Das schwierige Leben nach einer Transplantation

4.932 Organe wurden 2011 in Deutschland transplantiert, 12.000 Menschen standen auf der Warteliste. Was eine Organverpflanzung für den Empfänger und dessen Familie und Freunde bedeutet, wissen nur Betroffene. Das Leben ist danach nicht unbedingt leichter.

Wahrscheinlich würde Rahel Wagner heute gar nicht mehr leben. Wegen ihrer Krankheit hieß es für die Frau aus Peine immer, dass sie wohl nicht älter als 18 Jahre alt werden würde. Mittlerweile ist sie 33 Jahre alt. Zu verdanken hat sie das ihrer neuen Lunge. Seit ihrer Geburt leidet Wagner an Mukoviszidose – was aus dem Lateinischen übersetzt so viel bedeutet wie „zäher, klebriger Schleim“. Es ist eine Krankheit, bei der sich in der Lunge Sekret bildet, das Bakterien einen guten Nährboden bietet und zu vielen Infektionen führen kann.

Nach starkem Lungenbluten war eine beidseitige Transplantation von Wagners Lunge unumgänglich. Die OP war am 1. September 2006 in Hannover. Für viele Transplantierte gilt der Tag der Operation als ihr zweiter Geburtstag. „Natürlich habe ich meinen zweiten Geburtstag gefeiert. Zu meinem fünften haben wir sogar ein Buffet kommen lassen, zwanzig Leute eingeladen und diesen Tag gebührend gefeiert“, erzählt die zierliche blonde Frau. Nach Angaben der (DSO) konnten vergangenes Jahr fast 4000 Menschen ihren zweiten Geburtstag feiern. Davon bekamen 337 eine neue Lunge.

„Die Lunge ist eines der immunologisch stärksten Organe“, sagt Jens Gottlieb, Lungenfacharzt in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Das bedeutet, dass die Lunge ein Organ ist, das stark abgestoßen wird. Die Lebenserwartung bei Lungentransplantierten liegt nach fünf Jahren bei etwa 50 bis 60 Prozent.

Auch deswegen feierte Wagner ihren Geburtstag in großer Runde. Anders als viele Menschen glauben, ist sie nach der Transplantation aber nicht geheilt. Die gelernte Bankkauffrau ist immer noch chronisch krank und muss ihr Leben lang Tabletten einnehmen, um eine Abstoßung der Lunge zu verhindern – angenommen wird das Organ vom Körper nicht. Alle zwei Wochen wird ihr zur Kontrolle Blut abgenommen, denn die Medikamentenspiegel müssen auf einem konstanten Level bleiben und deshalb ständig überprüft werden.

Seit etwa drei Jahren leidet Wagner unter einer chronischen Abstoßung, was ihren Körper immer weiter schwächt. Dabei bildet sich Narbengewebe im Organ – dieser Prozess ist zwar aufzuhalten, aber nicht mehr umkehrbar. Nur eine weitere Lungentransplantation, eine sogenannte Retransplantation, könnte den Zustand der 33-Jährigen wieder verbessern. Doch erst kommen auf der Warteliste die Menschen dran, die noch nicht transplantiert wurden.

Für Wagner hatte die chronische Abstoßung zur Folge, dass sie auf die Adoption eines Kindes verzichten und ein laufendes Verfahren abbrechen musste. „Das war natürlich sehr hart. Als erstes geht die Gesundheit weg, und wegen der Gesundheit muss man das abbrechen.“ Für Wagner und ihren Mann Bastian ist nun die schwarze Mischlingshündin Line der selbst ernannte Kinderersatz.

Neben diesem Rückschlag kommt noch die tägliche Belastung seit der chronischen Abstoßung hinzu. Wagner muss täglich bis zu zwei Stunden inhalieren, rund 35 Medikamente am Tag zu sich nehmen, regelmäßig zu Fachärzten und zweimal wöchentlich für zwei Stunden Physiotherapie machen. Spontan zu sein, ist bei all den Terminen schwer. Viel erledigt ihr Mann für sie. Arbeiten ist für die Bankkauffrau nur in geringem Maß möglich.

Trotzdem ist Wagner dankbar. „Ich konnte zweieinhalb, drei Jahre so Leben wie ich das eigentlich wollte, weil es meiner Lunge so gut ging. Jetzt seit der chronischen Abstoßung ist das natürlich schon schwieriger, aber immerhin: ich lebe.“

(APA/dpa)

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