Aufregende Städte: Minneapolis und Saint Paul

Minneapolis und Saint Paul könnten unterschiedlicher nicht sein: Beide Städte liegen zwar im Herzen des nördlichen US-Bundesstaates Minnesota und nur 20 Kilometer voneinander entfernt am Ufer des mächtigen Mississippis. Aber damit hat es sich mit der Ähnlichkeit der ungleichen „Twins“ auch schon.

Minneapolis ist jung und flippig. Die Stadt trägt einen Stachelschnitt von blitzenden Wolkenkratzern aus Stahl und Glas. Um ihre Mitte schlingt sich ein blauer Gürtel aus natürlichen Seen. In einer indianisch-griechischen Wortschöpfung der ersten weißen Siedler heißt Minneapolis schließlich Wasserstadt. Minneapolis entstand beiderseits des Mississippis, an seinem höchsten natürlichen Wasserfall. Die Falls of Saint Anthony trieben zuerst Sägewerke an, dann Getreidemühlen. Selbstbewusst krönte sich Minneapolis zur Welthauptstadt im Mehlmahlen.

Wasserkraft bedeutete Wohlstand. Auch wenn die Mühlen längst still stehen, dreht sich in Minneapolis doch noch vieles um das nasse Element. Wie andernorts Skier, kutschieren die Einwohner coole Kanus auf dem Autodach. Segelboote schaukeln auf den Gewässern. Abends unterhält sich Minneapolis in einem der vielen Theater auf der Hennepin Avenue. Nicht ohne Grund wird diese auch Little Apple genannt. Gleich nach New York City gibt es hier die meisten Theaterplätze. Nach der Vorstellung geht es in den Warehouse-Bezirk mit seinen zahlreichen Bars. Im „First Avenue“-Nachtclub schwofte sogar schon Prince bei den Dreharbeiten zu „Purple Rain“.

Über all das kann Saint Paul nur den Kopf schütteln. Um 1840 aus einem Handelsposten für franko-kanadische Pelzjäger dort geboren, wo der Mississippi für die dicken Dampfschiffe nicht weiter befahrbar war, ist St. Paul immerhin ein paar Jahre älter als seine lebenslustige Schwester. Zugegeben, die Anfänge der heutigen Bundeshauptstadt waren ähnlich turbulent – mit Indianern und Abenteurern, Ganoven und Schnapsbrennern wie Pierre „Pig’s Eye“ Parrant.

Sein Bretterhaufen von Spelunke – offiziell St. Pauls erstes Bauwerk – hieß ebenfalls „Schweinsauge“ und war so berühmt wie berüchtigt. Schon bald kannte jeder die gesamte aufstrebende Siedlung nur noch unter dem unfeinen Spitznamen. Zum Entsetzen von Pater Lucien Galtier: Der frisch zugewanderte Missionar zimmerte auf den Uferklippen eine Blockhaus-Kapelle für seinen Lieblingsheiligen Paulus – seit 1915 steht hier die vierte Version, eine immens große und graue Kathedrale mit Kupferdom – und überredete das neue Nest zu einem vernünftigen Namen: Aus Saul wurde Paul.

Seither übt sich der Musterknabe in sittsamer Bescheidenheit. Minneapolis hat sechs Stripclubs. Das artige St. Paul genau einen, und der ist ein hochanständiges Restaurant, wo „Strip“ genannte Rindersteaks in Zitronensaft mit pochierten Kartoffeln serviert werden. St. Pauls Bürohochhäuser sind rechteckig, praktisch und maßvolle hundert Meter niedriger als die von Minneapolis. In einer guten halben Stunde ist man durch die adrette Innenstadt spaziert.

(APA/dpa)

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