiert der mangelnde Datenschutz „nicht nur das Versagen der Politik, sondern untergräbt auch das Vertrauen in die Institutionen.“

Bis zur Abstimmung im EU-Parlament, die derzeit für Ende 2013 geplant ist, soll, so Weidenholzer, in Zusammenarbeit mit Datenschützern und unter Einsatz möglichst starken öffentlichen Druckes dem Druck der Datenschutz-Verwässerer Paroli geboten und möglichst weitere Verbesserungen des Pakets durchgebracht werden – wie eine Erhöhung der Strafen für Verletzungen des Datenschutzes auf bis zu 5 Prozent des Jahresumsatzes eines Unternehmens. So musste der Lebensmittelkonzern Lidl 2008 für die Bespitzelung seiner Mitarbeiter 1,5 Millionen Euro Strafe zahlen – bei Anwendung des 5 Prozent-Modells wären das rund 1,5 Milliarden Euro gewesen. Für Weidenholzer eine prinzipielle Frage: Wenn alle gesellschaftlichen Bereiche durch rechtliche Räume geregelt seien, „dann kann es nicht sein, dass es einen Raum gibt, in dem das Recht des Stärkeren gilt.“

Service: http://www.edri.org/ http://brusselsdeclaration.net/

(APA)

Kommentare sind geschlossen, aber trackbacks und Pingbacks sind offen.