Äthiopiens einsamer Süden

Wer nach Äthiopien reist, hat Bilder von großartigen Monumenten im Kopf: Die Stelenfelder von Axum oder die in den Fels gemeißelten Kirchen von Lalibela sind weltberühmt. All das gibt es im Süden Äthiopiens nicht. Stattdessen bekommt der Reisende Hängelippen zu sehen, in die eine Untertasse passt, und Brot aus falschen Bananen zu essen.

Das riesige Gebiet mit Savanne und Bergen südlich der Hauptstadt Addis Abeba hat dem Besucher einiges zu bieten: Nationalparks, eine faszinierende Tierwelt und vor allem außergewöhnliche Menschen. Am Omo-Fluss wohnen die Stämme der Konso, Banna, Hamer und Mursi. Ihre Lebensweise scheint sich seit Jahrhunderten kaum geändert zu haben, sanftem Tourismus gegenüber sind sie meist aufgeschlossen.

Jetzt droht aber ein Kameltreiber wütend mit dem Stock. Ein Tourist hat aus seinem Geländewagen ein Foto gemacht, ohne zuvor um Erlaubnis zu fragen. Die Kamele könnten wegen des Fotos „keine oder nur saure Milch geben. So denkt der Karawanen-Chef“, erläutert Fahrer Alemayew Worku und lacht: „Das nächste Mal stoppen wir und plaudern. Ein kleines Bakschisch wirkt oft Wunder. Dann gibt es auch bessere Milch und mehr Fotos.“

Je weiter es nach Süden geht, desto grüner wird es. Am Wenchi Kratersee, fast drei Autostunden von Addis Abeba, sprießen Bohnen, Mais und Bananen. Doch nur wenige davon sind süße Essbananen, die meisten aber falsche Bananen mit fransigen Blättern. „Die falschen Bananen sind unser täglich Brot“, erklärt eine Bäuerin, die grüne, weiche Rinde von den Stämmen schält. Die Fladen sind nahrhaft, weich wie Kuchen und schmecken süß-sauer.

„Zum Glück haben viele Bauern ein zweites Standbein“, sagt Ato Kebede, der den Frauen zuschaut. Er hat hier in Wenchi mit Leuten aus den nahen Dörfern und Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) ein nachhaltiges Tourismusprojekt aufgebaut: Mehr als 150 Einheimische verdienen sich ein Zubrot als Führer, Fahrer und Pferdevermieter. Geboten werden: Dorfleben, Reiten, Bootsfahren, Wandern, Vogelbeobachtung, Gästehäuser und Privatquartiere – beschauliche Tage mit „African Feeling“.

Selbst zu fahren, kann in Äthiopiens Süden stressig sein. Straßen und Beschilderung sind schlecht, Tankstellen und Herbergen liegen weit auseinander. Wer diese Mühe scheut, kann in Addis Abeba einen Wagen mit versiertem Fahrer buchen. Es soll auch Globetrotter geben, die es mit Überlandbus und Pritschenwagen in drei Tagen bis Turmi geschafft haben, dem Hauptort des Volkes der Hamer.

Montag und Donnerstag ist Markttag. Die Frauen tragen Metallbänder an den Armen, Felle, Ketten oder gar nichts über der Brust und Bambus auf dem Rücken. Die Männer treiben mit langen Stöcken Ziegen und magere Rinder. Alle drängen am frühen Morgen auf den staubigen Marktplatz. Ein paar Touristen fotografieren eifrig. Die Spielregeln: Distanzfotos sind gratis, Nahaufnahmen kosten Trinkgeld.

Eine gute Fahrstunde vom Ort Jinka entfernt machen sich Frauen vom Volk der Mursi schick fürs Foto. Sie rücken ihre Dhebi zurecht, die Lippenteller aus Ton. Wer die Frauen fotografieren will, muss umgerechnet rund einen Euro bezahlen. Mit dem Geld aus dem Fototourismus gleichen die Mursi schlechte Ernten aus – und die sind in Äthiopien nicht selten.

(APA/dpa)

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